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Politische Kommunikation in Deutschland - Zur Politikvermittlung im demokratischen System

Ulrich Sarcinelli

 

Verlag VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2009

ISBN 9783531914589 , 360 Seiten

2. Auflage

Format PDF, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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16,99 EUR


 

Parteien und Wahlen (S. 185-186)

11 Parteien und Politikvermittlung: Von der Parteien- zur Mediendemokratie?

11.1 „Parteienstaat - oder was sonst?": Einführung und Problemstellung


Unter dem Titel „Parteienstaat - oder was sonst?" (Grewe 1951) erschien bereits Anfang der fünfziger Jahre ein Aufsatz, der den Anstoß zu einer bis in die Gegenwart anhaltenden Serie von Diskussionen und Publikationen gab. Diese Debatte war und ist gekennzeichnet durch leidenschaftliche Plädoyers für die Parteien ebenso wie durch prinzipielle Infragestellungen der besonderen Rolle der Parteien in Deutschland. Die über engere Fachkreise hinausgehende Auseinandersetzung mit Parteien findet hierzulande allerdings vorwiegend im Modus von Verfallsprognosen, Untergangsszenarien, zumindest aber Legitimationskrisendiagnosen statt (vgl. z.B. Krippendorf 1962, Dittberner/Ebbighausen 1973, Scheer 1979, Wildenmann 1989, Wiesendahl 1992 und 2006, von Alemann 1996).

Dies hat dazu geführt, dass das Parteiensystem in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zu einem politischen ‘Patienten’ mit einer Art wanderndem Sterbedatum geworden ist. Keiner anderen demokratischen Institution wurden so viele vorschnelle Nachrufe gewidmet wie den Parteien und ganz besonders den Volksparteien. Gemessen am anhaltenden ‚nekrologischen’ Interesse in Wissenschaft und Publizistik müssen Parteien in Deutschland eigentlich als eine Art „anachronistische( s) Wunder" (Dürr 1999: 205) und als politische Überlebenskünstler erscheinen. Es überrascht deshalb nicht, dass es immer wieder wissenschaftlichen Verdruss über die anhaltende Verdrossenheitsdebatte gibt (vgl. Lösche 1996).

Auch angesichts neuer Herausforderungen in der modernen Mediengesellschaft dürfte deshalb die Rede vom „Ende der Parteien" eher der Steigerung publizistischer Aufmerksamkeit geschuldet sein als einer nüchternen Beschreibung der politischen Wirklichkeit entsprechen. Häufig tot gesagt, erweist sich das deutsche Parteiensystem trotz nicht zu übersehender Schwierigkeiten und Schwächen als robust und erstaunlich wandlungs- und anpassungsfähig. Daran ändert auch nichts der anhaltende, vor allem CDU und SPD betreffende und flächendeckende Mitgliederschwund (vgl. Niedermayer 2007: 370-375), der immer wieder als Krisensymptom genannt, in langfristiger Perspektive aber durchaus auch als Normalisierungsprozess bewertet werden kann. So hat es in der Nachkriegsgeschichte der Parteien Phasen der Konzentration ebenso gegeben wie Phasen des Entstehens neuer Parteien, die dann das Parteienspektrum erweitert haben.

Diesen Anpassungsprozess mag man als „Abstieg" (Wiesendahl 1992), als demokratischen Verfallsprozess oder als „Wechseljahre" (von Alemann 1996) bezeichnen. Von anderen Prämissen ausgehend kommt der Beobachter – zumal mit vergleichendem Blick und von außen betrachtend und historisch vergleichend – zu einer weit weniger pessimistischen Einschätzung des deutschen Parteiensystems. Es habe, so derDeutschlandkenner Gordon Smith, in nahezu jeder Hinsicht „eine eindrucksvolle Bilanz vorzuweisen. Über die Jahre hat es sich als eines der stabilsten in Westeuropa erwiesen" (Smith 1996: 221). Schließlich zeigt ein Blick über die Grenzen gerade auch in Transformationsländer, dass Parteien nach wie vor und auf nicht absehbare Zeit als die zentralen Vermittlungsinstanzen und Kommunikationsagenturen zwischen Bürger und Staat gebraucht werden (vgl. Klingemann 2000).

War in Deutschland lange Zeit – nicht zuletzt mit bundespräsidialem Segen (von Weizsäcker) – die Kritik an der Überdehnung des Parteienstaates und an der Uminterpretation des grundgesetzlichen Mitwirkungs- in einen politischen Allzuständigkeitsanspruch bestimmend, so scheint inzwischen eine andere Sorge vorherrschend. Bezweifelt wird, dass die Parteien ihr eigentliches politisches Privileg, die Vermittlung zwischen gesellschaftlicher Vielfalt und staatlicher Einheit, die Transformation von „Volkswillensbildung" in „Staatswillensbildung" (Grimm 1991: 265) zu organisieren, nicht mehr hinreichend gewährleisten könnten. Bei der Frage, ob Parteien noch zum Management zunehmender Komplexität und zur Legitimation des Entscheidungsnotwendigen in der Lage sind, kommt vor allem die „defizitäre(n) Kommunikation zwischen Parteien und Bürgern" (Stöss 2001: 35) in den Blick.