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Save You

Mona Kasten

 

Verlag LYX, 2018

ISBN 9783736306745 , 369 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

Derzeit können über den Shop maximal 500 Exemplare bestellt werden. Benötigen Sie mehr Exemplare, nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf.


 

2


Ruby

Ember klopft schon wieder an meine Tür.

Ich wünschte, ich hätte die Energie, sie wegzuschicken. Ich kann verstehen, dass sie sich Sorgen macht, aber ich fühle mich gerade einfach nicht in der Lage, mich zu irgendetwas aufzuraffen oder mit irgendjemandem zu sprechen. Selbst wenn dieser Jemand meine Schwester ist.

»Ruby, Lin ist am Telefon.«

Stirnrunzelnd ziehe ich die Decke von meinem Gesicht und drehe mich um. Ember steht vor meinem Bett und hält in ihrer ausgestreckten Hand ein Handy. Ich kneife die Augen zusammen. Das ist mein Handy. Und auf dem Display leuchtet mir Lins Name entgegen.

»Du hast mein Handy genommen?«, frage ich matt. Ich spüre, wie tief in mir Empörung aufkeimen will, aber das Gefühl verschwindet genau so schnell, wie es gekommen ist. In den letzten Tagen hat sich mein Körper wie ein schwarzes Loch angefühlt, das jegliche Emotionen verschlungen hat, bevor sie überhaupt die Gelegenheit hatten, bei mir anzukommen.

Nichts dringt mehr richtig zu mir durch, auf nichts habe ich Lust. Aus meinem Bett aufzustehen strengt mich jedes Mal so an, als wäre ich einen Marathon gelaufen, die Treppe nach unten bin ich seit drei Tagen nicht gegangen. Seit ich die Maxton Hall besuche, habe ich noch keinen Tag im Unterricht gefehlt, aber allein die Vorstellung, mich zu duschen, anzuziehen und sechs bis zehn Stunden unter Menschen zu sein, überfordert mich. Mal ganz abgesehen davon, dass ich es nicht ertragen könnte, James zu sehen. Wahrscheinlich würde ich bei seinem Anblick in mich zusammenfallen wie eine verwelkte Blume. Oder ich würde in Tränen ausbrechen.

»Sag ihr, ich rufe sie zurück«, murmle ich. Meine Stimme ist kratzig, weil ich in den letzten Tagen so wenig geredet habe.

Ember rührt sich nicht vom Fleck. »Du solltest aber jetzt mit ihr reden.«

»Ich möchte jetzt aber nicht mit ihr reden.« Was ich möchte, ist ein bisschen Zeit, um wieder auf die Beine zu kommen. Drei Tage sind nicht genug, um mich Lin und ihren Fragen zu stellen. Ich habe ihr am Mittwoch lediglich eine kurze Nachricht geschrieben. Sie weiß nicht, was genau zwischen mir und James in Oxford geschehen ist, und ich habe im Moment nicht die Kraft, ihr davon zu erzählen. Oder von dem, was danach passiert ist. Am liebsten würde ich die ganze letzte Woche vergessen und so tun, als wäre alles wie immer. Leider ist das nicht möglich, solange ich es nicht einmal schaffe, aus meinem Bett aufzustehen.

»Bitte, Ruby«, sagt Ember und sieht mich eindringlich an. »Ich weiß nicht, warum du so traurig bist und warum du nicht mit mir darüber sprichst, aber … Lin hat mir gerade etwas erzählt. Und ich glaube, ihr solltet wirklich reden.«

Ich starre Ember finster an, doch als ich ihren entschlossenen Gesichtsausdruck sehe, weiß ich, dass ich verloren habe. Sie wird nicht aus meinem Zimmer verschwinden, solange ich nicht mit Lin gesprochen habe. In manchen Dingen sind wir uns einfach viel zu ähnlich, und Sturheit gehört definitiv dazu.

Resigniert strecke ich meine Hand aus und nehme das Handy entgegen.

»Lin?«

»Ruby, Süße, wir müssen dringend reden.«

Ihr Tonfall verrät mir, dass sie es weiß.

Sie weiß, was James getan hat.

Sie weiß, dass er mir das Herz mit beiden Händen rausgerissen hat, nur um es auf den Boden zu werfen und darauf herumzutrampeln.

Und wenn Lin es weiß, weiß es mit Sicherheit auch der Rest der Schule.

»Ich will nicht über James reden«, krächze ich. »Ich will nie wieder über ihn reden, okay?«

Einen Moment lang ist Lin ganz still. Dann holt sie tief Luft. »Ember hat mir erzählt, dass du am Mittwochabend mit Lydia weggefahren bist.«

Ich sage nichts, sondern fummle nur mit der freien Hand am Saum meiner Decke herum.

»Hast du es da erfahren?«

Ich stoße ein tonloses Lachen aus. »Was meinst du? Dass er ein Arschloch ist?«

Lin seufzt. »Hat Lydia dir wirklich gar nichts erzählt?«

»Was sollte sie mir denn erzählt haben?«, frage ich zögerlich.

»Ruby … Hast du meine Nachricht vorhin gesehen?«

Lins Tonfall ist so vorsichtig, dass mir mit einem Mal kalt und heiß zugleich wird. Ich schlucke trocken. »Nein … Ich habe seit Mittwoch nicht mehr auf mein Handy geschaut.«

Lin atmet tief durch. »Dann weißt du es wirklich noch nicht.«

»Was weiß ich noch nicht?«

»Ruby, sitzt du?«

Ich richte mich im Bett auf.

Diese Frage stellt man niemandem, wenn nicht etwas absolut Schreckliches passiert ist. Mit einem Mal wird das Bild von James zusammen mit Elaine, zugedröhnt in diesem Pool, durch ein viel grausameres Bild ersetzt. James, der einen Unfall gebaut und sich verletzt hat. James, der im Krankenhaus liegt.

»Was ist los?«, krächze ich.

»Cordelia Beaufort ist letzten Montag gestorben.«

Ich brauche einen Moment, um zu realisieren, was Lin gerade gesagt hat.

Cordelia Beaufort ist letzten Montag gestorben.

Eine unerträgliche Stille breitet sich zwischen uns aus.

James’ Mutter ist tot. Seit Montag.

Ich erinnere mich an unsere innigen Küsse, an seine Hände, die rastlos über meinen nackten Körper gefahren sind, an das überwältigende Gefühl, als er in mir war.

Unmöglich, dass James das an diesem Abend – in dieser Nacht – schon gewusst hat. Ein so guter Schauspieler ist selbst er nicht. Nein, er und Lydia müssen es am Mittwoch selbst erst erfahren haben.

Ich höre Lin sprechen, kann mich aber nicht auf ihre Worte konzentrieren. Zu sehr bin ich in Gedanken damit beschäftigt, mich zu fragen, ob es wirklich sein kann, dass Mortimer Beaufort seinen Kindern zwei Tage lang verschwiegen hat, dass ihre Mutter gestorben ist. Und falls es so war – wie schrecklich müssen sich James und Lydia gefühlt haben, als sie am Mittwoch nach Hause gekommen sind und es erfahren haben?

Ich erinnere mich an Lydias geschwollene, rote Augen, als sie vor meiner Tür stand und gefragt hat, ob James bei mir ist. An den leeren und emotionslosen Blick, mit dem James mich angesehen hat. Und an den Moment, in dem er in den Pool gesprungen ist und all das kaputtgemacht hat, was in der Nacht davor zwischen uns entstanden ist.

Ein schmerzhaftes Pochen breitet sich in meinem Körper aus. Ich nehme das Handy vom Ohr und schalte den Lautsprecher an. Danach klicke ich mich durch meine Nachrichten. Ich öffne den Verlauf, der unter einer unbekannten Nummer angezeigt wird. Drei ungelesene Nachrichten öffnen sich:

Ruby. Es tut mir so leid. Ich kann dir alles erklären.

Bitte komm zurück zu Cyril oder sag mir, wo du bist, damit Percy dich abholen kann.

Unsere Mum ist gestorben. James dreht total durch. Ich weiß nicht, was ich machen soll.

»Lin«, flüstere ich. »Ist das wirklich wahr?«

»Ja«, flüstert Lin zurück. »Vorhin ging eine Pressemitteilung raus, und keine halbe Minute später war die Nachricht überall.«

Wieder breitet sich Stille zwischen uns aus. In meinem Kopf wirbeln Tausende Gedanken auf einmal umher. Nichts scheint mehr Sinn zu ergeben. Nichts außer diesem einen Gefühl, das mich so plötzlich und heftig überkommt, dass die nächsten Worte wie von selbst aus mir heraussprudeln: »Ich muss zu ihm.«

Zum ersten Mal sehe ich die graue Steinmauer, die das Anwesen der Beauforts umgibt. Ein riesiges Eisentor versperrt die Einfahrt, davor tummeln sich ein Dutzend Menschen mit Kameras und Mikrofonen in der Hand.

»Solche Ratten«, murmelt Lin und bringt ihren Wagen einige Meter vor ihnen zum Stehen. Augenblicklich setzen die Reporter sich in Bewegung und kommen auf uns zugelaufen.

Lin beugt sich vor und drückt auf den Knopf, der die Autotüren von innen verriegelt. »Ruf Lydia an, damit sie das Tor öffnet.«

Ich bin so dankbar, dass sie in diesem Moment an meiner Seite ist und einen klaren Kopf bewahrt. Sie hat mich, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, gefragt, ob sie mich fahren soll, und keine halbe Stunde nach unserem Telefonat vor meinem Haus gestanden. Jeder Zweifel, wie tief Lins und meine Freundschaft reicht, hat sich in diesem Augenblick in Luft aufgelöst.

Ich hole mein Handy aus der Tasche und rufe die Nummer auf, die mich in den letzten Tagen mehrere Male kontaktiert hat.

Es dauert einige Sekunden, bis Lydia abhebt.

»Hallo?« Ihre Stimme klingt genauso nasal wie am Mittwochabend, als wir zusammen zu Cyril gefahren sind.

»Ich stehe vor eurem Haus. Könntest du vielleicht das Tor aufmachen?«, frage ich und versuche gleichzeitig, mit einem Arm mein Gesicht zu verdecken. Ob das den gewünschten Effekt hat, weiß ich nicht. Die Reporter stehen mittlerweile direkt an Lins Auto und rufen uns Fragen zu, die ich nicht verstehe.

»Ruby? Was …?«

Jemand beginnt, gegen meine Fensterscheibe zu schlagen. Lin und ich zucken heftig zusammen.

»So schnell wie möglich vielleicht?«

»Warte kurz«, gibt Lydia zurück, dann legt sie auf.

Es dauert etwa eine halbe Minute, bis das Tor sich öffnet und jemand auf unser Auto zukommt. Erst als die Person nur noch wenige Meter von uns entfernt ist, erkenne ich sie.

Es ist Percy.

Der Anblick des Chauffeurs lässt mein Herz einen Schlag aussetzen. Ohne Vorwarnung überkommen mich Erinnerungen. Erinnerungen an einen Tag in London, der schön begonnen, aber schlecht geendet hat. Und an eine Nacht, in der James sich liebevoll um mich...