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Aufruhr: Ein Virus breitet sich aus! - Kurfürstenklinik 34 - Arztroman

Nina Kayser-Darius

 

Verlag Martin Kelter Verlag, 2017

ISBN 9783740913533 , 100 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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1,99 EUR


 

»Da komme ich ja gerade rechtzeitig, um Sie zu verabschieden, Frau Mondahl«, stellte Dr. Adrian Winter fest, als er ein Zimmer auf der Chirurgischen Station der Kurfürsten-Klinik in Berlin-Charlottenburg betrat. Hier war eine aparte junge Frau gerade dabei, ihre Sachen zu packen.

Adrian Winter gehörte eigentlich nicht auf die Chirurgische, sondern er war Chef der Notaufnahme, und als solcher hatte er Valentina Mondahl vor einigen Wochen nach einem schweren Unfall zunächst behandelt. Ihr Leben hatte an einem seidenen Faden gehangen, aber die schnelle notärztliche Versorgung und die anschließende Operation hatten sie gerettet.

»Herr Dr. Winter!« sagte sie erfreut. Sie war eine schöne junge Frau mit modisch kurzen dunklen Haaren und großen grauen Augen, allerdings war sie viel zu blaß und sehr schmal. Man merkte ihr an, daß sie wochenlang im Krankenhaus gelegen hatte. Ein betrunkener Autofahrer war für den Unfall verantwortlich gewesen, bei dem Valentina Mondahl mehrere Knochenbrüche sowie innere Verletzungen davongetragen hatte.

Sie hörte auf, sorgfältig ihre Sachen in dem kleinen Koffer zu verstauen, der vor ihr auf dem Bett stand. Statt dessen richtete sie sich auf und fragte: »Haben Sie etwa meinetwegen Ihre Notaufnahme verlassen, Herr Dr. Winter?«

»Nicht ganz«, gab er zu. »Ich muß mit Herrn Dr. Braunwald etwas besprechen – und da dachte ich, ich könnte gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und mich auch noch von Ihnen verabschieden.«

Ihm entging nicht, daß sich ihr Gesicht mit einer verräterischen Röte überzog, als er den Namen des Kollegen erwähnte, der seit einiger Zeit als chirurgischer Assistenzarzt an der Kurfürsten-Klinik arbeitete.

»Er wollte auch noch vorbeikommen«, sagte sie verlegen und erklärte dann hastig: »Ich glaube, ich bin im Augenblick die Patientin, die am längsten hier auf der Station liegt. Er meinte jedenfalls, nach so vielen Wochen müßte er sich persönlich verabschieden.«

Die Operation von Valentina Mondahl war so etwas wie die Feuerprobe für Dr. Braunwald gewesen, denn er hatte sie gänzlich unvorbereitet übernehmen müssen, da an dem Abend, als die junge Frau verunglückt war, kein anderer Operateur zur Verfügung gestanden hatte. Die Operation war gut, wenn auch nicht ohne Komplikationen verlaufen.

Adrian fand den neuen Kollegen sehr sympathisch. Er war noch ein wenig schüchtern und ängstlich und befürchtete ständig, etwas zu übersehen oder falsch zu machen – aber nach Adrians Meinung war das besser als das Gegenteil. Junge Ärzte nämlich, die sich alles zutrauten und vor Selbstbewußtsein schier platzten, obwohl sie noch kaum Erfahrung hatten. Nein, ihm war etwas zu viel Vorsicht und Ängstlichkeit deutlich lieber.

Er lächelte in sich hinein. Es war ihm schon früher aufgefallen, daß Frau Mondahl sich wohl in Dr. Braunwald verliebt hatte – und ihm schien durchaus, als erwiderte der jüngere Kollege die Gefühle seiner Patientin. Aber vorsichtig, wie er war, hatte er das bestimmt zunächst noch für sich behalten und die junge Frau kaum etwas davon merken lassen. »Ich will Sie nicht länger aufhalten, Frau Mondahl«, sagte er nun und reichte ihr die Hand. »Alles Gute – und seien Sie vorsichtig. Sie kommen doch noch einmal zur Nachuntersuchung?«

Wieder errötete sie. »Ja, ich habe schon einen Termin bei Dr. Braunwald.«

»Wenn Sie nichts Besseres zu tun haben, können Sie uns ja in der Notaufnahme dann auch noch einen kurzen Besuch abstatten«, meinte er.

»Ich werde nie vergessen, was Sie für mich getan haben, Herr Dr. Winter«, sagte sie leise, während sie ihm die Hand gab. »Ohne Sie hätte mich Dr. Braunwald gar nicht mehr operieren müssen, das weiß ich.«

Es stimmte, was sie sagte. Er hatte sie wiederbeleben müssen, weil kurz nach ihrer Einlieferung in die Notaufnahme ihr Herz stehengeblieben war. Dennoch wehr­te er bescheiden ab. »Das hat nichts mit mir persönlich zu tun, Frau Mondahl. Jeder andere hätte das Gleiche getan wie ich.«

»Kann sein. Aber Sie haben mich gerettet – was jemand anders vielleicht getan hätte, interessiert mich nicht. Ich danke Ihnen dafür, ich danke Ihnen für mein Leben.«

Er drückte ihr fest die Hand, lächelte ihr noch einmal zu und verließ wortlos das Zimmer. Er beschloß, sein Gespräch mit Dr. Braunwald zu verschieben. Sollte dieser sich nur zuerst in Ruhe von Frau Mondahl verabschieden!

Wieder lächelte er in sich hinein, dann stieg er in den Fahrstuhl und fuhr nach unten, in die Notaufnahme im Erdgeschoß.

*

Ulrike Böhrer schimpfte lauthals vor sich hin. Die temperamentvolle junge Frau mit den wuscheligen blonden Haaren und den wachen blauen Augen saß hinter dem Steuer ihres Sportwagens und kam nicht vor und nicht zurück. Dabei hatte sie heute extra einen halben Tag freigenommen, um ihre Freundin Valentina, mit der sie sich eine großzügige Altbauwohnung teilte, aus der Kurfürsten-Klinik abzuholen – und jetzt vergeudete sie ihre kostbare Zeit in einem Stau! Kräftig drückte sie auf die Hupe, aber das war natürlich völlig nutzlos. Sie konnte nur warten und hoffen.

Ulrike arbeitete in einer PR-Agentur, und sie stand, wie sie es selbst ausdrückte, ständig unter Strom. Alles mußte schnell gehen, alles mußte reibungslos klappen, sonst verlor sie die Geduld. Mit ihr zusammenzuleben war nicht einfach, aber die immer sehr gelassene und ausgeglichene Valentina kam bestens mit »dem Vulkan«, wie sie Ulrike gelegentlich scherzhaft nannte, aus. Daß sie in einer so großzügigen Wohnung wohnten, lag an Ulrike, die behauptete, sie brauche viel Platz um sich herum, sonst werde sie verrückt. Sie verdiente viel Geld und konnte sich die entsprechende Miete leisten – Valentina dagegen war Sonderschullehrerin und hatte erheblich weniger Geld zur Verfügung als ihre Freundin. Doch auch in diesem Punkt hatten sie sich ohne Probleme geeinigt. Ulrike bewohnte zwei Drittel der Wohnung, Valentina nur ein Drittel – und genauso teilten sie auch die Kosten. Mit dieser Regelung waren beide vollauf zufrieden.

Ulrike streckte ihren Kopf aus dem Seitenfenster, doch auch so konnte sie nicht erkennen, woran es lag, daß der Verkehr zum Erliegen gekommen war. »So was Blödes!« schimpfte sie, doch dann schaltete sie ihre Stereoanlage ein, auf volle Lautstärke, und sofort fing sie im Takt der Musik an, ihren Oberkörper hin und her zu wiegen. Der Ärger war vergessen.

Kurz darauf ging es endlich weiter, und Ulrike erreichte die Kurfürsten-Klinik schneller als befürchtet. Zwar war sie nicht ganz pünktlich, aber fast! Außerdem, dachte sie, war Valentina wahrscheinlich ganz froh, daß sie ein wenig länger Zeit hatte, um mit diesem schüchternen Arzt zu flirten, der es in all den Wochen fertig gebracht hatte, seine verliebte Patientin auf Distanz zu halten.

Dabei, dachte Ulrike, während sie nach einem Parkplatz suchte, ist es doch sonnenklar, daß er genauso verknallt in sie ist, wie sie in ihn. Warum machen es sich die Leute nur immer so schwer? Sie könnten längst ein Paar sein, Valentina und ihr Arzt, aber wahrscheinlich hat Dr. Braunwald die Vorstellung, daß er sich ihr erst nähern darf, wenn sie nicht mehr in der Kurfürsten-Klinik liegt und er sie nicht mehr behandelt.

Sie fand die letzte Parklücke auf dem riesigen Parkplatz und schlüpfte hinein. Gleich darauf stürmte sie in ihrem üblichen Lauftempo auf den Eingang der Klinik zu. Niemand, der jemals einige Zeit mit ihr verbracht und dabei festgestellt hatte, mit welcher Eile sie ständig unterwegs war, verstand, wie diese quirlige Frau so rundlich sein konnte – aber das war sie. Und alle Versuche Ulrikes, ein wenig schlanker zu werden, waren fehlgeschlagen. Sie war und blieb rundlich, obwohl sie nicht übermäßig viel aß und ständig in Bewegung war.

»Es müssen die Gene sein«, pflegte sie in letzter Zeit resigniert zu sagen. Jedenfalls hatte sie den Kampf gegen ihre Figur endgültig aufgegeben. »Ich bleibe wie ich bin«, verkündete sie jetzt, schielte jedoch nach wie vor gelegentlich neidisch auf ihre Freundin Valentina, die essen konnte, soviel sie wollte, ohne auch nur ein Gramm zuzunehmen.

Sie stürmte durch den Eingangsbereich der Klinik und als sie sah, daß alle Aufzüge gerade unterwegs waren, nahm sie kurz entschlossen die Treppe.

*

»Meine Freundin scheint sich ein bißchen verspätet zu haben«, stellte Valentina nach einem Blick auf die Uhr fest. »Es war sehr nett, daß Sie noch einmal hergekommen sind, um sich von mir zu verabschieden, Herr Dr. Braunwald.« Sie lächelte den gutaussehenden Arzt schüchtern an, und er erwiderte dieses Lächeln.

»Das war selbstverständlich, Frau Mondahl«, sagte er. »Sie sind doch sicher froh, daß sie das Krankenhaus endlich verlassen können, oder? Sie haben ja nun mehrere Wochen hier verbringen müssen.«

Sie nickte. »Ja, ich freue mich darauf, wieder in die Schule zu gehen. Die Kinder haben mir am meisten gefehlt.«

Natürlich wußte er, daß sie Sonderschullehrerin war, sie hatten einige Male darüber gesprochen. Mehrere von Valentinas Schülerinnen und Schülern hatten ihre geliebte junge Lehrerin in der Kurfürsten-Klinik besucht, und das war auf der Station bemerkt worden.

»Das kann ich mir gut vorstellen«, sagte Martin Braunwald nachdenklich. Er wich Valentina Mondahls Blick sorgfältig aus, da er nicht sicher war, was passieren würde, wenn er sich in diesen großen grauen Augen verlor. Am liebsten hätte er die zarte junge Frau in die Arme genommen und ihr gesagt, was er für sie empfand, aber er würde sich beherrschen – so lange, bis sie nicht mehr seine Patientin war. Dann erst würde er sich frei genug fühlen, um ihr seine Gefühle zu gestehen.

»Ich muß...