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Du gibst das Leben - Das sich wirklich lohnt

Gerhard Schnitter

 

Verlag SCM Hänssler im SCM-Verlag, 2011

ISBN 9783775170550 , 176 Seiten

2. Auflage

Format PDF, ePUB, OL

Kopierschutz frei

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1,99 EUR

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2. Lehr- und Studienjahre


Du öffnest mir die Tür des neuen Tages.

Ich danke dir dafür, dass du ihn schenkst.

Dir will ich folgen und von dir erbitten,

dass du mich führst und meine Schritte lenkst.

Schule in der DDR


Wie schon erwähnt, war der Besuch der Grundschule in Obercunnersdorf ab Herbst 1945 in meiner Erinnerung eine unangenehme Lebensphase. Der Schlag des Lehrers auf den Hinterkopf wegen eines vergessenen Schlusspunktes oder das spöttische Lachen des Sportlehrers, weil ich den Ball nicht weit genug geworfen hatte, bleiben mir beispielhaft und peinlich im Gedächtnis. Bleibende Schäden oder Störungen sind, jedenfalls nach meinem Eindruck, davon aber wahrscheinlich nicht zurückgeblieben. Doch diese Pädagogik hat auch nicht viel genützt. Den ganzen Schulbetrieb empfand ich wie eine lästige, würdelose Zwangsjacke. Vielleicht war ich auch einfach noch nicht schulreif und man hätte mir noch ein Jahr Zeit lassen sollen, bis ich das sechste Lebensjahr vollendet hatte. Sicher war es auch damals für unsere Lehrer in den Anfangsjahren der DDR nicht leicht, sich mehr und mehr den sozialistischen Bildungsvorstellungen anpassen zu müssen. Trotz aller bei mir überwiegenden Abneigung gegen die Schule lernte ich schließlich doch irgendwie Schreiben, Lesen und Rechnen. Anstrengend waren die Auseinandersetzungen mit denjenigen Lehrern, die uns mit den sozialistischen Lehren des Marxismus-Leninismus vertraut machen sollten. In meiner Klasse war ich nicht der Einzige, der sich dieser Ideologisierung nicht anpassen mochte. Als die Jugendweihe eingeführt wurde, ließen sich viele von uns nicht zur Teilnahme überreden. Wir gingen stattdessen in die Christenlehre, später in den Konfirmandenunterricht und zur Konfirmation. An dieser Stelle möchte ich dankbar unseren Ortspfarrer Heinz Leßmann erwähnen. Dieser wunderbar kluge, geistlich und künstlerisch gebildete Mann hat uns immer wieder den Kopf und den Rücken gestärkt.

Meinem älteren Bruder Christfried gelang es, ohne weitere häusliche Anstrengungen, von der Schule nur die besten Noten heimzubringen. Er durfte deshalb auch die weiterführende Oberschule (Gymnasium) besuchen. Sein Arbeitsstil erschien mir nachahmenswert, aber ich brachte es damit immer nur zu mittelmäßigen Zeugnissen. Deshalb wurde nach meiner Schulzeit beschlossen, dass ich in einer kleinen Möbelfabrik in unserem Ort eine Tischlerlehre beginnen sollte. Diese Entscheidung habe ich zwar nicht bejubelt, ich habe sie aber auch nicht bereut. Tischlern fand ich ganz gut. Jesus arbeitete ja auch als junger Mann in einem Holzberuf. Es motivierte mich außerdem, dass der Lehrmeister loben konnte – zum Beispiel gleich am ersten Tag, als es mir gelang, mit der Handsäge ein langes Brett gerade zu besäumen. Dieses Brett musste ich dann weiter zu einem Sarg verarbeiten, der tatsächlich zwei Tage später samt Inhalt der Erde übergeben wurde.

Neben der praktischen Ausbildung im Betrieb war der Besuch der Berufsschule in Löbau obligatorischer Teil der Lehre. Daran denke ich gern zurück. Der Lehrplan mit einer starken Betonung der naturwissenschaftlichen Fächer war eine gesunde Herausforderung. Auch die Themen im Deutsch- und Geschichtsunterricht interessierten mich. Gesellschaftskunde und die Frage der Mitgliedschaft in der FDJ (Freie Deutsche Jugend) spielten damals noch keine so große Rolle wie in den späteren Jahren der DDR. Deshalb kann ich sagen, dass ich während meiner Berufsschulzeit von den Angeboten in den allgemeinbildenden Fächern wirklich profitiert habe. Nur eines habe ich später bei einer Chorreise des Evangeliumsrundfunkes (ERF) in die UdSSR bedauert: Im Fach Russisch hätte ich besser mitarbeiten sollen.

Studium in Westdeutschland


Während meiner ganzen Lehrzeit als Tischler hat mich nie die Sorge losgelassen, was mit meinen musikalischen Plänen passieren würde, wenn ich mich an den Fingern verletzen oder mir gar ein Stück davon an einer Maschine abschneiden würde. Fehlende Fingerkuppen sind ja oft genug ein Erkennungszeichen für Schreiner. Zwar blieb mir, so dachte ich, dann immer noch das Singen. Dennoch bin ich sehr dankbar, dass dieser Fall nie eingetreten ist. Für mich stand es jedenfalls während dieser Zeit schon fest, dass ich, wenn ich erst einmal alt genug sein würde, unbedingt versuchen wollte, Musik zu studieren. Meine ganze Freizeit nutzte ich deshalb zum Üben am Klavier und an der Orgel. Ich besuchte Konzerte, besorgte mir Noten und wichtige Studienunterlagen.

Nach der guten Erfahrung bei meinem ersten Vorsingen an der Musikhochschule in Dresden stellte ich mich mit 17, nach bestandener Facharbeiterprüfung, erneut einer Aufnahmeprüfung. Aber das war nicht mein Tag. Die Stimme sprach nicht richtig an und die Professoren zeigten sich enttäuscht, dass ich in der Zwischenzeit keinen Gesangsunterricht genommen hatte. Dieser Weg war also nun verbaut. Deshalb beschloss ich, dem Beispiel meiner beiden älteren Geschwister zu folgen und auch in den Westen abzuhauen. Damals stellten die DDR-Behörden noch Reisedokumente für Besuchsreisen nach Westdeutschland aus. Etwa eine Million DDR-Bürger haben diese Möglichkeit bekanntlich genutzt, ohne die Rückreise in den Osten wieder anzutreten. Im Frühjahr 1957, nachdem ich noch ein halbes Jahr in meinem Lehrbetrieb gearbeitet hatte, war dann endlich der Zeitpunkt gekommen. Mit einem großen Koffer trat ich meine Besuchsreise zu Verwandten im Ruhrgebiet an. Dort schrieb ich einen förmlichen Abschiedsbrief an meine Mutter, dass ich nicht mehr in die DDR zurückkehren würde. Mit diesem Dokument musste sie mich bei den Behörden als DDR-Bürger abmelden. Wenig später wurden diese freizügigen Reiseregelungen von der Regierung wieder rückgängig gemacht. Nun gab es nur noch den teureren und gefährlicheren Ausweg über Westberlin. Meine Mutter und mein jüngster Bruder wählten diesen ein Jahr später für ihre Ausreise. Erst 17 Jahre danach wagte ich wieder einen Besuch in Obercunnersdorf.

Unsere Verwandten in Gelsenkirchen lebten als sechsköpfige Familie selbst nur in einer kleinen Dreizimmerwohnung. Unvorstellbar, aber sie rückten noch mehr zusammen und fanden auch noch einen Platz für mich. Ich durfte sogar ausgiebig Klavier üben, während mein Onkel als Lehrer neben mir Klassenarbeiten korrigierte. Arbeit bekam ich sofort in einer Schreinerei und nahm nebenher sehr qualifizierten Orgelunterricht. Damit erhielt ich die richtige Vorbereitung für die Aufnahmeprüfung an der Kirchenmusikschule. Zum Studium der Kirchenmusik hatte mir der Orgellehrer geraten. Dies entsprach auch dem Herzenswunsch meiner Mutter. Ich nahm deshalb mit der Westfälischen Landeskirchenmusikschule (heute Hochschule für Kirchenmusik) in Herford Kontakt auf und verabredete ein Vorstellungsgespräch mit dem Direktor Professor Wilhelm Ehmann. Dazu fuhr mich mein Bruder Christfried bei strömendem Regen mit seinem Motorrad die etwa 130 Kilometer von Gelsenkirchen nach Herford. Mit meinem grünen Lodenmantel betrat ich tropfnass das Gebäude. Ohne Aufforderung, den Mantel abzulegen, führte mich Ehmann in die Aula, wo ich ihm in nassen Kleidern frierend vorspielte. Dann sollte ich noch einen Choral harmonisieren und etwas vorsingen. Schließlich wurde ich als fröstelndes Elend wieder entlassen.

Einige Wochen später stand die offizielle Aufnahmeprüfung an. Ehmann stellte mich dem Orgellehrer und Prüfer Arno Schönstedt mit einem vielsagenden »Das ist Herr Schnitter« vor. Seit dieser Zeit weiß ich, dass in der Musik sehr viel über Beziehungen und menschliche Kontakte läuft. Bewerber, die die Aufnahmeprüfung bestanden hatten, durften schon am nächsten Tag mit dem Studium beginnen. Die anderen mussten wieder abreisen. Ich gehörte zur ersten Gruppe und damit begann eine für mich zunächst sehr glückliche Zeit. Endlich konnte ich ohne zeitliche Begrenzung nach Herzenslust üben. Aus dem Stundenplan interessierten mich bis auf Hymnologie und Kirchengeschichte alle Fächer. Wir hatten auch fast ausschließlich gute Dozenten. Ehmann selbst unterrichtete Musikgeschichte und Chorleitung. Das Singen im Chor war Pflicht. Erst als ich später selbst Chöre leitete, merkte ich, wie viel ich von ihm gelernt hatte. Unter seiner impulsiven Leitung konnte man bei Konzerten nur sein Bestes geben, selbst wenn die Proben vorher fürchterlich waren. Er dirigierte herausfordernd und inspirierend. Es kam aber auch vor, dass er selbst mitten im Konzert jemanden anschrie oder laut schimpfte. – Ansonsten genoss ich besonders den Orgelunterricht bei Arno Schönstedt an der großen Herforder Münsterorgel. Weil Schönstedt selbst aus Leipzig kam, sah er in mir einen Landsmann und nahm mich oft als Registranten zu seinen regelmäßigen Rundfunk- und Schallplattenaufnahmen mit. Da habe ich durch Beobachten viel gelernt und bekam nebenbei sogar etwas Geld vom WDR. Auch meine erste Organistenstelle in Fahrenholz an der Weser verdanke ich der Vermittlung meines Lehrers.

Trotz des erfreulichen Studienbeginns schlich sich im Laufe der Monate Unzufriedenheit bei mir ein. Kirchenmusik, insbesondere der strenge und etwas kühle norddeutsche Kirchenmusikstil, war nicht meine Herzenssache. Ich hatte andere Vorstellungen vom Singen und wollte auf dem Klavier andere Musik spielen. Vor allem wollte ich nie Chorleiter werden. Deshalb entschloss ich mich 1958 – zum großen Bedauern meiner Mutter –, die Aufnahmeprüfung für Klavier an der Staatlichen Musikhochschule in Stuttgart zu versuchen. Vorher wollte ich einen persönlichen Kontakt zu Professor Jürgen Uhde herstellen, um ihm vorzuspielen und seinen Rat einzuholen. Das scheiterte aber wegen der Semesterferien. So...