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Trügerisches Neapel - Ein Fall für Commissario De Santis (2)

Fabio Paretta

 

Verlag Penguin Verlag, 2018

ISBN 9783641201210 , 384 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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7,99 EUR


 

3

De Santis und die Staatsanwältin sprangen in den alten Alfa 147, und er jagte die Serpentinen hinauf, links das verlassene Industrierevier von Bagnoli, rechts die von üppiger Vegetation überzogenen Felsen. Chiaia lag zwar nur wenige Kilometer Luftlinie entfernt, aber vorher mussten sie durch die engen Straßen auf dem Kap, durch ein Konglomerat aus Restaurants, Bars und kleinen Läden, aus Art-déco-Villen und luxuriösen Wohnanlagen. Immer wieder öffnete sich das Panorama des Golfs unter ihnen, auf dem das Abendrot seine letzte Glut ausgoss.

Die Autos schlängelten sich durch die Via Posillipo, De Santis schlängelte sich durch die Autos und drückte dabei auf die Hupe. Sein Handy rutschte auf dem Armaturenbrett hin und her und wartete auf Bombas Anruf, der nicht kam.

»EE 214«, sagte Elvira Barbarossa, die schweigend auf den Verkehr gestarrt und sich jedes Kommentars über De Santis’ Fahrstil enthalten hatte.

Der Kommissar sah aus dem Augenwinkel einen Motorroller, der in der Gegenrichtung an einer roten Ampel stand. Zwei Passagiere mit Integralhelmen. Sie hatten bullige Oberkörper, wirkten nicht besonders groß, aber gut trainiert.

»Die Kleidung passt nicht«, sagte die Staatsanwältin. »Bunte Windjacken.«

»Die können sie zur Tarnung über die Kapuzenpullis gezogen haben«, erwiderte De Santis und bremste. Der Fahrer hinter ihm gestikulierte und fluchte.

»Wenn sie auf der Flucht sind, werden sie kaum bei Rot anhalten«, erwiderte Elvira.

»Vielleicht gerade deshalb. Um nicht aufzufallen. Eine Personenkontrolle ist das Mindeste.«

Der Kommissar blendete auf, setzte den Blinker und nutzte eine Lücke im Gegenverkehr. In drei Zügen hatte er gewendet, wobei er wieder wütendes Hupen, Gesten und Flüche provozierte. Der Scooter stand an der Spitze einer Kolonne, die vor einer Baustelle wartete. De Santis schob sich an der Schlange vorbei, zückte seinen Dienstausweis und öffnete das Handschuhfach, in dem das Holster mit der Beretta lag.

»Ducken Sie sich. Wenn wir die Richtigen erwischt haben, sind sie bewaffnet«, sagte er.

»Lag Ihre Pistole etwa in dem unbewachten Auto?«, fragte Elvira.

Er hatte sie vergessen, wenn er ehrlich war. Zum Glück, wie sich jetzt herausstellte. De Santis lehnte sich quer über seine Beifahrerin, presste den Ausweis an die Seitenscheibe und hielt den Lauf der Waffe daneben.

Die beiden Helme drehten sich kurz nach links. Die Visiere waren geschlossen, die Gesichter nicht zu erkennen. Der Fahrer gab Gas. De Santis ebenfalls.

»Schnell, rufen Sie die Zentrale an, die sollen ein paar Wagen zusammenziehen«, sagte er zu Elvira.

Der Motorroller fädelte sich geschmeidig durch die Baustelle, der Alfa war dafür zu breit. De Santis musste nach links über den Gehsteig ausweichen und die Fußgänger verscheuchen. Am Ende der Baustelle lenkte er auf die Fahrbahn zurück – und hatte den Scooter direkt vor sich.

Posillipo war keine gute Ecke, um sich zu verdrücken, denn auf dem Kap gab es nur wenige Straßen, und die meisten endeten im Meer oder in Sackgassen. Aber die beiden schienen sich gut auszukennen, kein Zögern, keine Diskussion. De Santis kam nicht näher. Wenn er Pech hatte, steuerten sie ein Schlupfloch an, durch das der Scooter gerade so hindurchpasste. Dass Motorroller in Neapel so beliebt waren, hatte viele Gründe. Manche davon waren kriminell.

»Wir brauchen eine Straßensperre auf der Westseite. Wenn sie dort die Serpentinen hinunterfahren, sitzen sie in der Falle.«

Abrupt bog der Roller rechts ab in eine enge Gasse. Wieder war De Santis verwirrt. Dort ging es ins Hinterland, sofern man eine der wenigen Verbindungen fand. Stammten die Räuber etwa aus einem Vorortbezirk und wollten zurück in ihre Basis?

Der Alfa brach mit dem Heck aus, und als der Kühler in die Gasse rutschte, kratzte das Blech an einer Hauswand entlang. Der Sozius blickte sich um und schrie dem Fahrer etwas ins Ohr. Der Scooter kämpfte sich durch das Gewirr immer enger werdender Gassen – zu eng für ein Auto.

»Sie entwischen uns«, sagte De Santis.

Da schoss ein Motorrad um die Ecke. De Santis blendete auf, blockierte die Straße mit der Fahrertür und schrie: »Da müssten Kabelbinder im Handschuhfach sein. Geben Sie her.«

»Sind Sie jederzeit auf Festnahmen eingestellt?«

»Nein, die Nummernschildhalterung ist kaputt.« Er steckte die Plastikstreifen ein, stieg aus und hielt dem Motorradfahrer seinen Ausweis unter die Nase. »Ich brauche Ihre Maschine.«

»Die gehört mir gar nicht …«

De Santis schob den Mann weg und schwang sich in den Sattel. »Die Formalitäten erledigt meine Kollegin«, rief er dem Mann über die Schulter zu.

Es war lange her, dass er das letzte Mal Motorrad gefahren war. Jetzt saß er auf einer alten Kawasaki 750 mit Rennlenker und kurzem Gasweg. Er musste nur ein bisschen drehen, und schon jaulte der Motor im hohen Drehzahlbereich. Mehrmals tippte De Santis mit der Fußspitze auf den Schalthebel, bis er im ersten Gang war, dann gab er Gas und ließ die Kupplung kommen. Früher als erwartet, schoss die Maschine los, das Vorderrad hob sich, und er wäre fast abgeworfen worden wie von einem buckelnden Hengst. Der Scooter war längst verschwunden. De Santis fuhr noch einmal an, langsamer diesmal, schaltete hoch, zweiter, dritter Gang. Allmählich bekam er ein Gefühl für die Kawasaki, auch wenn er mit dem Bauch auf dem Tank lag und den Kopf recken musste, um die feine Staubwolke zu verfolgen, die hinter einer Mauer aufstieg. Sie mussten durch einen Torbogen in einen Park geflüchtet sein. Er folgte, steuerte auf einen Kiesweg, geriet ins Schlingern und fing die Maschine ab, indem er das Gas aufdrehte. Er flog nun zwischen Büschen und Beeten hindurch, holte den Scooter mehr und mehr ein. EE 21 473. Zwei kräftige Kerle in zerlöcherten Jeans und Windjacken.

Der Sozius drehte sich um und brüllte dem Fahrer etwas ins Ohr. Vorsicht, dachte De Santis, womöglich lockten die beiden ihn in einen Hinterhalt. Er ließ das Motorrad in eine Oleanderhecke rollen und beobachtete den Park. Eine weitläufige, hügelige Rasenfläche, die von alten Pinien und Libanonzedern beschattet wurde. Dazwischen gepflegte Blumenrabatten, ein Springbrunnen, niedrige Hecken. Ein paar ältere Herrschaften saßen auf Bänken, eine junge Frau schob einen Buggy vorbei und sah sich erschrocken um. Zwei Kinder schaukelten nebeneinander und warfen sich am höchsten Punkt, wenn die Kette erschlaffte, ein kreischendes Lachen zu.

Der Scooter raste an der Außenmauer entlang und verließ den Park durch ein schmiedeeisernes Tor, der Sozius sprang ab und zog die Flügel zu. Kein besonders origineller Trick, aber ehe De Santis das Tor wieder geöffnet und die Kawasaki auf die Straße geschoben hatte, waren die beiden verschwunden. Er hatte die Orientierung verloren, kein Handy dabei und konnte weder eine Karte konsultieren noch Elvira anrufen. Wahrscheinlich kannte der Fahrer einen Schleichweg hinunter nach Fuorigrotta und weiter nach Soccavo. Mist!

Ich bin bald fünfzig, dachte De Santis, zu alt für solche Aktionen. Ein Wunder, dass ich mir mit dem Bock nicht das Genick gebrochen habe. Aber er war ein schlechter Verlierer, die Niederlage bohrte in ihm. Zwei Raubmörder, direkt vor seiner Nase. Und er hatte sie entkommen lassen.

Plötzlich hörte er einen Motor aufjaulen, und die beiden kamen ihm entgegen, er blendete auf und ging instinktiv in Deckung. Der Scooter wich aus, rutschte auf ein geparktes Auto zu, fing sich wieder.

Bravo, dachte De Santis, der Fahrer kann umgehen mit dem Ding. Aber die schnellere Maschine hatte er.

Er hängte sich wieder dran und gab Gas, schaltete in den vierten, in den fünften Gang, doch immer wenn er den Hintermann fast hätte greifen können, schlug der Scooter einen Haken. Die beiden waren ein eingespieltes Team, sie narrten ihn, und in De Santis stieg die kalte Wut hoch. Sollte er das Hinterrad rammen? Lieber nicht, sie fuhren besser als er.

Wieder schlug der Scooter einen Haken. Aber diesmal war es einer zu viel, denn er führte sie in eine Sackgasse, die in eine steile Treppe überging. Langsam ließ De Santis das Motorrad ausrollen und griff nach seiner Waffe.

Unvermittelt gab der Fahrer Gas und nahm die erste Stufe, das Hinterrad rutschte hin und her und spie dabei eine Wolke verbrannten Gummis aus. Wie auf einem Springpferd hüpften die beiden, den Scooter zwischen den schlanken Schenkeln, Stufe um Stufe höher. Was waren das für Typen? Trial-Fahrer? Zirkusakrobaten? Stuntmen? De Santis war abgestiegen und rannte hinterher, die Waffe im Anschlag.

»Stehen bleiben!«, brüllte er. »Polizei!«

Die beiden arbeiteten sich ruckweise die Treppe hinauf. So geschickt sie sich auch anstellten, sie waren langsamer als der Kommissar. Er erreichte sie und warf sich auf den Sozius, der zu schreien und zu zappeln anfing, während der Scooter zur Seite kippte. Die Stimme überschlug sich, kiekste.

Verdammt, dachte der Kommissar, das ist ja ein Mädchen! »Keine Bewegung!«, brüllte er.

Die Waffe … Wo hatten sie die Waffe?

Der Fahrer setzte die Flucht zu Fuß fort, während der Kommissar die zarten Handgelenke des Mädchens umfasste. Er drehte ihr den Arm auf den Rücken, fesselte ihre Hände mit einem Kabelbinder und tastete sie ab. »Wo ist die Pistole?«, fragte er, denn er fand sie nicht. Der andere hat sie, dachte er, oder er hat sie weggeworfen. Er wollte weiter, musste aber erst das Mädchen sichern. Mit einem zweiten Kabelbinder fesselte er sie an ein Verkehrsschild.

Der Fahrer hatte...