dummies
 

Suchen und Finden

Titel

Autor/Verlag

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Der Geschmack des Wassers - Der Hexenprozess von Dillenburg

Ingrid Kretz

 

Verlag SCM Hänssler im SCM-Verlag, 2011

ISBN 9783775170277 , 400 Seiten

Format PDF, ePUB, OL

Kopierschutz frei

Geräte

11,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

Derzeit können über den Shop maximal 500 Exemplare bestellt werden. Benötigen Sie mehr Exemplare, nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf.

  • Der Mentor - Rolle, Erwartungen, Realität - Standortbestimmung des Mentoring aus Sicht der Mentoren
    Zukunftsfähig im demografischen Wandel - Herausforderungen für die Pflegewirtschaft
    Hypertension and Cardiovascular Aspects of Dialysis Treatment - Clinical management of volume control
    Anti-Gewalt-Training Magdeburg - Ein sozialtherapeutisches Gruppenprogramm der Gewaltprävention
    Der Luftikurs für Kinder mit Asthma - Ein fröhliches Lern- und Lesebuch für Kinder und ihre Eltern
    Die (Un)sterblichkeit der Menscheit: dem Geheimnis auf der Spur
    Traumjob Wissenschaft? - Karrierewege in Hochschule und Forschung
    Qualifikationsreserven durch Quereinstieg nutzen - Studium ohne Abitur, Berufsabschluss ohne Ausbildung
  • Qualifikation + Leiharbeit = Klebeeffekt? - Die (Wieder-)Eingliederung benachteiligter Jugendlicher in den Arbeitsmarkt
    Kooperative Bildungsverantwortung - Sozialethische und pädagogische Perspektiven auf 'Educational Governance'
    Abschlussorientierte Nachqualifizierung - Praxiserfahrungen der regionalen und betrieblichen Umsetzung
    Determinanten der Angst vor und nach Herzoperation

     

     

     

     

     

 

 

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

2


Dillenburg

»Der Bote hat einen Brief für Euch gebracht, verehrte Gräfin«, sagte die Kammerzofe höflich, knickste und reichte Gräfin Kunigunde das silberne Tablett, auf dem ein versiegeltes Schreiben lag. Die Gräfin griff nach dem Brief und öffnete ihn mit einem spitzen Brieföffner, dessen Klinge mit ziseliertem Floraldekor versehen war und einen Griff aus ebenmäßiger Muschelkamee hatte. Sie liebte dieses Stück, das ihr vor Jahren ein Verwandter von einer Reise mitgebracht hatte.

»Elisabeth lädt uns ein«, sagte sie erfreut. Ihre älteste Stieftochter Elisabeth, die seit einem Jahr mit dem 21 Jahre älteren Philip von Nassau-Saarbrücken verheiratet war, wollte in vier Wochen die Taufe ihres ersten Kindes feiern. Elisabeth war ihr fast wie eine Freundin geworden, in den drei kurzen Jahren, seit Kunigunde am Dillenburger Hof mit Graf Johann VI. verheiratet war.

Elisabeth war nur sechs Jahre älter als sie. Jetzt lebte sie im Saarbrücker Schloss mit dem Reformationsgrafen, wie er allgemein genannt wurde.

Es gab ein paar Parallelen zwischen ihrer Stieftochter und ihr selbst. Auch Elisabeth war die zweite Frau von Philip, dessen erste Gemahlin im Julmond 1581 an den Blattern verstorben war. Die Kontakte der Grafen von Nassau-Saarbrücken zur Dillenburger Herrschaftsfamilie reichten bereits zwei Generationen zurück und es blieb nicht aus, dass eine der heiratsfähigen Töchter von Graf Johann als Braut auserkoren worden war. Die Heiratspolitik des Grafen brachte ihm großen Respekt in der erlauchten Verwandtschaft ein. Er schien ein Händchen für Vermehrung der Güter zu haben und für die Erhaltung des Friedens.

Zwar hatte Graf Johann seine Älteste nicht direkt gedrängt, doch dass er sich diese Ehe wünschte, hatte er deutlich zum Ausdruck gebracht. Elisabeths ausführliche Briefe an ihre Familie im Schloss in Dillenburg ließen auf eine wachsende Zuneigung zu ihrem älteren Gatten schließen und deshalb freute sich Kunigunde besonders über die Einladung zur Taufe ihres Enkelkindes.

Es würde ihr auf der einen Seite Ablenkung verschaffen, hatte sie selbst erst vor zwei Monaten ihre kleine, neun Monate alte Tochter durch Fieberkrämpfe verloren. Auf der anderen Seite würde sie schmerzhaft an ihre Zweitgeborene erinnert werden. Wegen dieser nah beieinanderliegenden Schmerzen und Freuden horchte Gräfin Kunigunde seit Tagen in sich hinein, ob sie nicht doch wieder freudiger Hoffnung war. Ihre monatliche Blutung war ausgeblieben und hin und wieder meinte sie, eine morgendlich aufsteigende Übelkeit zu bemerken.

Ihre Gedanken wanderten zu Anna, der neunzehnjährigen Tochter des Grafen von Nassau-Saarbrücken, die sich während eines rauschenden Festes auf Schloss Ansbach in Georg, den drittältesten Sohn ihres Mannes aus erster Ehe, verliebt hatte. Die Hochzeit sollte in diesem Herbst, in der letzten Woche des Scheiding gefeiert werden. Anna würde künftig mir ihrem Gatten am Hofe des Markgrafen von Ansbach leben. Graf Georg wollte in Kürze ins Stammschloss nach Dillenburg zurückkehren, um den Ablauf der Festlichkeiten zu besprechen. Zunächst stand aber die Taufe an, zu der die große Verwandtschaft geladen war.

Die Gräfin blickte auf. »Du kannst gehen.« Dann besann sie sich. »Ach, warte noch einen Augenblick! Ist meine kleine Amalia noch bei Mathilde?«

Ehrerbietig sank die Zofe wieder ein wenig in die Knie. »Soeben hat Mathilde Eure Tochter zur Amme gebracht. Wünschen Euer Gnaden Amalia später zu sehen?«

»Ich möchte jetzt alleine sein. Ich werde nach dir läuten, wenn du Amalia bringen kannst.«

Rasch verließ die Kammerzofe den Raum und ließ ihre nachdenkliche Herrin allein.

Gräfin Kunigunde erhob sich von ihrem kostbar verzierten Holzstuhl und ging zum Fenster. Sie öffnete den schweren, dunklen Flügel, damit die wohlige Wärme in ihr kühles Gemach dringen konnte. An einem heißen Sommertag wie diesem war sie froh, hinter dicken, weiß gekalkten Mauern nicht der Sonne ausgesetzt zu sein. Das massige Gebälk und die über eine Elle breite Außenwand bewirkten eine gleichbleibende Kühle im Schloss. Allerdings war es in strengen Wintermonaten schwierig die durchdringende Kälte zu vertreiben, zumindest im opulenten Speisesaal und im üppig eingerichteten Salon. Ihr Gatte hatte zwar in jedem Raum einen Kamin einbauen lassen, leider jedoch mit mäßigem Erfolg.

Die Gräfin ließ ihren Blick über den sattgrünen Horizont schweifen. Sie genoss den wundervollen Ausblick in die nahen Täler und auf das kleine Flüsschen Dill, das sich sanft durch die Stadt schlängelte. Unterhalb des auf einer Anhöhe gelegenen Schlosses reihte sich in munterer Weise ein Fachwerkhaus an das nächste. Schon oft war die junge Gräfin mit der Kutsche zum Weinberg, gelegen im Waldgebiet Eberhart, gefahren, der dem Schloss gegenüberlag. Zwar wurde dort kein Wein angepflanzt, aber man hatte einen guten Blick auf den gräflichen Park im Tal, in dem richtiger Wein angebaut wurde. Auf dem Schloss schätzte man die wohltuende Wirkung guten Weines, trank ihn zu allen Gelegenheiten und bei Festlichkeiten in großen Mengen.

Manchmal ging sie auch zu Fuß zum Weinberg. Sie genoss den Abstand von ihrem täglichen Einerlei und betrachtete ihr Zuhause am gegenüberliegenden Berg mit Freude. An heißen Tagen lagerte sie mit Hofdame und Zofe am angrenzenden Waldrand, um sich bei Gebäck und erfrischendem Wasser, manchmal sogar Dünnbier, über das angenehme Surren der Bienen und über sorglos umherfliegende Schmetterlinge unter dem Blätterschirm dicker Bäume zu freuen.

Der Hofgarten, ein herrlich angelegter Park, diente der jungen Gräfin und ihrer Familie als beliebter Aufenthaltsort im Sommer. Er grenzte südwestlich im Tal an die letzten Häuser der Stadt.

Gräfin Kunigunde sann über die vielen Kinder und Ehefrauen nach, die sie in den wenigen Jahren, seit sie nach Dillenburg gekommen war, kennengelernt hatte. Es war ihr schwergefallen, einen verwitweten Grafen mit bereits elf Kindern zu ehelichen. Wenige Jahre zuvor waren ihre Eltern verstorben, sodass ein Ohm die Kontakte für die Ehe geknüpft hatte. Sie hatte sich den Anordnungen ihres Kurators fügen müssen und ihre Besitzungen in der Pfalz verlassen. Bei ihrer Vermählung war sie bereits 25 Jahre alt gewesen; für die Tochter eines Kurfürsten ein fast unmögliches Alter, um noch einen geeigneten Gatten zu finden. Ihre zarte Gesundheit förderte nicht gerade das Interesse heiratswilliger Aristokraten und deshalb hatte sie dem Heiratsantrag des 20 Jahre älteren Grafen zugestimmt.

Zwei ledige Schwestern und ein Bruder ihres Mannes lebten noch im Nordflügel des Dillenburger Schlosses. Den Westflügel, das sogenannte Prinzengemach, bewohnte zeitweilig Wilhelm mit seiner Familie, ein weiterer Bruder ihres Mannes. Es war ein mit besonders imponierendem Interieur hergerichteter Wohnbereich. Graf Wilhelm selbst hatte sie bisher nur selten zu Gesicht bekommen. Er hielt sich meist in den Niederlanden auf. Ihr berühmter Schwager, der jetzt Prinz Wilhelm von Oranien betitelt wurde, war inzwischen in vierter Ehe mit Louise de Coligny verheiratet, und beide hatten im Hartung dieses Jahres ihr erstes gemeinsames Kind, einen gesunden Knaben, bekommen.

Es war Wilhelms 15. Kind. Einige seiner Sprösslinge waren inzwischen schon erwachsen und lebten nicht mehr im Schloss. Entweder standen sie in Kriegsdiensten oder waren bereits vermählt und lebten weit über Nassau hinaus verstreut.

Ihr Schwelgen in Erinnerungen hatte Gräfin Kunigunde Zeit und Raum vergessen lassen. Sie läutete nach ihrer Kammerzofe. Während die junge Gräfin sinnierend ins Tal starrte, klopfte es an ihrer Tür. Auf ihr Geheiß öffnete die Zofe die Tür und ein zierliches, junges Mädchen erschien mit einem kleinen Kind an der Hand.

»Mama!«, rief die kleine Amalia und stürmte auf die Gräfin zu.

Kunigunde sank in die Hocke und breitete ihre Arme weit aus, um ihre kleine Tochter aufzufangen. Ihr lindgrünes, mit kostbaren Ornamenten versehenes Kleid rauschte auf dem blankgewienerten Boden und breitete sich wie ein riesiger Teller um Kunigunde aus. Amalia stolperte in die Fülle von Stoff, sodass sie lachend in die Arme ihrer Mutter fiel. Der kleine, dunkle Lockenkopf vergrub sich in den Schoß ihrer Mutter. Zärtlich küsste Kunigunde ihr Kind auf den Scheitel.

»Du Sausewind, warst du mit deiner großen Schwester unterwegs?«, scherzte sie und sah zu ihrer stillen Stieftochter Mathilde auf.

»Amme Theres lässt grüßen«, sagte das schüchterne Mädchen. »Sie möchte Euch bald sprechen.«

Die Gräfin konnte sich denken, was Amme Theres mit ihr disputieren wollte. Es war tatsächlich an der Zeit, Amalia gänzlich zu entwöhnen. Gerne hätte Kunigunde gewusst, wie es ist, einen Säugling zu stillen, doch das war in ihren Kreisen nicht schicklich. Ihr fehlte der Mut, darauf zu bestehen. Außerdem hatte ihr der Leibarzt wegen ihres ranken Körperbaus davon abgeraten. Trotzdem beschlich sie wiederholt das Gefühl, ihr sei deshalb ein entscheidender Augenblick in der Entwicklung ihrer geliebten Amalia verborgen geblieben. Amme Theres, eine mütterliche Frau mit viel Erfahrung, stillte ihre Amalia und wiegte sie in den Schlaf, sang ihr Kinderlieder vor und tröstete sie, wenn sie nicht gleich schlafen wollte. Diese Aufgaben musste sie ihr anvertrauen. Den Sitten am Hof galt es sich unterordnen, gleich welcher persönlichen Meinung sie war.

»Ich lasse ihr ausrichten, sie möge mich morgen beehren«, erklärte Gräfin Kunigunde und richtete sich wieder auf. Sie strich den Seidentaft ihres Kleides glatt, dessen Rockteil unter der Brust in viele kleine Falten gelegt war. Eine cremefarbene Borte umrahmte das weite, makellose Dekolleté und an den...