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Die Rivalin - Thriller

Michael Robotham

 

Verlag Goldmann, 2017

ISBN 9783641168889 , 512 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR


 

Meghan

Ein weiterer Freitag. Ich zähle sie runter, streiche sie im Kalender aus und mache Kerben in die Wand. Diese Schwangerschaft kommt mir länger vor als die anderen beiden. Beinahe scheint es, als würde mein Körper dagegen rebellieren und zu wissen verlangen, warum er nicht gefragt wurde.

Gestern Nacht dachte ich, ich hätte einen Herzinfarkt, aber es war nur Sodbrennen. Chicken Madras war ein großer Fehler. Ich habe eine ganze Flasche Gaviscon getrunken, das nach flüssiger Kreide schmeckt, und musste danach rülpsen wie ein Fernfahrer. Wenn das Baby rauskommt, sieht es wahrscheinlich aus wie Andy Warhol.

Jetzt muss ich pinkeln. Ich hätte im Café gehen sollen, aber da musste ich noch nicht. Meine Beckenbodenmuskeln leisten Schwerstarbeit, wie ich so durch den Park haste und jedes Mal fluche, wenn Lachlans Dreirad gegen meine Schienbeine stößt.

Bitte nicht pinkeln. Bitte nicht pinkeln.

Eine Turngruppe hat eine Ecke des Parks übernommen. An anderer Stelle stehen Personal Trainer neben ihren Kunden und feuern sie an, Liegestützen oder Sit-ups zu machen. Vielleicht sollte ich einen von ihnen engagieren, wenn alles vorbei ist. Jack hat angefangen, Bemerkungen über meinen Umfang zu machen. Er weiß, dass ich diesmal dicker bin, weil ich die Babypfunde nach Lachlans Geburt noch nicht wieder losgeworden war.

Man sollte mir keine Schuldgefühle machen. Schwangere Frauen sollten Schokolade essen, praktische Pyjamas tragen und Sex im Dunkeln haben dürfen. Nicht dass es davon dieser Tage allzu viel geben würde. Jack hat mich seit Wochen nicht angerührt. Ich glaube, er hat eine seltsame Aversion dagegen, mit einer Frau zu schlafen, die sein Kind in sich trägt; er sieht mich als eine Art jungfräuliche Madonnengestalt, die nicht befleckt werden darf.

»Es ist nicht, weil du fett bist«, hat er neulich abends gesagt.

»Ich bin nicht fett, ich bin schwanger.«

»Natürlich, das meinte ich auch.«

Ich habe ihn Arschloch genannt. Er hat Meghan zu mir gesagt. Das macht er, wenn wir uns streiten. Ich hasse die lange Form meines Namens. Meg mag ich, weil es mich an Muskatnuss erinnert – ein exotisches Gewürz, um das Männer und ganze Länder Kriege geführt haben.

Jack und ich führen eher Scharmützel als Schlachten. Wir sind wie Diplomaten im Kalten Krieg, die sich mit Nettigkeiten bedenken, während sie heimlich Munitionslager bilden. Wann geht Paaren der Gesprächsstoff aus, frage ich mich. Wann lässt die Leidenschaft nach? Wann werden die Unterhaltungen geistlos und öde? Wann schaffen es die iPhones auf den Abendbrottisch? Wann gehen Müttergruppen dazu über, statt über Babys zu reden, über Männer zu lästern? Wann wird es zum Liebesbeweis, einen Mann stubenrein abzurichten? Wann wird die Kluft zwischen dem Traummann jeder Frau und der Traumfrau jedes Mannes eine Reise von einem Pol zum anderen?

Oh, das ist gut. Ich sollte es für meinen Blog notieren.

Nein, geht nicht. Als wir geheiratet haben, habe ich Jack versprochen, keine von diesen Ehefrauen zu werden, die versuchen würde, ihn zu etwas zu machen, was er nicht ist. Ich habe mich in ihn verliebt, »wie gesehen« und geliefert, von der Stange, kein individueller Zuschnitt nötig. Ich bin glücklich mit meiner Entscheidung und weigere mich, Zeit damit zu verschwenden, über alternative Leben nachzudenken.

Unsere Ehe ist gar nicht so schlecht. Sie ist eine wahre Partnerschaft, eine Begegnung verwandter Geister und Seelen. Nur von Nahem sind die Risse erkennbar, wie bei einer zierlichen Vase, die nach einem Bruch wieder zusammengeklebt wurde. Offenbar fällt es niemandem auf, aber ich hätschele diese Vase in meinen Gedanken, hoffe, dass sie das Wasser noch hält, und sage mir, dass das Geholper in der Lebensmitte wie diese Rüttelschwellen ist, die uns dazu bringen, das Tempo zu drosseln und den Duft der Rosen zu riechen.

Jack und ich hatten kein weiteres Kind vorgesehen. Das ist unser »Uups«-Baby, ein Zufallsprodukt, ungeplant, aber nicht ungewollt – jedenfalls von mir nicht. Wir hatten uns für den vierzigsten Geburtstag eines Freundes ein rares freies Wochenende genommen. Meine Mutter hatte angeboten, auf Lucy und Lachlan aufzupassen. Jack und ich haben zu viel getrunken. Haben getanzt. Sind danach ins Bett gefallen. Haben am Morgen miteinander geschlafen. Jack hatte die Kondome vergessen. Wir haben es riskiert. Warum auch nicht, wenn man bedenkt, wie oft wir einen Quickie riskiert hatten, nur um mittendrin unterbrochen zu werden von »Mummy, ich hab Durst« oder »Mummy, ich kann Bunny nicht finden« oder »Mummy, ich hab ins Bett gemacht«.

Meine anderen Schwangerschaften waren sorgfältig geplant gewesen wie militärische Feldzüge, aber diese war buchstäblich ein Schuss im Dunkeln.

»Wenn es ein Mädchen wird, sollten wir sie Roulette nennen«, sagte Jack, als der Schock abgeebbt war.

»Wir nennen sie nicht Roulette.«

»Okay.«

Diese Witze folgten auf die Diskussionen und Vorwürfe, die mittlerweile aufgehört haben, aber vermutlich wieder hochkommen, wenn Jack wütend oder gestresst ist.

Er ist Sportreporter für einen Kabelsender und macht im Winter Live-Schaltungen von der Premier League und eine Zusammenfassung der Partien nach Spielschluss mit allen Toren und Schützen. Im Sommer berichtet er von diversen anderen Sportereignissen, darunter die Tour de France, aber nie Wimbledon oder die US Open. Er ist ein aufsteigender Star, das bedeutet wichtigere Spiele, mehr Zeit auf dem Bildschirm und einen größeren Bekanntheitsgrad.

Jack liebt es, wiedererkannt zu werden. Normalerweise sind es Menschen, die vage meinen, ihn schon mal irgendwo getroffen zu haben. »Sind Sie nicht irgendjemand?«, fragen sie, wenn sie unser Gespräch unterbrechen, Jack umschwärmen und mich ignorieren. Ich gucke auf ihre Hinterköpfe und möchte sagen: »Bin ich unsichtbar oder was?« Stattdessen lächele ich und lasse ihnen ihren Moment.

Hinterher entschuldigt sich Jack jedes Mal. Ich finde es gut, dass er ehrgeizig und erfolgreich ist, aber manchmal wünschte ich, dass er auch uns mehr von »Jack, dem Kumpel« zeigen würde statt uns immer die gestresste Version zu präsentieren, die spät nach Hause kommt und früh wieder losmuss.

»Vielleicht, wenn du wieder arbeiten würdest«, hat er gestern Abend gesagt, was ein weiterer wunder Punkt ist. Jack missfällt es, dass ich »keinen Job habe«. Seine Worte, nicht meine.

»Wer würde sich dann um die Kinder kümmern?«, fragte ich.

»Andere Frauen arbeiten auch.«

»Sie haben Kindermädchen oder Au-pairs.«

»Lucy ist in der Schule und Lachlan im Kindergarten.«

»Halbe Tage.«

»Und jetzt bist du wieder schwanger.«

Unsere Diskussionen konzentrieren sich immer auf das gleiche alte Terrain, und wir werfen Granaten aus unseren jeweiligen Schützengräben. »Ich habe meinen Blog«, sagte ich.

»Und wofür soll der gut sein?«

»Im letzten Monat hab ich zweihundert Pfund verdient.«

»Einhundertachtundsechzig«, erwiderte er. »Ich mache die Abrechnungen.«

»Und was ist mit all den Sachen, die ich kostenlos geschickt kriege? Kleidung. Babynahrung. Windeln. Dieser neue Kinderwagen ist ein Spitzenmodell.«

»Wir würden gar keinen Kinderwagen brauchen, wenn du nicht schon wieder schwanger wärst.«

Ich verdrehte die Augen und versuchte es mit einem anderen Ansatz. »Wenn ich wieder arbeiten würde, würde mein Gehalt komplett für Kinderbetreuungskosten draufgehen. Und im Gegensatz zu dir, Jack, stemple ich nicht ein und aus. Wann bist du zum letzten Mal aufgestanden, weil deine Kinder einen Albtraum hatten oder einen Wasserträger brauchten?«

»Du hast recht«, sagte er sarkastisch. »Das liegt daran, dass ich morgens aufstehe und arbeiten gehe, damit ich dieses wunderbare Haus und unsere zwei Wagen und die ganzen Klamotten in deinem Kleiderschrank bezahlen kann … und die Ferienkurse der Schule, das Fitnesscenter …«

Ich hätte die Klappe halten sollen.

Jack macht meinen Blog klein, aber ich habe mehr als sechstausend Follower, und im letzten Monat hat eine Elternzeitschrift Mucky Kids zu einem der fünf besten Mama-Blogs in Großbritannien erklärt. Das hätte ich Jack um die Ohren hauen sollen, aber da war er schon duschen gegangen. Als er wieder nach unten kam, trug er nichts außer seinem kurzen Bademantel, über den ich immer lachen muss. Nachdem er sich entschuldigt hatte, bot er an, meine Füße zu reiben. Ich zog eine Augenbraue hoch und fragte: »Woran willst du sie denn reiben?«

Wir begnügten uns mit einer Tasse Tee, diskutierten über die Anstellung eines Kindermädchens und arbeiteten das immer gleiche Für und Wider ab. Theoretisch finde ich die Idee großartig – mehr Zeit für mich, mehr Schlaf und mehr Energie für Sex –, aber dann stelle ich mir ein strammes polnisches Mädchen vor, das sich bückt, um die Geschirrspülmaschine einzuräumen, oder nur mit einem locker gebundenen Handtuch bekleidet aus dem Bad kommt. Bin ich paranoid? Vielleicht. Klug? Unbedingt.

Ich habe Jack bei der Olympiade in Peking kennengelernt. Ich hatte einen Job im Medienzentrum, wo ich für die Betreuung der akkreditierten Journalisten zuständig war. Jack arbeitete für Eurosport. Er war damals noch relativ neu und unerfahren, arbeitete sich gerade erst ein und beobachtete, wie alles funktionierte.

In Peking waren wir beide zu beschäftigt, um uns wirklich zu bemerken, aber nach dem Ende der Spiele lud die gastgebende Sendeanstalt zu einer Party für alle assoziierten...