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Wer nichts weiß, muss alles glauben

Werner Gruber, Heinz Oberhummer, Martin Puntigam, Science Busters

 

Verlag ecoWing, 2010

ISBN 9783711050021 , 236 Seiten

2. Auflage

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR


 

Kapitel 1: Universum

 

Ein inniges Gebet ist eine hervorragende Mordwaffe. Wenn die Umstände passen, tötet es effektiv, unauffällig und ohne Spuren zu hinterlassen. Und der Superbonus dabei: Beten ist nicht schwer, das kann jeder. Man braucht dazu keine Kraft – wie beim Erwürgen, keinen Waffenschein – wie beim Erschießen, keine technischen Kenntnisse – wie beim Bau einer Bombe. „Mein Herz ist klein, darf niemand rein, außer du, mein liebes Jesulein“, und schon muss der Notar die Hinterlassenschaft regeln.

Untersucht haben die potenzielle Gemeingefährlichkeit des Betens Forscherinnen und Forscher in den USA, unter anderem der Harvard Medical School, im Rahmen der Langzeitstudie STEP. (STEP steht für „Study of the Therapeutic Effects of Intercessory Prayer“ – Studie zum therapeutischen Einfluss fürsprechenden Betens.)

Es handelt sich dabei um die bislang ausführlichste Studie zu der Frage, ob für jemanden zu beten tatsächlich seine Heilungschancen erhöht, sie umfasste 1800 Bypass-Patienten, die operiert wurden, und dauerte fast zehn Jahre. Fragen Sie nicht, warum man so was nach 2000 Jahren Christentum noch macht, da könnte man eigentlich wissen, dass beten nicht der Schlüssel zum Glück ist angesichts der letzten zwei Jahrtausende, aber bitte. Bevor man betet, kann man von mir aus auch übers Beten forschen. Hauptsache, die Kinder nehmen keine Drogen ...

Wie wurde geprüft?

Gläubige sollten für die Bypass-Patienten beten, das Fürsprachegebet durften sie frei nach ihrer religiösen Gewohnheit gestalten. Einzige Bedingung: Im Gebet musste die Bitte um „eine erfolgreiche Operation mit einer schnellen gesundheitlichen Genesung und ohne Komplikationen“ enthalten sein. Theologisch natürlich eine Frechheit, so ein Pipifax-Kindergebet, aber man kann getrost davon ausgehen, dass die Menschen in der Regel nicht um viel mehr beten als um ihren eigenen Vorteil.

Die 1800 Probanden wurden in drei Gruppen von jeweils rund 600 Operationskandidatinnen und -kandidaten aufgeteilt: Für Gruppe eins wurde gebetet, sie wusste aber nichts davon. Für Gruppe zwei wurde nicht gebetet. Die 600 Probanden der dritten Gruppe wurden in die Gebete ihrer Kirchen-Gemeinden eingeschlossen und darüber informiert, dass für sie gebetet würde.

Das Ergebnis: In Gruppe eins und zwei traten ungefähr in gleich vielen Fällen Komplikationen auf. In Gruppe drei aber traten in deutlich mehr Fällen Komplikationen auf, und zwar um fast zehn Prozent mehr.

Warum war das so?

Es entsteht ein gewisser Stressfaktor, der die Genesung behindern kann. Der Patient mag sich denken: „Die beten für mich, also muss es mir wirklich schlecht gehen.“ Oder: „Ich muss schnell gesund werden, weil die ja alle für mich beten.“ Oder er denkt sich: „Wenn die jetzt auch noch beten für mich, dann schleich ich mich endgültig.“ Wie auch immer.

Dass Gebete wirkungslos sind, ist nicht besonders sensationell, das war zu erwarten, aber die Pointe an der Geschichte lautet: Ein nicht unbeträchtlicher finanzieller Beitrag zur Studie wurde von der Templeton Foundation bereitgestellt. John Marks Templeton war ein erfolgreicher britischer Börsenmakler, als Presbyterianer aber auch sehr gläubig. Mit seinem TempletonPreis, der weltweit höchstdotierten Auszeichnung für Einzelpersonen (1.000.000 Pfund Sterling), werden Menschen gewürdigt, die die Verbindung zwischen Wissenschaft und Religion untermauern. Als ob das wer brauchen würde. Wer glauben will, soll glauben, wozu braucht wer noch Wissenschaft, wenn er Wunder für möglich hält?

Eigentlich sollte STEP natürlich beweisen, welch positive Kraft im Gebet steckt, herausgekommen ist das Gegenteil.

Dabei handelt es sich nicht um einen Einzelfall. Millionen Dollar sind in den vergangenen Jahren in die Erforschung von Glauben und Religion investiert worden, unter anderem um zu beweisen, dass Glaube genetisch determiniert ist.

Gezeigt hat sich – wenig überraschend –, dass Glaube und Religion vor allem gesellschaftspolitische Phänomene sind: Je mehr Angst Menschen haben, je unsicherer ihr sozialer Status ist und je stärker sie an hierarchische Strukturen glauben und ihnen folgen, desto eher sind sie bereit, an einen Gott zu glauben. Wohlhabende, aufgeklärte und furchtlose Menschen haben Religion also gar nicht nötig. Oder, um es mit den Worten von Marie von Ebner-Eschenbach zu sagen: Wer nichts weiß, muss alles glauben.

 

Aber was wissen wir überhaupt?

 

Dass beten nicht hilft. Gut, aber das wird auch zukünftige Zöglingsgenerationen nicht vor dem handfesten Zugriff ihrer spirituellen Vorgesetzten schützen.

Die Fortschritte in den Naturwissenschaften in den letzten 200 Jahren waren enorm, aber was wissen wir wirklich?

Wenn wir einmal davon ausgehen, dass es keinen Gott gibt, wofür es sehr gute Gründe gibt, woher kommen wir dann? Wie sind wir entstanden und wann und warum? Und warum sollen wir das alles wissen wollen, und was nützt uns dieses Wissen, wenn wir nicht einmal wissen, dass man Investmentbankern nicht über den Weg trauen darf?

Der Reihe nach.

Setzen Sie sich jetzt bitte gut hin und halten Sie sich fest, denn was nun kommt, ist eine große Unverschämtheit: Warum etwas passiert, ist in der Physik grundsätzlich einmal egal. Komplett wurscht. Powidl. Blunzn, wie der Österreicher so sagt. Suchen Sie sich was aus. Da können Sie alle Physikerinnen und Physiker am Spieß braten und Ihnen gleichzeitig androhen, dass sie lebenslang nur noch belebtes Wasser trinken müssen, und zwar kostenpflichtig, die werden Ihnen nichts anderes sagen.

Und wer ist dran schuld?

Weiß man auch nicht. Was man aber weiß, ist, dass man Fragen nach dem „Warum“ einfach nicht immer beantworten kann, wenn man sich in Physik auskennt.

Der Erste, der das erkannt hat, war der Erste der Physiker: Galileo Galilei. Fragt man nach dem „Warum“, impliziert das, dass es jemand veranlasst hat. Also meinte Galilei, dass wir uns in der Physik darauf beschränken sollten, nach dem „Wie“ zu fragen.

„Warum fallen Körper nach unten?“ wäre ein schönes Beispiel für eine „Warum“-Frage. Die Antwort könnte lauten: „aufgrund der Schwerkraft“ oder fachlich besser formuliert: „aufgrund der Gravitation“. Die Begriffe Schwerkraft und Gravitation sind aber nur Wörter. Genauso gut könnte man antworten: „Na, weil sie immer schon nach unten gefallen sind.“

Stellen wir uns aber die Frage „Wie fallen Körper nach unten?“, können wir eine eindeutige Antwort geben:

Dabei versteht man unter s(t) die in der Zeit t zurückgelegte Strecke s, g ist die Erdbeschleunigung mit g = 9,81 m/s2. h0 entspricht der Starthöhe, und h(t) ist die Höhe zum Zeitpunkt t. Damit wissen wir, wann sich ein Körper unter Vernachlässigung des Luftwiderstandes in der Nähe der Erde befindet.

Durch Einstein hat sich dann eine Verbesserung der Formel ergeben. Aber auch Einstein konnte „nur“ die Frage nach dem „Wie“ klären und auch nicht das „Warum“.

 

Betrachten wir das allgemeine Gravitationsgesetz:

G ist die Gravitationskonstante, m1 und m2 sind die beiden Massen, die sich anziehen, und r ist der Abstand der beiden Massen. Daraus ergibt sich dann eine Anziehungskraft F.

Warum steht über dem r ein Zweier? Eine gute Frage, aber sie kann nicht beantwortet werden. Es ist das Gravitationsgesetz und es funktioniert, wenn man die Natur beschreiben will.

 

Aber Vorsicht, es gibt auch Ausnahmen. Die Frage „Warum ist der Himmel blau?“ kann in der Physik beantwortet werden. Man benötigt hierfür einige Effekte aus den Naturgesetzen und schon kann man diese Frage erklären.[3] Das kommt daher, dass diese Frage eher eine technische Frage ist. In der Technik und teilweise in der Biologie kann man die Frage nach dem „Warum“ stellen: Warum erwärmt der Mikrowellenherd Speisen? Warum ist es in der Nacht dunkel? Warum ist das Cordon bleu so beliebt? Die Antwort auf die letzte Frage ist allerdings sehr leicht: Das Cordon bleu ist deshalb so beliebt, weil der Mensch an sich gierig ist. Und wenn er Schinken, Käse und ein Wiener Schnitzel auf einmal bekommen kann, dann nimmt er das lieber als nur ein Schnitzel.

Die Frage „Warum wollen wir das alles wissen?“ ist schon wieder deutlich schwerer zu beantworten. Nicht zuletzt deshalb, weil niemand genau sagen kann, ob wir wirklich etwas wissen wollen können. Der sogenannte freie Wille ist in den letzten Jahren nämlich ganz schön ins Gerede gekommen, und Geisteswissenschaften und Naturwissenschaften stehen einander in dieser Frage als nahezu unversöhnliche Feinde gegenüber.

Wobei die Neurowissenschaft diesbezüglich relativ entspannt ist. Ihrer Meinung nach haben wir keinen freien Willen, das wird aber nicht groß diskutiert. Nach Meinung der Philosophie, vor allem im deutschsprachigen Raum, hat die Neurowissenschaft keine Ahnung, wovon sie spricht.

Von Albert Einstein gibt es folgendes Zitat: „Ich weiß...