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Perry Rhodan 2930: Die Sterne warten - Perry Rhodan-Zyklus 'Genesis'

Hubert Haensel

 

Verlag Perry Rhodan digital, 2017

ISBN 9783845329291 , 64 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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1,99 EUR


 

1.


 

»Ich wünsche Ihnen eine gute Reise, Mr. Quint.«

Dieser eine Satz verfolgte mich seit gut einer halben Stunde, ich wurde ihn nicht los. Es war, als hätte sich jedes Wort in meine Gedanken eingegraben wie ein unschöner Kratzer in die Vinylschicht einer Schallplatte. Und die Spitze des Tonabnehmers hing daran fest. Deshalb blieb das eigentlich Unbegreifbare gegenwärtig.

Die eigene Stimme erschien mir im Nachhinein rau und verunsichert. Dabei war ich begierig darauf gewesen, mehr über den ominösen Fremden und sein Ziel zu erfahren. Wie aus dem Nichts heraus war er im ewigen Eis nahe der Enceladus Life Research Station erschienen.

Ein Tag lag hinter uns, wie er ungewöhnlicher nicht sein konnte.

»Ich wünsche Ihnen eine gute Reise, Mr. Quint ...«

»Die wünsche ich Ihnen auch.« Seit seiner Antwort blieb der Funkempfang stumm, nur das Knistern und Knacken stärker gewordener Störungen hallte durch die Tauchgondel.

Opiter Quint – ich war mir sicher, dass ich den Namen nie zuvor gehört oder gelesen hatte. Auch nicht die Namen der beiden anderen: Ernst Ellert und Zau ...

Sie waren wieder fort – und ich zerbrach mir intensiver als zuvor den Kopf über die eigenartige Begegnung. Was wäre geschehen, hätte ich die Männer festgenommen und in Handschellen zur Erde zurückgeschickt? Warum hatte ich es nicht getan? Als hätte mich irgendetwas davon abgehalten.

Gewiss nicht Quints Statur. Für einen Wrestler war mir sein Gesicht zu ebenmäßig weich erschienen. Ein Agent? Spontan hätte ich ihn als Bürger der Union Amerikanischer Staaten eingeschätzt, vielleicht stammte er sogar von der Ostküste. Ich selbst war in Connecticut aufgewachsen, Jahrgang 1936. Quint hatte zugegeben, dass er von der Erde zum Mond gekommen war – so weit, so gut. Nur behauptete er, aus der Zukunft zu Kommen, aus einem angeblichen Jahr 1551 Neuer Galaktischer Zeitrechnung.

Wie dick aufgetragen war das eigentlich?

»Glauben oder nicht glauben, das ist hier die Frage.« Mein Stellvertreter Cupertino Dasgupta, Sohn italienischer Einwanderer in New York, hatte das Shakespeare-Zitat abgewandelt. Ich sah ihn wieder vor mir, wie er sich mit beiden Händen das rote Stoppelhaar raufte und ungläubig grinste. Sein Kopfschütteln dazu war unmissverständlich gewesen.

Mittlerweile fragte ich mich ebenfalls, welches der politischen Bündnisse falsch spielte. Die Ozeanisch-Asiatische Kooperative oder die Euro-Kaukasische Föderation? Unsere Expedition auf Enceladus war die erste bedeutende Zusammenarbeit aller drei Blöcke auf dem Sektor der bemannten Raumfahrt. Im Grunde versprach sich jede Seite nach dem Aufspüren des fremden Wracks eine enorme Ausbeute an Wissen und Macht.

Technische und wissenschaftliche Erkenntnisse und neue Waffen für uns ... Genau so und nicht anders dachten und fühlten wir Menschen. Eigentlich war mir schon vor dem ersten Flug zum Enceladus klar gewesen, dass die Mission eher in einem Desaster enden konnte als mit einem Erfolg, der allen zugutekam.

Ich rief mir in Erinnerung, dass die Schutzanzüge Quints und seiner Begleiter deutlich leistungsstärker gewesen waren als unsere Skaphander. Aber ihre Waffen: funktionsunfähige Attrappen? Vergeblich hatte ich versucht, einen der vermeintlichen Strahler zu testen. Vielleicht handelte es sich tatsächlich nur um Requisiten eines billigen Hollywoodreißers. Aus irgendeinem der Filmserie über Superintelligenzen.

Mein Zwiespalt wuchs.

Ernst Ellert war eindeutig Europäer. Deutscher, wie sein Name nahelegte. Bayerischer Abstammung, um es genau einzugrenzen. Ellert war in den Zelten der Station wortkarg geblieben. Sein Akzent hatte mich allerdings sofort an die Weltstadt München denken lassen, an Oktoberfest, Weißwürste und Sauerkraut.

Und Zau? Ihn einzuordnen, fiel mir nach wie vor schwer. Ein Freak? Den Krötengesichtigen hätte ich jedem Staat zuordnen können. Ich hätte ihn sogar als Alien akzeptiert.

Stammte Zau womöglich aus dem vor zwanzig Jahren auf Enceladus abgestürzten Objekt? Verschwörungstheorien geisterten zahlreich durch die Medien, nur hatte ich nie auf derart dummes Geschwätz Wert gelegt.

Ich kniff die Augen zusammen, hob beide Hände und massierte mir mit den Fingerspitzen die Schläfen. Vor mir schimmerten die abgeblendeten Kontrollen. Ich musterte die Balkenskalen der Bordluft. Alles in Ordnung. Der Sauerstoffgehalt lag im Normbereich.

Also keine Halluzination, kein Traum. Allzu gern hätte ich Quints Geschichte geglaubt, dass er aus der Zukunft gekommen sei, doch meine Zweifel daran wurden größer, je mehr Zeit verging.

Spekulationen sind wie ein schleichendes Gift!, sagte ich mir.

Als Expeditionsleiter und Kommandant der ELRS, der Enceladus Life Research Station, musste ich mich an das Greifbare halten: 1971 schlug ein unbekanntes Objekt im Eismantel des Enceladus ein. Acht Jahre später landete die STARDUST auf dem Mond – zum ersten Mal und unter meinem Kommando. In den Jahren danach erfolgten weitere Expeditionen, alle in Zusammenarbeit der Machtblöcke. Jeder wollte seinen Anteil an dem erwarteten Fund, die Hoffnungen waren schier astronomisch.

Und nun, im Jahr 1991, glückte endlich die erste bemannte Tauchexpedition hinab in die lichtlose Tiefe des Mondozeans. Robotsonden hatten eindeutig nachgewiesen, dass knapp zehn Kilometer unter dem ewigen Eis des Enceladus ein gigantisches stählernes Etwas lag.

Das Wrack eines Raumschiffs – was sonst?

»Sinkgeschwindigkeit konstant!«, erklang es zu meiner Linken. Der Bordtechniker Derek Holmer war mit seinen 35 Jahren der Jüngste an Bord. Er galt als Improvisationstalent, das hatte er in der Station wiederholt bewiesen.

»Höhe?«, fragte ich.

»Tausendfünfhundert Meter über Grund, Sir!«

»Details?«

Holmer warf mir einen überraschten Blick zu. »Nur ein vages Echo. Unter uns liegt ein Berg aus Stahl, das wissen wir ...«

»... und Einzelheiten werden wir erst erfahren, sobald wir nahe genug dran sind«, vollendete ich seinen Satz, den er nicht zu Ende gebracht hatte.

»Eine Stunde ... eineinhalb ...« Boris Mjotrov, russischer Physiker, Angehöriger der Euro-Kaukasischen Föderation und »Pflichtmitglied«, also Aufpasser, an Bord des Bathyskaphen, hatte die Hände im Nacken verschränkt. Sein Blick sprang durch die Tauchgondel und blieb an den Monitoren der Außenbeobachtung hängen. Ungeduldig knackte er mit den Fingern.

Noah Gould, unser schwarzhäutiger Bordingenieur, lachte verhalten. »Wir warten seit Jahren auf diesen Tag, da kommt es auf eine Stunde mehr oder weniger bestimmt nicht an. Die Scheinwerfer jetzt schon einzuschalten ...«

»Geschenkt!«, knurrte Mjotrov. »Wenn jemand weiß, dass wir mit den Batterien haushalten müssen, bin das wohl ich. Allerdings frage ich mich, wohin die drei Fremden verschwunden sind. Wir haben keinen Beweis dafür, dass sie den Mond wirklich verlassen haben.«

»Sollen wir darüber nachdenken?«, fragte Holmer provokant. »Wenn es um perfekte Inszenierungen geht, ist die Föderation immer im Vordergrund.«

»Seltsam.« Mjotrov seufzte tief. »Genau das behaupten unsere Politiker von euch im Westen. Es sind die Amerikanischen Staaten, die sich mit immer neuen Tricks hoch aufs Podest heben. Während unsere Crews in Zentralasien zwei Jahre härtestes Überlebenstraining für einen künftigen langen Raumflug absolvierten, haben eure Fachkräfte Fakelegenden produziert. Oder ist es wahr, dass ihr mit ferngesteuerten Raketen einen Felsbrocken innerhalb der Mondbahn eingefangen und geborgen habt?«

»Und wenn es so wäre, Freund Boris?«, fragte ich nachdenklich.

Ich mochte den untersetzten glatzköpfigen Russen mit dem schmalen Kinnbart. Im Flüsterton hatte er mir vor einigen Monaten versichert, dass ihm politische Zwänge sonst wo vorbeigingen, und ich glaubte ihm.

»Die Zeit der Entscheidungen rückt näher.« Boris Mjotrov wippte leicht mit seinem Sessel und musterte mich eindringlich. »Sie fragen sich, wer dieser Opiter Quint sein mag, Perry«, stellte er fest. »Damit sind wir schon zwei, die sich ernsthaft Gedanken machen.«

Ich nickte knapp.

Das war einer der Momente, in denen die längst vernarbte Schusswunde an meiner Seite schmerzte, als wollte sie wieder aufbrechen.

Ich blickte auf die Monitorschirme der Außenoptiken.

Schwärze. Der Ozean des Mondes mutete an wie ein Weltraum ohne Sterne. Musste so auch ein Raumfahrer empfinden, der den Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs überwunden hatte und für den es kein Zurück gab?

»Es ist nicht ganz ungefährlich an Bord des Wracks«, glaubte ich wieder Quints Stimme zu hören. »Seien Sie vorsichtig.«

 

*

 

Seit wenigen Sekunden waren die Außenmikrofone eingeschaltet.

Eine irritierende Geräuschkulisse hallte aus den Lautsprechern. Keiner von uns hatte mehr zu hören erwartet als das monotone Gurgeln und Plätschern des von der sinkenden Tauchgondel verdrängten Wassers, das sah ich meinen Begleitern an.

»Keine Ahnung, was diesen Lärm erzeugt.« Derek Holmer wandte sich kurz mir zu. »Die Akustiksensoren wurden möglicherweise beschädigt. Wenn Sie einverstanden sind, Sir, trenne ich die Funktion.«

»Njet!«, intervenierte Boris Mjotrov. »Das ist voreiliges Handeln. –Sie sind der Kommandant, Perry«, schränkte er umgehend ein, als er meinen forschenden Blick bemerkte. »Aber was wir da hören, ist für mich nicht nur ›Lärm‹. – Mr. Holmer, sind Sie in der Lage, das Chaos zu...