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Der Kalte Krieg - 1947-1991

Bernd Stöver

 

Verlag Verlag C.H.Beck, 2017

ISBN 9783406706127 , 528 Seiten

Format PDF, ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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15,99 EUR

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1. Der Weg in den Kalten Krieg 1917–1945


Der Ost-West-Konflikt: Im Jahrhundert der Ideologen


Zeitgenossen wie der französische Philosoph und Politiker Alexis de Tocqueville (1805–1859) sahen bereits im 19. Jahrhundert einen Konflikt zwischen den aufstrebenden Mächten USA und Russland voraus. Bezeichnenderweise glaubte Tocqueville in seiner berühmten Darstellung Über die Demokratie in Amerika (1835), dass der wichtigste Auslöser der ideologische Gegensatz sein werde: Das idealistisch verstandene demokratische Prinzip in den Vereinigten Staaten stehe dem monarchischen Prinzip unvereinbar gegenüber.[1] Tatsächlich war die berühmte außenpolitische Rede des amerikanischen Präsidenten James Monroe aus dem Jahr 1823, die dann zwanzig Jahre später völkerrechtlich zur «Monroe-Doktrin» umgedeutet wurde und auch während des Kalten Krieges eine wichtige außenpolitische Leitlinie blieb, eine politische Kampfansage der Demokratie an die «Despoten» gewesen. Monroe hatte sich allerdings vorwiegend – aber ganz im Verständnis des «permanenten Krieges», wie ihn die Französische Revolution entwickelt hatte – gegen die befürchtete Einmischung der Heiligen Allianz auf der Seite Spaniens gegen die südamerikanischen Kolonien sowie gegen Russlands Expansionsbestrebungen an der Nordwestspitze des amerikanischen Kontinents aussprechen wollen. Er postulierte dafür ein prinzipielles Interventionsverbot europäischer Mächte in diesem Raum.[2] In den Ausführungen des US-Präsidenten von 1823 wie in der späteren Monroe-Doktrin war zudem noch ein zweiter Aspekt enthalten, der den ideologisch-politischen Konflikt unterstrich und erweiterte. Monroe hatte in einer aus der Rede entfernten Passage der griechischen Befreiungsbewegung, die damals gegen das Osmanische Reich kämpfte, die ideologische Unterstützung der USA zugesichert. 1830 erfolgte eine solche Erklärung auch für die polnische Freiheitsbewegung. In der ungarischen Revolution 1848/49 waren die Vereinigten Staaten sogar die einzige Nation, die die Unabhängigkeitserklärung der neuen Regierung unter Lajos Kossuth diplomatisch anerkannte. In der Praxis blieben solche Erklärungen allerdings im 19. Jahrhundert weitgehend ohne Folgen. Washington war weder politisch noch militärisch in der Lage, diesen Versprechen wirklich Taten folgen zu lassen. Dennoch waren es diese Traditionen, die vor allem in den Anfangsjahren des Kalten Krieges als Begründung herangezogen wurden, wenn es um Konzepte ging, die «Versklavten Nationen» in Osteuropa von der sowjetischen Herrschaft zu lösen.[3]

Der ideologische Gegensatz zwischen Russland und den USA verschärfte sich im 19. Jahrhundert noch einmal erkennbar in den 1880er Jahren, als nach der Ermordung von Zar Alexander II. die Unterdrückung revolutionärer Bewegungen in Russland zunahm. Besonders intensiv zeigte sich der ideologische Gegensatz jedoch nach der Russischen Oktoberrevolution 1917. Der Westen versagte den Bolschewiki jede Anerkennung. Die «Vierzehn Punkte», das Friedensprogramm des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson im Januar 1918, waren daher nicht nur ein westliches Konzept gegen die Monarchien der Mittelmächte, sondern auch gegen die Bolschewiki und ihre «Diktatur des Proletariats».

Der ideologische Konflikt zeigte sich hier bereits in seinen Grundzügen. Der globale Anspruch beider Weltanschauungen war ebenso offensichtlich wie der Ansatz zur Blockbildung. Die Bolschewiki kannten nach der Kapitulation vor den Deutschen in Brest-Litowsk im März 1918 nur noch Gegner oder Verbündete der Revolution. An das Deutsche Reich, das 1917 durch finanzielle und logistische Unterstützung die Arbeit Lenins in Russland erst ermöglicht hatte, musste die für die Versorgung der eigenen Bevölkerung überaus wichtige Ukraine abgetreten werden. Sie wurde kurz darauf von deutschen Truppen besetzt. Auf welcher Seite die westlichen Alliierten – vor allem Frankreich, Großbritannien und die USA – standen, war spätestens dann klar, als diese im Verlauf des nun rasch eskalierenden und bis 1921 andauernden Russischen Bürgerkriegs zugunsten der antikommunistischen «weißen» Truppen eingriffen. Die treibende Kraft hinter den Interventionen war Frankreich, das 1918 hoffte, damit die Ostfront gegen Deutschland reaktivieren zu können. Nach ersten kleineren Einheiten, die bereits im Frühjahr 1918 in russischen Häfen gelandet waren, wurden am 2. August des Jahres britische Marineverbände in Archangelsk und wenig später 35.000 amerikanische Soldaten im sibirischen Wladiwostok ausgeschifft. Auch japanische und tschechoslowakische Einheiten beteiligten sich an den bis 1920 fortgesetzten Interventionen. Zur selben Zeit starteten westliche Geheimdienstoperationen gegen die Bolschewiki. Vor allem britische Nachrichtendienste standen 1918 hinter einer Reihe von Attentaten und Putschversuchen. Am bekanntesten wurde das sogenannte «Lettische Komplott», bei dem der britische Geheimdienst MI 6 und das Außenministerium in London mithilfe der lettischen Wachmannschaften im August 1918 Lenin und Trotzki zu ermorden versuchten.[4]

Die Hauptwaffe gegen die Bolschewisierung Europas hatte Wilson allerdings in seiner neuen Weltordnung gesehen, in die bis zum Friedensschluss in Brest-Litowsk zunächst Lenins «Neues Russland» eingebunden werden sollte. Für den Völkerbund als wichtigste Institution der geplanten globalen, theoretisch gleichberechtigten Neuordnung fand sich allerdings selbst in den USA keine Mehrheit. Wilson und die Demokraten erlitten bei den Wahlen im November 1920 eine gravierende Niederlage, und mit ihr kippte das Konzept des «Internationalismus» (Internationality). «Wir streben keine Beteiligung daran an, die Schicksale der Welt zu lenken», verkündete sein Nachfolger Harding in seiner Antrittsrede 1921.[5] Bis weit in die Dreißigerjahre konzentrierte man sich deutlicher auf innenpolitische Probleme. In der Außenpolitik herrschte zwar eine «isolationistische» Grundposition. Gleichwohl engagierten sich die USA auch in der Zwischenkriegszeit in internationalen Sicherheitsfragen.

Während die 1922 gegründete «Union der sozialistischen Sowjetrepubliken» (UdSSR) von Deutschland, dem großen Verlierer des Ersten Weltkriegs, diplomatisch anerkannt wurde, entschieden sich die USA erst 1933 unter Franklin D. Roosevelt zur Aufnahme von offiziellen Beziehungen. Im August 1920 fasste ein von Präsident Wilson abgezeichnetes Memorandum die Gründe für die Skepsis Washingtons zusammen: «Es ist für die Regierung der Vereinigten Staaten nicht möglich, die gegenwärtigen Machthaber in Russland als eine Regierung anzuerkennen, mit der Beziehungen wie zu anderen befreundeten Regierungen fortgesetzt werden können. […] Entgegen seinem Willen ist die Regierung der Vereinigten Staaten davon überzeugt worden, dass das gegenwärtige Regime in Russland auf der Negation aller Prinzipien von Ehre und gutem Glauben aufbaut […].»[6] Die Ablehnung der Bolschewiki war auch unter den folgenden US-Regierungen Konsens und wurde auch von Wilsons Nachfolgern, den Präsidenten Harding, Coolidge und Hoover, unverändert mitgetragen. Sie folgten Wilson ebenso in seiner Auffassung, dass die Diktatur in der Sowjetunion, wie alle undemokratischen Regierungen, im Grunde genommen schwach sei, da ein tiefer Gegensatz zwischen Führung und Bevölkerung bestehe. Vom republikanischen Abgeordneten Elihu Root kam 1921 sogar die Forderung, Russland müsse aus der Gemeinschaft zivilisierter Staaten ausgeschlossen werden, wenn es nicht in der Lage sei, sich seiner undemokratischen Regierung selbst zu entledigen.[7] Im selben Jahr wurde Russland auch nicht mehr zur Abrüstungskonferenz in Washington eingeladen.

Probleme resultierten nicht nur aus den unterschiedlichen Weltanschauungen. Weitere Schwierigkeiten ergaben sich aus der von den Bolschewiki verweigerten Kredittilgung und der fehlenden Entschädigung für die Enteignung amerikanischer Firmen. Seit 1922 unterhielt Washington allerdings eine kleine Gesandtschaft in der lettischen Hauptstadt Riga, die regelmäßig über die Sowjetunion berichtete. Diese bis zur sowjetischen Annexion Lettlands 1940 erstellten Meldungen der «Rigaer Sektion» hatten bereits deutlichen Einfluss auf den späteren Kalten Krieg.[8] George Kennans Anschauungen über die Sowjetunion und den Kommunismus, die zusammen mit den Erfahrungen in seiner Moskauer Zeit ab 1933 dann Grundlage für seine 1946 vorgelegten einflussreichen Ideen zu einer «Eindämmungspolitik» gegenüber der UdSSR wurden, waren hier geprägt worden. So vermerkte er 1944 nicht nur, es sei für den Westen wichtig zu begreifen, dass die Kommunisten im Kreml ebenso expansiv seien wie die Zaren,[9] sondern riet gleichzeitig seinem Vorgesetzten, Botschafter Averell Harriman, der später zum außenpolitischen Berater Trumans berufen wurde, man solle die US-Bevölkerung schon jetzt psychologisch darauf vorbereiten, dass die UdSSR der kommende Feind der Vereinigten Staaten werde.[10] «Heimgekehrt in die komfortablen Westgrenzen des guten Zaren Alexej», hieß es auch in Kennans Memorandum vom Mai 1945, «konnte der Bolschewismus gefahrlos die russischen politischen...