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'Nirgends, Geliebte, wird Welt sein als innen' - Lebensbilder der Mystik im 20. Jahrhundert

Gerhard Wehr

 

Verlag Gütersloher Verlagshaus, 2011

ISBN 9783641055998 , 287 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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13,99 EUR


 

Unter westlich-östlichem Spannungsbogen (S. 164-165)

Der Anteil östlich-fernöstlicher Religiosität und Mystik hat auf die Wiederbelebung mystischer Geistigkeit in der westlichen, bislang christlich tingierten Welt seit Langem einen erheblichen Anteil. Sandten die Kirchen Europas und Amerikas Jahrhunderte lang ihre Missionare mit der Absicht der Verbreitung des Christentums hinaus, um gleichzeitig die jeweils heimischen Religionen zurückzudrängen, so kam es im Laufe der Jahrzehnte zu einer ungeahnten Gegenbewegung.

Die war nur für jene erstaunlich, die die herkömmliche Kirchlichkeit für das Maß aller Dinge hielten oder Religion mit einer Sammlung von leblos gewordenem Katechismuswissen ver wechselten. Nicht zu verkennen ist die Tatsache, dass die sogenannte Heidenmission der Kirchen und Konfessionen über einige Jahrhunderte mit dem von imperialistischen Ansprüchen verknüpften Kolonialismus verbunden war – ein Geschichtsabschnitt, der abgelaufen ist. Inzwischen hat sich der Prozess der allgemeinen Globalisierung, samt der vieldiskutierten Migrationsbewegungen, auch auf dem interreligiösen Feld ausgewirkt.

Mit anderen Worten: »Die Problematik der Pluralität der Religionen und ihrer Beziehung zueinander ist heute eine Menschheitsfrage geworden.«386 Längst gehört die Anwesenheit hinduistischer, buddhistischer oder islamischer Religionsvertreter wie selbstverständlich zum allgemeinen Erscheinungsbild in der westlichen Welt, so problematisch deren Auftreten von Fall zu Fall empfunden worden sein mochte. Dazu gehören verschiedene Schulen des Yoga.

In katholischen Klöstern und evangelischen Exerzitienhäusern (u. a. Akademien) finden Zen-Kurse statt. In Gestalt des Sufismus ist der Islam als Mystik – freilich nicht nur er – bekannt geworden. Wie die sich manifestierenden Probleme in der Öffentlichkeit gesehen werden, zeigt sich, wenn im Zentrum einer Großstadt eine Moschee gebaut werden soll und um die akzeptierbare Höhe der zu errichtenden Minarette gestritten wird, während christliche Kirchen in islamischen Ländern tabuisiert sind.

Das Zusammentreffen mit den Religionen und den darauf basierenden Philosophien sorgte für allerlei Irritationen, selbst dort, wo man im Zeichen der Ökumene sich um eine Annäherung der verschiedenen Konfessionen bemühte. Aus »kirchlicher Verantwortung« heraus betonte der erste Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen, der Holländer Willem A. Visser’t Hooft, wie sehr man christliche Einigungsbestrebungen von einem religiösen Synkretismus unterscheiden müsse.

Visser’t Hooft bezeichnete es als »die große Tragödie der letzten Jahrhunderte, dass das Christentum sich nicht richtig auf diese neue Begegnung mit der einen Welt vorbereitet hat«. Der verhältnismäßig gute Erfolg der christlichen Missionen in den letzten 150 Jahren dürfe die Kirchen nicht blind machen gegenüber der Tatsache, dass das Christentum aufs Ganze gesehen an einer Verdunkelung der universalen Elemente seiner Botschaft gelitten habe.