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Das Weltsystem des Erdöls - Entstehungszusammenhang - Funktionsweise - Wandlungstendenzen

Lutz Zündorf

 

Verlag VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2009

ISBN 9783531912172 , 310 Seiten

Format PDF, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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24,27 EUR


 

4 Gegenmacht aus der Peripherie (S. 175-176)

Im vorigen Kapitel haben wir mit dem Begriff der Inkorporation den im Prinzip interaktiven Prozess der Eingliederung externer Regionen in die Weltwirtschaft aus der Perspektive der Zentrumsländer betrachtet. Ausgangspunkte waren die asymmetrische Grundstruktur des Weltsystems und die polit-ökonomischen Interessen der Zentrumsländer, die die Auswahl der Regionen und die Methoden ihrer Einbindung in die arbeitsteilige Weltwirtschaft weitgehend bestimmt haben.

Dabei zeigte sich, dass die strukturelle Asymmetrie zwischen Zentrum und Peripherie keine konstante Größe ist, sondern im Verlauf der Inkorporationsprozesse in den verschiedenen Ländern stark variierte. Konstellationen, in denen die Konzerne und Regierungen der Zentrumsländer beinahe allmächtig erschienen und die Eliten der peripheren Gastländer offenbar beliebig manipulieren konnten, wechselten mit Situationen, in denen inländische Machthaber ausländische Konzerne unter erheblichen Druck setzten und zu signifikanten Verhaltensänderungen bewegen konnten. Inkorporation ist eben nicht nur ein Verhandlungsprozess, sondern auch ein Machtkampf, der in unterschiedlichen Formen und Intensitäten ausgetragen wird und in dem sich die Machtbalancen diskontinuierlich verändern.

In diesem Kapitel wechseln wir die Perspektive und fragen nach der Wahrnehmung und Wertung der Inkorporationsprozesse durch Akteure der Peripherie und nach den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln und Methoden, um sich der Übermacht der ausländischen Wirtschaftsinteressen zu widersetzen und Gegenmacht zu mobilisieren. Leitbegriff der folgenden Analysen ist das Konzept der countervailing power, mit dem Macht als eine interaktive und dialektische Beziehung begriffen wird. Galbraith zufolge kommt es nicht nur darauf an, „zu erläutern, wie Macht ausgeübt und erweitert wird.

Es kommt auch darauf an, zu verstehen, wie man sich ihr widersetzt. Der Widerstand ist nämlich ein ebenso integraler Bestandteil des Phänomens Macht wie die Machtausübung an sich. Wäre es anders, so könnte die Macht ad infinitum ausgeweitet werden, und alles wäre dem Willen jener unterworfen, die sich ihrer am besten zu bedienen vermögen … Wir können es als gegeben hinnehmen, dass nahezu jede Manifestation der Macht eine gegenläufige, wenngleich nicht unbedingt gleich starke Macht hervorruft … Zwischen der Methodik der Machterweiterung und der des Widerstands lässt sich … eine weitreichende Symmetrie erkennen. Sie betrifft sowohl die Quellen der Macht als auch die Instrumente ihre Durchsetzung. Macht, die auf Persönlichkeit beruht, trifft gemeinhin auf den Widerstand einer anderen Persönlichkeit. Entspringt die Macht einer Organisation, so tritt ihr die Opposition zumeist in Form einer anderen Organisation entgegen" (Galbraith 1987: 86, 88f.).

Die Vorstellung, dass Machtausübung nicht nur auf Widerstand stößt, sondern darüber hinaus auch Gegenmacht erzeugt, ist mit der Weltsystemperspektive grundsätzlich vereinbar. Akteure aus den Zentrumsländern müssen immer mit Widerspruch und Gegenwehr von Akteuren aus der Peripherie gegen angemaßte Herrschaftsansprüche und ungerechte Austauschbeziehungen rechnen – von vereinzeltem Widerstand bis zu revolutionären Massenerhebungen. Allerdings wird unterstellt, dass sich die Zentrumsländer aufgrund ihrer überlegenen wirtschaftlichen, politischen und militärischen Macht letztlich immer durchsetzen und die ursprünglichen Verhältnisse wiederherstellen. Sollte es unter bestimmten Bedingungen einmal zur Einebnung oder gar Umkehrung der asymmetrischen Austausch- und Machtbeziehungen zugunsten der Peripherieländer kommen, dann kann es sich dabei nur um ein vorübergehend-konjunkturelles, keinesfalls aber um ein dauerhaft- strukturelles Phänomen handeln.