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Perry Rhodan 2957: Die Hooris-Prozessoren - Perry Rhodan-Zyklus 'Genesis'

Michael Marcus Thurner

 

Verlag Perry Rhodan digital, 2018

ISBN 9783845350578 , 64 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

1,99 EUR


 

Das von Myles Kantor bei einem Vortrag am Terrania Institute of Technology am 13. März 1198 NGZ vorgestellte Paradoxon:

1. Eine Positronik gehorcht ihren Alpha-Befehlen. Es existieren keine Rechenansätze, die ein anderslautendes Verhalten zulassen.

2. Eine Raumschiffpositronik trifft pro Sekunde millionenfach Entscheidungen. Alle müssen ausgewogen sein und algorithmischen Rechenprozessen folgen. Ist die Datentiefe nicht ausreichend, gehorcht die Positronik heuristisch-mathematischen Grundlagen.

3. Die Heuristik bedient sich Annäherungsregeln und beruht nicht auf eindeutiger Faktenlage. Folgt eine Positronik heuristischen Grundsätzen, kann dies zu Ungenauigkeiten führen.

4. Der größte Unsicherheitsfaktor bei der Entscheidungsfindung einer Positronik sind fehlerhafte Angaben oder falsches Verhalten des Benutzers. Der Rechner bezieht die Fehlerhaftigkeit seines Benutzers mit ein. Ein geringer Teil seiner Arbeitsergebnisse birgt dennoch Ungenauigkeiten.

5. Deshalb kann die rechnerische Faktenfindung in Ausnahmefällen durch den Benutzer gestört werden und zu Zweifel bei der Positronik führen.

6. Wenn ein Rechner aber zweifelt – wie kann er dann seinen Alpha-Befehlen vertrauen, wo sie doch vom Benutzer formuliert wurden?

 

 

1.

Amber Dessalin

 

Das ist mein Schiff! Meine Heimat! Man hat sie mir weggenommen!

Sie eilte dem jüngeren Mann hinterher, der in Wirklichkeit um so vieles älter war als sie, die Grande Dame des gäonischen Militärs. Sie keuchte und war kaum in der Lage, mit ihm Schritt zu halten.

Perry Rhodan zögerte an einer Gangkreuzung, sah sich suchend um, wartete auf sie. »Wohin?«, fragte er.

»Nach links«, antwortete Dessalin und stemmte die Hände gegen die Knie, während sie um Atem rang. »Rauf nach B-Frei. Antigrav.«

Rhodan blickte sie verwundert an, wohl wegen der Bezeichnung der Ebene, sagte aber nichts und trabte erneut los.

Dessalin folgte ihm. Trotz der schmerzenden Knie, trotz der Atemlosigkeit.

Sie meinte, einen HaLem-Soldaten hinter sich zu hören. Ein Geschöpf, über das sie so gut wie nichts wusste, das ihnen aber im Kampf grenzenlos überlegen war. Zumal sie bloß leichte Bordkombinationen trugen und lediglich Rhodan über einen Kombistrahler verfügte. Ihr Gegner hingegen feuerte aus Strahlermündungen, die im Ellbogen integriert waren, und schützte sich mit einem energetischen Konturschirm.

Es ging einen Gang entlang, von dem in regelmäßigen Abständen Seitenwege abzweigten. Sie rannten eine kleine Rampe hoch. In eines der Zwischendecks. Vorbei an lose dastehenden Tonnen, in denen Robotschrott gesammelt und dem Recycling zugeführt wurde.

Ein verwahrlostes Labor. Ein Raum, vollgestopft mit Robotbestandteilen. Zwei menschenähnliche Servoroboter, die gegen Gangwände starrten. Eine bunt schillernde Lache, die sie überspringen mussten ...

Was ist mit meinem Schiff geschehen? Wie konnte es so weit kommen?

»Rechts!«, rief sie Rhodan zu, der etwa zehn Meter vor ihr lief. »Und gleich nochmals rechts.«

Er verschwand aus ihrem Blickfeld. Sie holte ihn erst vor dem Antigravschacht ein. Dieser war schmal und ausschließlich für den Personentransport gedacht.

Hinter ihnen polterte etwas zu Boden. Dessalin zuckte zusammen. Sie zog Rhodan mit sich in die Röhre. Die Dämpfung wirkte geringfügig verzögert, wie immer. Der Sog des Antigravs ließ sie nach unten sacken. Viel zu langsam für ihren Geschmack.

Dessalin nutzte die Gelegenheit, um kräftig durchzuatmen und endlich wieder klare Gedanken fassen zu können. Immer noch brummte ihr Kopf von der ungeschützten Transition, in die vermutlich die HaLem-Soldaten die GORATSCHIN gezwungen hatten. Sie litt unter Übelkeit und dem Gefühl der Desorientierung.

Durchatmen, Dessalin. Du kennst die Auswirkungen einer Transition. Die Schmerzen werden in fünf bis zehn Minuten verschwunden sein.

Endlich bekam sie wieder ausreichend Luft. Ihre Flucht basierte auf Improvisation, auf Entscheidungen aus dem Bauch heraus. Nun brauchte es einen Plan, um dem Verfolger entkommen zu können.

»Wir steigen im nächsten Deck aus«, sagte sie. »In H-Fort. Dieser Sektor ist frei. Es gibt kaum Überwachungssensoren oder Kameras. H-Fort steht der Besatzung zur Erholung zur Verfügung. Hier soll sich niemand eingeschränkt fühlen.«

Rhodan nickte und sprang ins Freie. Dessalin folgte ihm. Sie stolperte, fing sich rasch und lief hinterher. Als Rhodan an der nächsten Kreuzung stehen blieb, eilte sie an ihm vorbei und übernahm die Führung.

Sie rannten durch einen biolumineszierenden Moosgang, dessen Leuchten an die Tiefen Wälder auf Gäon erinnerte, und hinein in den Naturbereich Dagstan, eines der beliebtesten Ziele jener Besatzungsmitglieder, die dienstfrei hatten und Erholung suchten.

Der Gang öffnete sich nach allen Seiten, der Horizont weitete sich. Dessalin blickte in einen blauen Himmel, der von diesigen Wolkenstreifen durchzogen wurde. Eine Kunstsonne spendete milde Wärme. Unter ihren Füßen spürte sie weiches Moos, das wenige Schritte später in Gras überging.

Rhodan blieb neben ihr. Immer wieder sah er sich um, ohne dabei nervös zu wirken. So, als gehörten derartige Verfolgungsjagden zu seiner Tagesroutine.

Dessalin zog ihn an Hecken vorbei, an deren Ästen kleine, dunkelrote Früchte sprossen. Störbeeren. Scharf und bitter zugleich. Hinein in jenen versteckten Bereich, der ihr als das bestmögliche Versteck erschien.

Zwischen zwei Meter hohen Hecken ging es in ein Gartenlabyrinth. Tulpinen richteten ihre grellfarbenen Blütenköcher in Richtung der Kunstsonne aus, niedrig wachsende Majoritten verströmten süßlichen Geruch.

Dessalin nahm den linken dreier von Hecken eingerahmter Wege und suchte nach jener markierten Abzweigung, die zu ihrem Lieblingsplatz führte. Dort hatte sie im letzten Jahr einige Zeit verbracht. Stets dann, wenn ihr in der Enge des hochtechnisierten Schiffs die Luft zum Atmen gefehlt hatte. An jenem Ort hatte sie sich erholt, fernab von Pflichten, Verantwortung und von der durchtechnisierten Welt des Raumschiffs.

»Unser Versteck«, sagte sie und hielt inne.

»Wir sollen uns auf einer offenen Liegewiese verbergen?!«, fragte Rhodan verständnislos.

»Auf dem beliebtesten Campingplatz der GORATSCHIN«, korrigierte Dessalin und zog an einem handgroßen Griff, der im Erdboden kaum erkennbar war.

Ein spitzes Ding durchstieß den Boden und wuchs auf eine Höhe von einem Meter an. Die kreisrunde Kommandoblüte entfaltete sich. Das gesamte Konstrukt besaß die Anmutung einer Sonnenblume. Die vermeintlichen Blütenblätter dienten zur Steuerung und zum Umbau des Campingplatzes.

»In Dagstan gibt es keinerlei Überwachung«, wiederholte Dessalin. »Wer hier Urlaub macht, ist von all seinen Pflichten befreit und darf nicht belästigt werden.« Sie schluckte hart und verbesserte sich: »Durfte nicht belästigt werden.«

Rhodan betrachtete sie zweifelnd, sagte aber kein Wort.

Sie berührte einige Blätter der Kommandoblüte. Ein kleines Paket kam aus dem Nichts herbeigerollt und entfaltete sich explosionsartig. Ein Zelt mit zwei Apsiden, vier mal vier Meter groß, entstand binnen weniger Sekunden. Aus dem Inneren drangen Gerüche nach gebratenem Fleisch und Gemüse.

Ein weiterer Befehl an die Kommandoblüte, und die Hecken verschoben sich auf wundersame Art und Weise. Sie bildeten ein undurchdringliches Hindernis, das sie von der Außenwelt abschottete.

»Das ist zwar nicht im Sinne des Erfinders«, sagte Dessalin, »aber hier werden uns die HaLem-Roboter nicht finden.«

Rhodan nickte. »Wie sieht es mit unseren Biowerten aus? Lassen die sich ebenfalls dämpfen?«

»Mal sehen.« Dessalin beschäftigte sich konzentriert mit der Kommandoblüte. In manchen Teilaspekten konnte sie Zugriff auf eine Nebenpositronik der IWAN nehmen. Sie musste allerdings darauf achten, keine Spuren zu hinterlassen.

»Sieht gut aus.« Sie schloss ihre Arbeit ab und gab den abschließenden Befehl. Ein grünes Signalfeld zeigte an, dass sie Erfolg gehabt hatte. »Wir sind so gut wie möglich aus der Wahrnehmung des Schiffs und seiner Besatzer ausgespart.«

»Sehr gut.«

Rhodan ließ sich auf dem Boden nieder, Dessalin tat es ihm gleich. Sie streckte sich aus, starrte in das beruhigende Blau des Himmels und ließ alle störenden Gedanken beiseite. Für eine Minute gönnte sie sich die Freiheit einer Illusion.

Sie war mit einem Mal weit weg, zu Hause auf Gäon. Im Karatakk-Gebirge, das in ihrer Jugend von weit verstreuten Gehöften gesprenkelt gewesen war. Maranthana-Kühe waren im Sommer auf Hochalmen getrieben worden, während in den dunklen Tälern schrullige Aussteiger der gäonischen Gesellschaft biologische Landwirtschaft betrieben hatten.

Sie hatte Ferien bei ihrem Großvater gemacht, der einer dieser Aussteiger gewesen war und der sie viel über die Natur der Dinge gelehrt hatte. Ihm hatte sie mehr Wissen zu verdanken als all den Lehrmeistern an der Schiller-Flottenakademie.

Wie lange war das her? Hundert Jahre? Mehr?

Amber Dessalin richtete sich abrupt wieder auf. Sie wollte nicht an ihr Alter erinnert werden. Sie war gut in Form, körperlich wie geistig. Auch wenn sie mit einem wie Perry Rhodan nicht mithalten konnte.

»Hast du Hunger?«, fragte sie. »Der Selbstkocher sollte seine Arbeit mittlerweile getan haben.«

Rhodan ignorierte ihre Frage. »Kannst du von hier aus Funkkontakt mit...