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Ehrliche Haut - 1. Teil der Serie »Detektei Sander+Frenzel«

Lo Jakob

 

Verlag édition el!es, 2018

ISBN 9783956092466 , 240 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

8,99 EUR


 

Auf frischer Tat ertappt


Luisa ging immer noch der neue Einbruch durch den Kopf, während sie ein Bier nach dem anderen zapfte. Warum wurde auch ausgerechnet heute Abend fast ausschließlich Pils von den Gästen bestellt? Das langwierige Zapfen hielt sie auf Trab, wo sie doch im Kopf ganz woanders war.

Der Bericht ihres Vaters war per E-Mail eingetroffen, kurz bevor sie gehen musste, und sie war zu spät gekommen, weil sie nicht ohne die neuesten Infos über den Goldraub hatte gehen wollen.

Sie hatte sich die gestohlenen Schmuckstücke verinnerlicht und meinte, fast alle erkennen zu können, falls sie ihr gezeigt werden würden.

Aber wie sollte sie jemals das Gold finden? Das war doch unrealistisch, und sie ärgerte sich über ihren Vater, dass er Dschafarow in der Hinsicht auch noch Hoffnungen gemacht hatte.

Wenn der Dieb auch nur einen Funken Verstand besaß, würde er nicht versuchen die Barren im ursprünglichen Zustand zu Geld zu machen. Dann war das Gold längst eingeschmolzen.

Ihre einzige Chance war, dass dieser Funken Verstand eben nicht vorhanden war wie bei so vielen Kriminellen. Es war aber zu viel zu hoffen, dass es genau vor ihrer Nase hier im Anti Schoko verhökert werden würde. So dämlich war niemand, nicht einmal irgendeine Pfeife von Dieb.

Luisa stellte die vier fertiggezapften Pilsgläser auf ein Tablett und quetschte sich dann durch die Menschenmenge in der Kneipe. Heute Abend war die Hölle los, und obwohl sie nicht allein bediente, kamen sie kaum hinterher.

Als sie auf dem Rückweg zum Tresen war und sich ziemlich rabiat den Weg durch die aufgedrehte und teilweise schon stark alkoholisierte Menge bahnen musste, sah sie trotz der vielen Menschen in der überfüllten Kneipe, wie die unverschämte Flix zur Tür hereinkam. Und merkwürdigerweise wurde es ihr etwas leichter ums Herz bei der Aussicht auf eine weitere witzige Begegnung mit der hübschen Möchtegern-Verführerin. Kurz vergaß sie sogar, warum sie hier überhaupt bediente und dass sie ja eigentlich ständig auf der Lauer sein sollte, um alles aufzuschnappen, was auch nur annähernd mit Hehlerei oder anderen kriminellen Aktivitäten zu tun hatte. Die kleinen Dealereien hatte sie bereits alle abgecheckt und als unbedeutend abgehakt. Die Schmalspurdealer im Anti Schoko waren wirklich nur das und nicht mehr. Sie musste noch an die richtigen Leute herankommen. Dass die nicht so leicht zu finden waren, zeigte allein schon, dass es sich um Profis handeln musste.

Flix quetschte sich zur Theke durch und ließ sich nicht abdrängen, bis sie direkt vor Luisa stand, die schon mit der nächsten Bestellung beschäftigt war, die ihr ihre Kollegin hingelegt hatte. Hier funktionierte alles noch mit guter, alter Zettelwirtschaft. Luisa schenkte der Neuen an ihrer Theke ein kurzes Lächeln.

»Hallöchen, schöne Frau«, begrüßte Flix sie daraufhin. Ihre wachen Augen versuchten ihren Blick aufzufangen, und ein freches Grinsen begleitete die unmögliche Einleitung ihrer Begegnung.

»Ernsthaft? Das ist deine Begrüßung? Hast du zu viele Fünfziger-Jahre-Schmonzetten über die Feiertage gesehen?« Luisa sah vom Zapfen kurz auf und schenkte ihr einen gespielt empörten Blick. Sie war nicht wirklich genervt. Ihr gefiel das Sticheln einfach nur ausgesprochen gut.

»Mann, bei dir bekommt man echt das Ego gewaschen.« Flix stieß die Luft aus. Frustriert und geknickt, aber ebenfalls nur gespielt. »Wie hättest du es denn gern?«

Luisa schnaubte kurz lachend auf, holte den Fusel, der hier als Weißwein ausgeschenkt wurde, aus dem Kühlschrank und schenkte zwei Gläser davon ein. Ihre Kollegin Caro stand schon mit dem Tablett parat und wartete ungeduldig. Heute hieß es, echt Tempo an den Tag zu legen. Trotzdem hielt sie das Gespräch mit Flix nebenher am Laufen. Weil es so Spaß machte.

»Ein einfaches ›Hallo‹ hätte genügt oder bei Bedarf auch gern ›Abend‹ oder sonst was. Was trinkst du?« Sie würde ihre Bestellung sogar vorrangig behandeln. Einfach so. Weil sie Lust dazu hatte. Weil Flix und ihre forsche Art witzig waren. Weil sie gut aussah. Auch, wenn sie noch kaum einen längeren Blick hatte werfen können.

»Ist das eine Einladung?«, kam schon wieder eine freche Antwort. Wieder musste Luisa kurz schnaubend lachen.

»Guter Scherz. Also? Wieder Gin?«

Ein Klimpern mit langen Wimpern über die Theke hinweg belohnte sie für ihre Frage.

»Das hast du dir gemerkt?« Flix sah so aus, als ob sie am liebsten über die Theke gehüpft wäre vor Freude. Sie hatte es mittlerweile geschafft, sich auf der anderen Seite des Tresens einen erstaunlich großen Freiraum zu verschaffen.

Sie trug auch heute wieder ähnliche Klamotten wie bei ihrer ersten Begegnung. Vornehmlich dunkle Farben, Bomberjacke, Skinny Jeans. Ein verdammt butchiges Outfit an der recht feminin wirkenden und sich grazil bewegenden Frau. Die langen, dunklen Haare waren heute nach hinten gebunden. Aber selbst ein mädchenhafter Pferdeschwanz sah an dieser Flix aus wie eine Piratenfrisur und nicht wie Barbie auf dem Reiterhof.

»Du bist doch angeblich Stammkundin. Als gute Thekenschlampe sollte ich mir sowas merken, um mehr Trinkgeld zu kassieren.« Luisa stellte das Getränk vor Flix hin, erwartete aber gar nicht sofortige Bezahlung. Sie hoffte aus Gründen, die ihr nicht schlüssig waren, dass Flix länger bleiben würde. Sie wäre eine gute Ablenkung. Auch wenn sie ja eigentlich hundert Prozent ihrer Aufmerksamkeit auf ihre Ermittlungen richten sollte. Irgendetwas in ihr wollte aber gleichzeitig ein bisschen Spaß mit Flix haben.

»Ach so, wie ernüchternd. Gib mir bitte auch noch ein Mineralwasser. Ich will einen klaren Kopf behalten. Vielleicht kann ich dann mein ungestümes Verhalten von neulich wiedergutmachen.« Dem folgte ein fast schon scheues Lächeln, das nichts mit dem bisherigen frechen Grinsen gemein hatte. Flix hatte also auch noch eine andere Seite.

Luisa schenkte ihr ein Wasser ein und stellte es hin. Caro stand schon wieder da und wartete. Sie war etwas ins Hintertreffen geraten mit ihren Getränkebestellungen.

»Dir ist also tatsächlich aufgefallen, dass das nicht so prickelnd war?« Hektisch versuchte Luisa nebenher nachzuarbeiten.

Flix ließ ihr kurz Zeit, mehrere Biere zu zapfen und Caro wieder auf den Weg zu bringen, dann erst antwortete sie. »Ich bin durchaus zur Selbsterkenntnis fähig. So schlimm bin ich auch wieder nicht.« Da war es wieder, das freche Grinsen.

Und Luisa konnte nicht anders. Sie musste kurz zurückgrinsen. »Du hättest mich fast getäuscht.«

Sie stellte ein Schälchen Erdnüsse vor Flix hin und wurde im gleichen Moment schon abgelenkt, als in einer Ecke ein lautes Geschrei losging. Ausgerechnet heute, wenn Alf nicht da war, musste sie wohl ihre erste Schlägerei überstehen. Von Caro, mit der sie die heutige Schicht allein meistern musste, war wohl nicht viel zu erwarten. Sie war geschätzte eins fünfzig groß und wog wahrscheinlich gerade mal vierzig Kilo. Ohne Kleidchen und Absatzschuhe.

Luisa war noch am Überlegen, wie sie das am besten angehen sollte, als sie bemerkte, dass Flix nicht mehr auf ihrem Platz vor der Theke war, sondern sich den beiden streitenden Typen näherte. Lässig und als ob nichts ihr gefährlich werden könnte, stand sie mit ihrem frechen Grinsen vor den beiden Männern und schaffte es mit einem Kommentar, den Luisa über den Kneipenlärm hinweg nicht hören konnte, dass die Streithähne sich mit einem Lachen zu ihr drehten und sich beruhigten.

Da war Luisa baff. Sie musste es zugeben. Ihre Strategie hätte mehr auf der Androhung eines Polizeieinsatzes basiert und danach vielleicht sogar den einen oder anderen Karategriff. Das, was Flix machte, war natürlich viel besser. V

erdutzt sah sie zu, wie Flix mit den beiden Männern schäkerte. Der eine überragte sie um mindestens anderthalb Köpfe und war doppelt so massiv wie sie. Der Kleinere der beiden sah mit seinem ungepflegten Äußeren aber fast noch gefährlicher aus. Er hatte einen brutalen Ausdruck in den kleinen Schweinsäuglein. Bei einem Kampf hätte Luisa ihn keine Sekunde aus den Augen gelassen. Das war der Typ, der einem ein Messer in den Rücken stach.

Flix kam mit einem lässig schlendernden Gang zurück, so übertrieben, dass John Wayne ein Scheiß dagegen war und Luisa sofort wusste, dass das eine Show für sie und alle anderen Zuschauer war. Sie konnte nicht anders, sie musste das selbstgefällige und herausfordernde breite Grinsen erwidern. Diese Flix war wirklich eine Nummer. Eine sehr, sehr gutaussehende Nummer, wie sie gerade noch einmal bei näherer Betrachtung sehen konnte.

»Was war das denn?«, fragte sie und ließ Caros Zettel einfach liegen. Mussten die Gäste eben ein paar Minuten länger warten. Das hier hatte Vorrang. Zwei halbseidene Typen hatten gerade fast für einen Eklat gesorgt. Luisa hätte schwer zu tun gehabt, ihre Tarnung aufrechtzuhalten, wenn es richtig zur Sache gegangen wäre und womöglich die Polizei hätte kommen müssen. Zu viele der Streifenpolizisten kannten sie auch. Das wäre schlecht für sie ausgegangen.

»Ach, nichts weiter«, winkte Flix ganz bescheiden ab, obwohl Luisa ihr anmerken konnte, dass sie schon ein bisschen stolz darauf war, den Streit entschärft zu haben. »Mehmet und Dirk waren sich nicht ganz einig, was ein kleines Geschäft anging. Nichts, was sich nicht ganz schnell lösen ließ.«

Luisa wurde jetzt erst so richtig hellhörig. Das waren genau die Geschichten, auf die sie aus war. »Kleines Geschäft?«, hakte sie nach, ganz wie nebenbei. Sie fing jetzt doch wieder an, ihre Getränkebestellungen zu bearbeiten. Zur Ablenkung, um Flix nicht merken zu lassen, wie sehr sie jedes Wort interessierte, das sie dazu zu sagen hatte....