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Zwischen zwei Welten? - Eine organisationssoziologische Analyse der (Re-)Konstruktion kommunaler Selbstbeschreibungen

Heike Scheidemann

 

Verlag VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2009

ISBN 9783531914213 , 284 Seiten

Format PDF, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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39,99 EUR


 

5 Die Identität von Organisationen (S. 89-90)

Nachdem im vorherigen Kapitel ein Modell des Aufgreifens von Organisationsmodellen durch Organisationen entwickelt wurde, werden im Folgenden organisationale Identitäten in den Mittelpunkt gestellt. Denn zum Ersten wurde deutlich, dass im Aufgreifen von Organisationsmodellen durch Organisationen nicht nur das Organisationsmodell verändert wird, sondern auch die Organisation. Ein solcher Wandel kann nicht nur die Strukturen der Organisation betreffen, sondern auch deren Identität.

Zum Zweiten sind organisationale Identitäten für das Forschungsvorhaben, das Aufgreifen des ‚Neuen Steuerungsmodells’ durch Organisationen der Kommunalverwaltung zu untersuchen, relevant, da die KGSt diesen eine bestimmte organisationale Identität – ein Selbstverständnis als ‚Behörde’ – zuschreibt und ihnen zugleich einen Identitätswandel – hin zu einer „Kommunalverwaltung, die sich als Dienstleistungsunternehmen versteht" (KGSt 1993b: 14) – nahe legt.

Vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Unterscheidung von ‚Verwaltung’ und ‚Wirtschaft’, ‚Behörden’ und ‚Unternehmen’ ist eine organisationale Identität als ‚Behörde’ durchaus plausibel, doch wie können Kommunalverwaltungsorganisationen zu einer solchen Identität kommen? Und wie können sie ein solches Selbstverständnis verändern und dies in die Richtung, die das ‚Neue Steuerungsmodell’ empfiehlt? Auf diese und ähnliche Fragen gibt die Organisationsforschung einige Hinweise.

5.1 Organisationale Identitäten als reflexives Selbstkonzept der Organisation

In der Organisationsforschung werden organisationale Identitäten als soziale Konstruktionen verstanden, als reflexives Selbstkonzept und zentraler Referenzpunkt der Organisation, an dem diese sich orientiert. Die Frage, wie Organisationen zu einem solchen Selbstkonzept kommen, wird von der Organisationsforschung unterschiedlich beantwortet. Von zentraler Bedeutung ist der zugrunde gelegte Organisationsbegriff52. Da in der vorliegenden Arbeit ein systemtheoreti scher Organisationsbegriff Ausgangspunkt ist, wird die Systemtheorie auch hier als Basis genommen und durch andere theoretische Konzepte ergänzt.

Zudem werden die Schnittstellen zwischen verschiedenen Identitätskonzepten herausgearbeitet, und zwar im Hinblick auf das Identitätskonzept, die Konstruktion organisationaler Identitäten, deren Wandel und schließlich deren Bedeutung als reflexives Selbstkonzept der Organisation im Aufgreifen von Organisationsmodellen. In Luhmanns Organisationstheorie kommt organisationalen Identitäten bzw. den Selbstbeschreibungen von Organisationen, um den von Luhmann bevorzugten Begriff zu verwenden, besondere Bedeutung zu. Denn wie bereits dargestellt (vgl. Kap. 4.2), bestehen Organisationen in systemtheoretischer Perspektive aus Kommunikationen, speziell aus der Kommunikation von Entscheidungen, d.h. aus Elementen, die zerfallen und durch das Anschließen weiterer Kommunikationen (von Entscheidungen) ersetzt werden müssen, um den Bestand der Organisation zu sichern.

Zudem wird ein Großteil der Systemstrukturen, die entscheidbaren Entscheidungsprämissen, von der Systemtheorie als durch Entscheidung änderbar betrachtet. Was macht bei dieser Diskontinuität die Organisation aus? Wie Luhmann (2000b: 417ff.) erörtert, sind Organisationen viel zu komplex, um sich in ihrer Gesamtheit zu erfassen. Die Organisation bliebe letztlich für sich selbst intransparent. Doch über ihre jeweilige Selbstbeschreibung könnten Organisationen sich selbst wiedererkennen, sich vergewissern, dass sie ‚dieselbe’ Organisation seien, und damit sowohl Kontinuität als auch Konsistenz herstellen. Auch wenn Selbstbeschreibungen bei Luhmann (vgl. 1990: 310ff., 2000b: 431) eine hohe Bedeutung zukommt, sind diese nicht immer schon vorhanden und beispielsweise in den Eigenschaften der Organisation angelegt. Die Identität des Systems werde vielmehr von diesem selbst konstruiert. Wesentlich für diesen Prozess sei, dass das System sich immer wieder selbst identifiziere, und zwar an dem, was es bereits als ‚Selbst’ erkannt habe, wie Luhmann (1990: 311) darstellt. Dies könnten soziale Systeme, indem sie sich selbst beobachteten.