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The Fourth Monkey - Geboren, um zu töten - Thriller

J.D. Barker

 

Verlag Blanvalet, 2017

ISBN 9783641206994 , 576 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR


 

2

Porter

Tag 1, 6.45 Uhr

Über die Lake Park Avenue machte er ein bisschen Zeit gut und kam gegen Viertel vor sieben an. Auf Höhe der Fünfundfünfzigsten war die Woodlawn schon von der Chicago Metro gesperrt worden. Die Lichter konnte er bereits mehrere Blocks entfernt sehen. Bestimmt ein Dutzend Einheiten. Ein Notarzt, zwei Löschfahrzeuge. Sicher zwanzig Kollegen, womöglich sogar mehr. Und die Presse.

Als er sich in seinem fast neuen Dodge Charger dem Durcheinander näherte, ging er vom Gas und hielt seine Marke aus dem Fenster. Ein junger Officer, noch ziemlich grün hinter den Ohren, duckte sich unter dem gelben Absperrband hindurch und eilte auf ihn zu. »Detective Porter? Nash meinte, ich solle auf Sie warten. Stellen Sie den Wagen einfach irgendwo ab, wir haben den ganzen Block gesperrt.«

Porter nickte, parkte neben einem der Feuerwehrfahrzeuge und stieg aus. »Wo ist er?«

Der Junge hielt ihm einen Becher Kaffee hin. »Da drüben, bei dem Krankenwagen.«

Nash war in ein Gespräch mit Tom Eisley aus der Rechtsmedizin vertieft. Mit seinen gut eins neunzig überragte er den viel kleineren Mann deutlich. In den vergangenen Wochen, seit Porter ihn zuletzt gesehen hatte, schien Nash ein bisschen zugelegt zu haben; die klassische Cop-Wampe hatte sich gut erkennbar über seinen Gürtel geschoben.

Nash winkte ihn zu sich.

Eisley nickte ihm knapp zu und schob sich die Brille ein Stück die Nase hoch. »Wie geht es Ihnen, Sam?« Er hielt ein Klemmbrett mit mindestens fünfhundert Blatt Papier in den Händen. Porter kannte ihn gar nicht anders als mit einem Klemmbrett in der Hand, obwohl sie sich im Zeitalter der Tablets und Smartphones befanden. Nervös blätterte er durch seine Unterlagen.

»Er hat’s ziemlich sicher satt, dass ständig Leute fragen, wie’s ihm geht, wie er klarkommt und wie man sich sonst noch nach seinem Befinden erkundigt«, knurrte Nash.

»Schon okay, mir geht es gut.« Porter lächelte gezwungen. »Danke der Nachfrage, Tom.«

»Wenn ich was für Sie tun kann, sagen Sie Bescheid.« Dann warf er Nash einen finsteren Blick zu.

»Das weiß ich zu schätzen.« Porter wandte sich wieder an Nash. »Also ein Unfall.«

Nash nickte zu einem Stadtbus hinüber, der vielleicht fünfzehn Meter entfernt am Straßenrand stand. »Mensch gegen Maschine. Komm.«

Mit Eisley, der mit seinem Klemmbrett ein paar Schritte hinter ihnen herging, liefen sie in Richtung Bus.

Ein Kollege von der Spurensicherung machte gerade Fotos von der Front des Fahrzeugs. Verbeulter Kühler. Lackschäden direkt über dem rechten Scheinwerfer. Ein zweiter Kollege zupfte irgendetwas aus dem Profil des rechten Vorderreifens.

Dann entdeckte er den schwarzen Leichensack inmitten eines Meers aus Uniformen, das sich vor einer wachsenden Meute Gaffer erstreckte.

»Der Bus hatte ordentlich Tempo. Die nächste Haltestelle ist erst eine Meile die Straße runter«, erklärte Nash.

»Ich war nicht zu schnell, verdammt noch mal, checken Sie den Fahrtenschreiber! Hören Sie auf mit solchen Unterstellungen!«

Der Mann zur Linken musste der Busfahrer sein – ein Riesenkerl, mindestens hundertdreißig Kilo. Die schwarze Jacke mit dem CTA-Logo spannte sichtlich über den Rundungen, die sie zusammenhalten musste. Das drahtige graue Haar lag links an, während es rechts vom Kopf abstand.

»Dieser blöde Idiot ist einfach vor mir auf die Straße gesprungen. Das war kein Unfall, der hat sich selbst ins Aus befördert.«

»Niemand behauptet, dass Sie irgendetwas falsch gemacht hätten«, versicherte ihm Nash.

Eisleys Handy klingelte. Er warf einen Blick auf das Display, hielt kurz einen Finger hoch und machte ein paar Schritte zur Seite, um den Anruf entgegenzunehmen.

»Sie erzählen hier rum, dass ich zu schnell gewesen wäre«, fuhr der Busfahrer fort, »aber so was kostet mich den Job und meine Rente … Soll ich mir in meinem Alter noch was Neues suchen? Bei der Wirtschaftslage?«

Porter spähte auf das Namensschild an der Jacke des Mannes. »Mr. Nelson, atmen Sie mal tief durch und beruhigen sich wieder?«

Schweißperlen liefen ihm über das erhitzte Gesicht. »Am Ende muss ich noch einen Kehrbesen vor mir herschieben, nur weil dieser Wichser sich vor meinen Bus geworfen hat. Einunddreißig Jahre unfallfrei und jetzt so eine Scheiße.«

Porter legte dem Mann die Hand auf die Schulter. »Meinen Sie, Sie könnten mir erzählen, was passiert ist?«

»Ich muss die Klappe halten, bis der Typ vom Betriebsrat hier ist. Das muss ich.«

»Ich kann Ihnen nicht helfen, wenn Sie nicht mit mir reden.«

Der Busfahrer runzelte die Stirn. »Was können Sie schon für mich tun?«

»Zum einen könnte ich bei Manny Polanski von Transit ein gutes Wort für Sie einlegen. Wenn Sie nichts verkehrt gemacht haben, wenn Sie jetzt mit uns zusammenarbeiten, dann gibt’s nicht den geringsten Grund, Sie freizustellen.«

»Scheiße, Sie glauben echt, ich werde freigestellt?« Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Das kann ich mir nicht leisten, Himmel noch mal!«

»Ich glaube nicht, dass das passieren wird, solange die dort wissen, dass Sie mit uns zusammengearbeitet haben, dass Sie versucht haben, uns weiterzuhelfen. Wahrscheinlich wird dann nicht mal eine Anhörung nötig sein«, versicherte Porter dem Mann.

»Eine Anhörung?«

»Warum erzählen Sie mir nicht, was passiert ist? Dann kann ich mit Manny reden, vielleicht können wir Ihnen so den ganzen Stress ersparen.«

»Sie kennen Manny?«

»Die ersten zwei Jahre in Uniform hab ich ständig mit Transit zu tun gehabt. Er hört mir zu. Sie helfen uns, und ich leg bei ihm ein gutes Wort ein, versprochen.«

Der Fahrer dachte kurz darüber nach, holte einmal tief Luft und nickte. »Es war genau, wie ich es Ihrem Kumpel dort erzählt habe. An der Ellis war ich exakt im Zeitplan, einer raus, zwei eingestiegen, dann weiter östlich die Fünfundfünfzigste runter und um die Kurve. Die Ampel an der Woodlawn stand auf Grün, also gab es für mich keinen Grund abzubremsen. Nicht, dass ich zu schnell gewesen wäre – checken Sie den Fahrtenschreiber!«

»Sie waren sicher nicht zu schnell.«

»War ich auch nicht. Ich bin einfach dem Verkehr gefolgt. Vielleicht war ich einen Hauch über dem Limit, aber ich bin nicht gerast.«

Porter winkte ab. »Sie sind also östlich die Fünfundfünfzigste runter …«

Der Fahrer nickte. »Ja, und an der Ecke standen ein paar Leute. Nicht viele, drei oder vier vielleicht. Und als ich gerade auf die Ampel zufahre, springt der Typ mir vor den Bus. Keine Vorwarnung, nichts. Eben steht er noch an der Kreuzung, und im nächsten Moment ist er auf der Straße. Ich steig auf die Bremse, aber das Gerät bleibt leider nicht auf der Stelle stehen. Hab ihn frontal erwischt. Er ist zehn Meter durch die Luft gesegelt.«

»Wie stand die Ampel gleich wieder?«, hakte Porter nach.

»Auf Grün.«

»Nicht auf Gelb?«

Der Busfahrer schüttelte den Kopf. »Nein, auf Grün. Ich weiß das ganz genau, weil ich gesehen hab, wie sie dann umgesprungen ist. Bis Gelb waren es noch bestimmt zwanzig Sekunden. Da war ich bereits auf der Straße, als sie umgesprungen ist.« Er zeigte hoch zur Ampel. »Checken Sie die Überwachungskamera.«

Porter sah nach oben. In den letzten zehn Jahren war an beinahe jeder Kreuzung in der Stadt eine Überwachungskamera angebracht worden. Er würde Nash daran erinnern, das Video zu besorgen, sobald sie wieder im Revier wären, aber wahrscheinlich hatte sein Kollege sich schon längst darum gekümmert.

»Der hat auch nicht einfach die Straße überqueren wollen. Der Typ ist absichtlich gesprungen. Wenn Sie das Video haben, werden Sie schon sehen.«

Porter drückte ihm eine Visitenkarte in die Hand. »Würden Sie noch einen Moment warten? Nur für den Fall, dass wir noch Fragen haben?«

Der Mann zuckte mit den Schultern. »Aber Sie reden mit Manny, oder?«

Porter nickte. »Würden Sie uns jetzt kurz entschuldigen?« Dann nahm er Nash beiseite und raunte ihm zu: »Der hat ihn nicht absichtlich überfahren. Und selbst wenn das hier ein Selbstmord war, haben wir hier nichts zu suchen. Warum hast du mich rausgerufen?«

Nash legte die Hand auf Porters Schulter. »Sicher, dass du dafür schon bereit bist? Wenn du noch ein bisschen Zeit brauchst, dann kümmere ich …«

»Mir geht es gut«, fiel Porter ihm ins Wort. »Erzähl mir endlich, was hier los ist.«

»Wenn du reden willst …«

»Nash, verdammt, ich bin kein Kind. Scheiß auf Samthandschuhe.«

»In Ordnung.« Endlich schien er nachzugeben. »Aber wenn dir das hier zu schnell geht und zu viel wird, musst du mir versprechen, dass du die Reißleine ziehst, kapiert? Das wird dir sicher niemand übel nehmen.«

»Ich glaube, dass es mir guttun wird zu arbeiten. Die Hockerei in der Wohnung hat mich schier wahnsinnig gemacht.«

»Das hier ist groß, Porter«, sagte er leise. »Du hast es verdient, dabei zu sein.«

»Verdammt, Nash, spuck es endlich aus!«

»Der Typ, unser Opfer, wollte unter Garantie zu dem Briefkasten da drüben.« Er warf einen Blick zu dem blauen Briefkasten direkt vor einem geklinkerten Wohnhaus.

»Woher willst du das wissen?«

Ein Grinsen machte sich auf dem Gesicht seines Partners breit. »Er hatte ein kleines weißes Päckchen dabei, das mit schwarzem Paketband verschnürt war.«

Porter riss die Augen auf. »Nicht dein...