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Kaiser Karl und seine Paladine - Mittelalter-Roman

Felix Dahn, Therese Dahn

 

Verlag e-artnow, 2016

ISBN 9788026871637 , 356 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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1,99 EUR


 

Zweites Kapitel


Karls Anfänge bis zur Erwerbung der Langobarden-Krone (768–777).

Wie Karl der Hammer den Majordomat zwischen Pippin und Karlmann, so hatte Pippin vor seinem Tod unter Zustimmung des Reichstags das Königtum über das gesamte Frankenreich zwischen seinen Söhnen Karl (geb. 742) und Karlmann (geb. 751 oder 752) geteilt. Und zwar erhielt Karl der Ältere Austrasien (im engeren Sinn), Ostfranken (aber ohne Elsaß und Alamannien), Neustrien und Westaquitanien, Karlmann Elsaß, Alamannien, Burgund, Provence, Gotien und Ostaquitanien. Bayern, das erst wieder unterworfen werden mußte, blieb unerwähnt.

Während aber Pippin und sein Bruder einträchtig gewaltet hatten, bestand zwischen Karl und Karlmann von Jugend auf bittere Feindschaft: wir kennen die Gründe nicht: böse Ratgeber Karlmanns sollen an diesem geschürt haben. So verweigerte dieser gleich im ersten Jahre (769) die Mitwirkung, als in Aquitanien eine Bewegung wider Karl entstand: eine Zusammenkunft der Brüder besserte daran nichts. Karl warf, allein handelnd, den Aufstand ohne Mühe nieder. Im folgenden Jahr (770) vermittelte zwar die Königin Bertha (Bertrada) ein besseres Einvernehmen unter ihren Söhnen. Aber nicht lange sollte es währen. Auf Andringen der Mutter, welche er in hohen Ehren hielt solange sie lebte, vermählte sich Karl (770) mit der Tochter des Langobardenkönigs Desiderius (ihr Name ist ungewiß: vielleicht Bertrada, schwerlich Desiderata). Aber schon 771 verstieß er sie und sandte sie dem Vater zurück, aus unbekannten Ursachen, doch jedenfalls ohne ihr Verschulden, wahrscheinlich aus politischen Gründen. Gleichzeitig war das Verhältnis zu Karlmann in so bittere Verfeindung zurückgeschlagen, daß man den Ausbruch offenen Kriegs unter den beiden befürchtete, als Karlmann erkrankte und starb (4. Dezember 771). Sofort erschien Karl in dem erledigten Reich und nahm davon Besitz unter Zustimmung von vielen geistlichen und weltlichen Großen dieses Teilreichs: zumal Abt Fulrad von St. Denis, der schon Pippins vertrauter Rat gewesen, wirkte dabei mit. Karlmanns Witwe Gerberga floh mit ihren beiden unmündigen Knaben aus dem Frankenreich nach Pavia zu dem Langobardenkönig Desiderius, jetzt selbstverständlich Karls erbittertstem Feind. Gefahr hatte ihr und den Knaben nicht gedroht: aber Gerberga wollte die Ausschließung ihrer Söhne von dem Throne des Vaters nicht ruhig hinnehmen. Es ist schwer zu sagen, ob diese Ausschließung nach dem damaligen Recht begründet war oder nicht: Karl selbst hat später in einer von ihm verfügten Reichsteilung die Frage so entschieden, daß die Söhne vorverstorbener Brüder keineswegs ohne weiteres ein Folgerecht haben und den Oheim ausschließen sollten, sondern nur dann, wenn das Volk, d. h. die geistlichen und weltlichen Großen, des fraglichen Teilreiches sich für die Erbfolge eines solchen Sohnes aussprechen würden. Dies war nun 771 nicht geschehen, vielmehr hatten einflußreiche Vornehme Karlmanns sich für den Ausschluß der Knaben, für die Thronbesteigung Karls ausgesprochen. Darauf gründete wohl Karl sein Recht: allerdings hatte aber ein förmlicher Reichstag aller Großen von Karlmanns Reich keineswegs jenen Beschluß gefaßt. Und keineswegs alle Vornehmen in dessen Staaten teilten Fulrads Willen: vielmehr begleitete ein sehr angesehener Herzog, Auchar, die flüchtende Witwe und die Waisen – zwei kleine Knaben – seines Herrn in das Langobardenreich, wo er auch stets als Vorkämpfer und Vertreter der Sache der Knaben bei Desiderius und bei dem Papst erscheint: wahrscheinlich hat dieser Auchar, Autchar, den Namen und einzelne andre Züge zu der Gestalt des sagenhaften Ogier hergegeben, der dann freilich ein Däne sein soll. Auch die Verstoßung der langobardischen Königstochter war nicht ohne Widerspruch der nächsten Angehörigen Karls geschehen: es war der einzige Anlaß, aus welchem vorübergehend das Verhältnis zur Mutter getrübt ward: doch auch ein Vetter Karls, Adalhard, zog sich damals grollend vom Hof in ein Kloster zurück: er klagte, daß nun »Karl so viele edle Franken eidbrüchig gemacht habe«: d. h. es hatten wohl, nach germanischer Sitte, vor der Verlobung zahlreiche Vornehme Karls eidlich die Bürgschaft übernehmen müssen, der Tochter des Langobardenkönigs werde im Frankenreich Leid, Unrecht, Verunehrung nicht widerfahren. Er weigerte sich daher auch, der neuen Königin zu dienen, welche Karl sehr bald nach Verstoßung der Langobardin sich vermählte: das war Hildigard, aus edelstem alamannischem Herzogsgeschlecht, ein erst zwölf- oder dreizehnjähriges Mädchen. Diese ist offenbar die Lieblingsgemahlin Karls gewesen; die Sage hat seine Liebe zu ihr, die ihren Tod überdauerte, ihr in die Gruft nachfolgte und nicht von der schönen Toten lassen wollte, in anmutigen und rührenden Bildern verherrlicht: sie gebar ihm in zwölf Jahren zehn Kinder und sank, kaum vierundzwanzig Jahre alt, in das Grab in der Blüte ihrer Jugend und strahlenden Schönheit: ihr Goldhaar, ihre schneeweiße Stirn werden gepriesen (s. unten: »Karl und sein Haus«).

Einstweilen hatte in Italien König Desiderius, nicht ohne Grund gegen Karl auf das äußerste erbittert, von Papst Hadrian  I. verlangt, er solle Karlmanns beide Knaben zu Königen der Franken salben; die Macht Karls sollte durch das Auftreten der Neffen als Gegenkönige in Karlmanns ehemaligem Reich, durch innere Kämpfe der Franken geschwächt werden. Da sich der Papst beharrlich weigerte, bedrängte ihn der Langobarde mit Krieg. Nun rief Hadrian Karl zu Hilfe. Dieser – er hatte soeben den ersten Zug gegen die heidnischen Sachsen unternommen – schlug doch nicht gleich los. Er unterhandelte mit Desiderius, bot diesem sogar eine große Summe Goldes – 14 000 Goldsolidi (168 000 Mark), – falls er Sankt Peter das Entrissene zurückerstatte. Erst nach Abweisung aller Vorschläge ließ Karl auf dem Reichstag zu Genf den Krieg gegen die Langobarden beschließen und brach gleich von dort nach Italien auf. Hier zum erstenmal entfaltete der Held jene großartige Feldherrnschaft, durch welche er so viele germanische Könige überstrahlt. Denn Karl ist der erste Germane, den die Quellen als einen großen Feldherrn – nicht nur Taktiker, sondern Strategen – klar zu erkennen uns verstatten. Wohl dürfen wir vermuten, daß der Meister des Waldgefechts, Armin, daß gar manche germanische Führer in der Zeit des Vormittelalters, daß auch germanische Männer auf römischer Seite [wie Arbogast und Stilicho], Totila, Leovigild, Chlodovech, Alboin, daß Karls Ahnen: die Pippine und Karl der Hammer, nicht ohne hohe Begabung für Feldherrnschaft ihre Erfolge hatten erringen mögen.

Aber der erste germanische Heerführer, dessen Feldherrn-Begabung, ja dessen Eigenart als Feldherr uns die Quellen genau zu beweisen verstatten, ist Karl. Diese Eigenart besteht in folgendem: 1) den Feind umfassen, nötigenfalls durch Umgehung, und von allen verfügbaren Seiten zugleich angreifen; 2) was damit zusammenhängt: getrennt marschieren, vereint schlagen; 3) hierfür möglichste Verwertung aller Straßen, zumal aber der Wasserstraßen: der Flüsse.

In einer großen Zahl von Feldzügen, welche Karl selbst geleitet hat, lassen sich diese Merkmale nachweisen: so ständig, daß wir sogar bei Feldzügen, welche seine Söhne oder seine Königsboten ausführen, falls wir auf die gleichen Feldherrn-Gedanken stoßen, vermuten dürfen, der große Held in seinem Palast zu Aachen, den man wahrlich auch schon einen »Denker von Schlachten« nennen darf, habe sie geplant. Derselbe Mann, der Muße fand, während seine Gedanken zwischen Aachen und Rom, zwischen Byzanz, Jerusalem und Bagdad, zwischen Cordoba und Ostungarn, zwischen dem Danewirke und Capua hin- und herflogen, den Gärtnern auf seinen Gehöften vorzuschreiben, welche Blumen, Gemüse und Obstarten sie pflegen sollten, – dieser Herrscher, mit Leidenschaft ein Kriegsmann, nahm sich gewiß Zeit, auch für solche Feldzüge, die er nicht in Person führte, die Pläne zu entwerfen.

Der Angriff von möglichst vielen Seiten legt, der Natur der Sache nach, oft die Notwendigkeit auf, den Feind zu umgehen, bevor der Angriff von wenigstens zwei Seiten erfolgen kann. Gleich dieser Feldzug (von 773) gegen die Langobarden wird mit einer Umgehung –, mit darauffolgender Bedrohung des Feindes in Stirn und Flanke eröffnet und, da die Bewegung gelingt, dadurch auch entschieden. Die Langobarden hatten wie in den Kriegen gegen Karls Vater die sogenannten »Clusen«, d. h. die Engpässe, welche zwischen dem Mont Cenis und dem offenen Tal von Susa liegen, besetzt und stark befestigt. Karls Vater hatte (754) dieselbe Stellung der Langobarden durch einfachen Angriff auf die Stirnseite durchbrochen. Karl aber legt schon seinen Aufmarsch auf eine Umgehung an: – nicht ein Heer, wie bisher die Franken immer getan – er richtet wider den Feind zwei Heersäulen, welche getrennt marschieren, aber in Feindesland zusammenstoßen und vereint schlagen sollen. Karl wählt zwei Angriffslinien gegen Italien: von West nach Ost und von Nord nach Süd. Er selbst führt das eine Heer über den Mont Cenis von West nach Ost, während er das zweite unter seinem Oheim Bernhard über den großen St. Bernhard schickt von Nord nach Süd. Während Karl den Feind in der Stirnseite festhielt, sollte offenbar Bernhard ihn umgehen, ihn in seiner...