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Wettbewerb im Gesundheitswesen: Patientenorientierung als Schlüssel zu möglichen Wettbewerbsvorteilen für Krankenhäuser
Nicole Rodegast
Verlag Diplomica Verlag GmbH, 2010
ISBN 9783836647274 , 80 Seiten
Format PDF, OL
Kopierschutz frei
Textprobe: Kapitel 5.2, Zielgruppenspezifische Bearbeitungsmöglichkeiten: Wie am soeben gezeigten Beispiel ersichtlich wurde, existieren neben der offensichtlichen Zielgruppe des Patienten noch eine Reihe weiterer, potentieller Zielgruppen, die nach einer Vielzahl von Kriterien segmentiert und mit mindestens genau soviel Strategien und Taktiken im Nachgang bearbeitet werden können. Exemplarisch soll deshalb im Nachfolgenden auf grundlegende Aspekte in der Bearbeitung einiger der, aus Sicht der Autorin, wettbewerbsrelevantesten und vielversprechendsten Zielgruppen, kurz eingegangen werden. Zielgruppe: Patient: Selbst innerhalb der Zielgruppe der Patienten kann man diese noch einmal segmentieren und so spezifische Besonderheiten herauskristallisieren, die einer differenzierten Bearbeitung förderlich sind. Dies betrifft u. a. chronisch kranke oder behinderte Patienten, Patienten mit ausländischer Staatsbürgerschaft und entsprechenden Hintergründen bzw. Patienten mit bestimmten Religionsangehörigkeiten. Chronisch kranke und behinderte Patienten: Trotz des Paradigmenwechsels im Gesundheits- und Sozialwesen sowie der Behindertenbewegung selbst, existiert bei der Behandlung von chronisch Kranken und v. a. behinderten Patienten meist immer noch eine Bevormundung, die Ihresgleichen sucht. So sind chronisch kranke und behinderte Menschen im Krankheitsfall auf Grund ihrer körperlichen Situation zwar meist auf ein mehr an Pflege und Aufmerksamkeit angewiesen, was jedoch im Umkehrschluss nicht bedeuten kann, dass sie im gleichen Umfang bevormundet werden müssen. Behinderte und chronisch kranke Patienten leben meist schon den Großteil ihres Lebens mit besagten Einschränkungen und sind somit in den meisten Fällen zu Experten in eigener Sache mit dem Umgang ihrer Erkrankung geworden. Bei äußerst seltenen Erkrankungen, wie z. B. genetischen Defekten, die im Rahmen der medizinischen Ausbildung gar nicht oder nur sehr begrenzt angeschnitten werden, kann es sogar vorkommen, dass die Patienten in Bezug auf ihre Erkrankung, die daraus resultierenden Wechselwirkungen und Folgen, besser informiert sind als die behandelnden Ärzte. Leider wird ein solches Expertenwissen in den meisten Kliniken jedoch häufig außer Acht gelassen. Stattdessen sollten die Einrichtungen im Sinne der Patienten- und Wettbewerbsorientierung die Chance auf ein solch kostenloses Expertenwissen nutzen und im Dialog mit den Patienten die für ihn individuell passende Lösung finden, egal, ob diese in weiteren Therapie- und Rehabilitationsmaßnahmen, oder auf Wunsch des Patienten, in der bloßen Linderung seiner Schmerzen und Symptome, besteht. Langfristig betrachtet könnte man sich mit dieser Strategie eventuell sogar ein Alleinstellungsmerkmal in der Krankenhausbehandlung chronisch kranker und behinderter Patienten erarbeiten. Dies würde einerseits voraussetzen, dass Expertenwissen nicht nur langfristig mit Hilfe von Patienten, Selbsthilfegruppen und Ärzten generiert und durch EDV-Systeme systematisiert wird, andererseits aber auch, dass sich die medizinische Ausbildung und Versorgung nicht nur an gesunden bzw. normalen Patienten orientiert, sondern von vorn herein ebenfalls die gesundheitlichen und sonstigen Probleme von Menschen mit Behinderungen und chronisch Kranken in den Mittelpunkt stellt. Daraus folgt natürlich v. a. bei behinderten Patienten das Problem der pflegerischen und sonstigen Versorgung. Während ein Paraplegiker vielleicht nicht wesentlich mehr Pflegeaufwand verursacht als ein normaler Patient, sieht dies bei einem Tetraplegiker, einem massiven Spastiker oder einem an Muskelschwund leidenden Patienten wesentlich anders aus. Hier kann sich der Pflege- und Versorgungsaufwand vervielfachen, da bei fast allen täglichen Verrichtungen Hilfestellungen in Anspruch genommen werden müssen. Folglich wäre dies mit normalen Personalschlüsseln und -mitteln sowie bei einer Vielzahl solcher Patienten kaum mehr zu schaffen. Entsprechend könnte aus Krankenhaussicht darüber nachgedacht werden, den Patienten die Möglichkeit zu geben, ihr eigenes Pflegepersonal mitzubringen, egal, ob dies nun pflegende Angehörige sind oder aber im Arbeitgebermodell professionell beschäftigte Assistenten. Für das Krankenhaus bringt diese Vorgehensweise den Vorteil, dass Pflegepersonal entlastet wird und sich verstärkt seinen Hauptaufgaben, anstatt alltäglichen Hilfestellungen, zuwenden kann. Für die Patienten erfolgt hingegen ein wesentlicher Schritt hin in Richtung Patientenorientierung, da gewohnte und routinierte Abläufe, Handlungen und Handreichungen durch vertraute Personen erhalten bleiben. Dem Problem der Bevormundung, wie etwas getan werden muss, wird zuvorgekommen. Einweisungen der Patienten an das Pflegepersonal, wie bestimmte Handgriffe am Besten erfolgen können, entfallen ebenfalls zum großen Teil. Dem Aspekt nicht gleichgeschlechtlicher Pflegekräfte und der daraus erwachsenden Scham kann weiterhin begegnet werden. Voraussetzungen hierfür wären natürlich u. a. entsprechende Unterbringungsmöglichkeiten, z. B. in mit Durchgangstüren verbundenen Zimmern oder Verpflegungsmöglichkeiten der Assistenten. Auch gesetzlich wurde der entsprechende Weg zur Umsetzung dieser Möglichkeiten durch die am 5. August 2009 in Kraft getretene Änderung des Fünften Sozialgesetzbuches frei gemacht.