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Emotionsfokussierte Therapie - Ein Praxismanual

Lars Auszra, Imke Herrmann, Leslie S. Greenberg

 

Verlag Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2016

ISBN 9783840924255 , 360 Seiten

Format PDF, ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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32,99 EUR


 

2 Theorie therapeutischer Veränderung

Ohne Emotionen kann man Dunkelheit nicht in Licht und Apathie nicht in Bewegung verwandeln.
Carl Gustav Jung

Die Menschen neigen immer mehr dazu, über ihre Gefühle nachzudenken, anstatt zu fühlen.
Erich Fromm

In diesem Kapitel beschreiben wir die emotionsfokussierte Theorie therapeutischer Veränderung, die auf den klassischen Theorien der erlebensorientierten, humanistischen Therapietraditionen, insbesondere der Personzentrierten Therapie (Rogers, 1957, 2009), der Gestalttherapie (Perls, 2006; Perls, Hefferline & Goodman, 2015) und der Erlebensorientierten Therapie (Gendlin, 1962) basiert. Durch die Berücksichtigung von Befunden aus der psychologischen Emotionstheorie (z.?B. Frijda, 1986), den affektiven Neurowissenschaften (Damasio, 1995, 2002), der Psychotherapieprozessforschung zur Rolle von Emotionen im therapeutischen Veränderungsprozess (Greenberg & Pascual-Leone, 2006; Whelton & Greenberg, 2004) sowie der Theorie des dialektischen Konstruktivismus (Greenberg & Pascual-Leone, 1995, 2001) wurde sie in eine integrative neo-humanistische erlebensorientierte Theorie (Elliott et al., 2007) weiterentwickelt. Ein zentraler Aspekt der Veränderungstheorie der EFT, der die Brücke zu den klassischen, humanistischen Therapieverfahren schlägt und sie gleichzeitig fortentwickelt, ist die Annahme, dass die von Rogers (1959, 2009) postulierte Aktualisierungstendenz auf unseren Emotionen basiert (Greenberg, 2011). Wie im vorangegangen Kapitel beschrieben, können Emotionen, je nachdem, welche Erfahrungen ein Mensch gemacht hat, sowohl eine Quelle für psychische Schwierigkeiten als auch für deren Bewältigung sein. In der EFT sind Emotionen nicht nur das Ziel therapeutischer Veränderungsbemühungen, sondern auch deren Motor und Ressource im Therapieprozess. Wie das geschehen kann und welche Prozesse dabei wirksam sind, hat die Arbeitsgruppe um Greenberg in den letzten Jahrzehnten intensiv beforscht. In diesem Kapitel beschreiben wir die Theorien, die aus dieser Forschung hervorgegangen sind: Eine klinische Emotionstheorie, eine Theorie der Entstehung psychischer Schwierigkeiten, eine Theorie der emotionalen Verarbeitung sowie eine Theorie des emotionalen Veränderungsprozesses.

2.1 Klinische Emotionstheorie

Ein wichtiger Bestandteil der Theorie des therapeutischen Veränderungsprozesses in der EFT ist die klinische Unterscheidung verschiedener Typen emotionalen Erlebens. Damit überwindet die EFT den Uniformitätsmythos emotionalen Erlebens wie er in vielen traditionellen humanistischen („Jedes emotionale Erleben in der Therapie ist gut und hilfreich“), kognitiv-verhaltenstherapeutischen Ansätzen („Schmerzhaftes emotionales Erleben bedarf der Reduktion oder der Kontrolle“) oder traditionellen psychoanalytischen Therapien („Emotionen entspringen Trieben, deren Funktion es in der Therapie zu verstehen gilt“)1, zu finden ist. Aus Sicht der EFT müssen unterschiedliche Emotionen zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich behandelt werden, je nachdem, wie sie beschaffen sind und welche Bedeutung sie für den Therapieprozess haben. In der EFT werden vier Typen emotionalen Erlebens unterschieden (Greenberg, 2006; Greenberg & Safran, 1987; Herrmann & Greenberg, 2007; Herrmann et al., 2014), wobei jeder Typus eine andere Funktion hat und eines anderen therapeutischen Umgangs bedarf. Im Einzelnen sind dies primär adaptive, primär maladaptive, sekundäre und instrumentelle Emotionen (vgl. Abbildung 3).

2.1.1 Primär adaptive Emotionen

Primäre Emotionen sind unsere erste unmittelbare Reaktion auf eine Situation (Greenberg, 2006; Greenberg & Safran, 1987; Herrmann & Greenberg, 2007), wie z.?B. Angst bei einer Bedrohung oder Ärger bei einem Angriff. Primär bezieht sich auf zwei Aspekte: Primäre Emotionen sind unsere erste und tiefste Reaktion auf ein Geschehen, gleichsam der Kern dessen, was wir fühlen. Wenn sie unseren Zielen und Bedürfnissen dienen, unser Selbst stärken und uns zu angemessenem Handeln in der Welt organisieren, nennen wir sie adaptiv. Beispiele sind Ärger über eine Grenzverletzung (z.?B. einen körperlichen Angriff oder Entwertungen), der uns ermöglicht, unsere inneren und äußeren Grenzen zu behaupten oder Traurigkeit über einen Verlust (z.?B. eines Menschen, eines Lebensziels, einer Vorstellung von uns selbst), die uns hilft, das Verlorene loszulassen und uns neu zu orientieren.