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Deutsche Herzen - Deutsche Helden

Karl May

 

Verlag e-artnow, 2017

ISBN 9788027301683 , 2547 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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1,99 EUR


 

2


Ich wollte einmal muhamedanische Damen beobachten. Ich schlich mich also vorsichtig näher, von Baum zu Baum und erblickte endlich einen offenen Tummelplatz, welcher von weiblichen Gestalten belebt war. Die Damen hatten die verunzierenden, sackförmigen Oberhüllen abgelegt und bewegten sich in den leichten Hausgewändern, welche die Schönheit der Formen so gut hervortreten lassen.«

»Hm! Wie bei Tschita.«

»Na, gut! Bald hing mein Auge nur noch an Einer. Ich sage Dir – doch, ich kann eben nichts sagen; kurz und gut, sie war ein herrliches Wesen, voller Anmuth und Zierlichkeit, und doch eine Juno von Plastik und Körperfülle. Besonders fielen mir die kleinen Füßchen auf und das weiße, köstliche Händchen, an welchem ein Solitär blitzte, wie ich genau sah, als sie mir einmal näher kam, ohne zu ahnen, daß ein Franke hinter dem starken Baumstamme verborgen sei. Ich war so enthusiasmirt, daß ich das Versteck erst verließ, als sie aufbrachen und zu den Wagen gingen, welche am Rande des Haines gewartet hatten. Ich mußte einen Umweg einschlagen, holte aber dann doch die Wagen ein. Als ich an ihnen vorüberging, wurde das Gespann derselben scheu. Der Führer wurde niedergerissen, und die beiden dummen Thiere rannten mit dem Wagen davon, ich natürlich hinterher. Die Insassinnen schrieen natürlich aus Leibeskräften um Hilfe. Es gelang mir, das eine Thier zu fassen. Ich bin nicht von herkulischen Gliedern, aber Du weißt, daß ich eine Muskelstärke besitze, welche man mir nicht zutraut. Ich brachte die Ochsen zum Stehen. Die Gardinen des Wagens hatten sich gelüftet, so daß also Retter und Gerettete sich gegenseitig erblicken konnten. Ich grüßte und wollte mich entfernen; da aber streckte die Eine der Verhüllten ein feines, weißes, köstliches Händchen aus dem Mantel mir entgegen, und eine süße Stimme sagte:

»Du bist ein Franke; nimm meinen Dank nach der Sitte Deiner Heimath!«

An diesem Händchen blitzte der Solitär. Ich küßte es ein – zwei – drei – erst beim dritten Male entzog sie es mir unter dem leisen Kichern der Andern. Später trennten sich die Wagen in der Stadt. Ich hatte nicht auffällig beobachten wollen, wurde also irre und konnte die Wohnung der Betreffenden nicht erspähen.«

»Jammerschade!«

»Vorgestern nun war ich im Bazar der Musselinhändler. Ich kaufte mir eine Kleinigkeit. Da trat eine Verhüllte herein, um sich Proben vorlegen zu lassen. Das war ganz dieselbe Stimme und auch ganz dasselbe Händchen mit dem Diamantringe. Natürlich konnte ich nicht mit ihr sprechen. Gestern kam ich, da ich sie im Gewühl verloren hatte, auf den Gedanken, wieder nach dem Bazar zu gehen. Kaum war ich eingetreten, so kam auch sie.«

»Ah! Sie interessirt sich also für Dich!«

»Ich empfand eine Freude, eine Wonne, ein Glück, wie ich es Dir gar nicht beschreiben kann. Ich habe die Seligkeit eines solchen Gefühls gar nicht für möglich gehalten. Das Herz besitzt wirklich Tiefen, welche man selbst noch gar nicht kennt. Dir wird es mit Tschita ganz ebenso ergangen sein?«

»Natürlich. Eine Schilderung ist da nicht nur überflüssig, sondern gradezu ein Unsinn. Worte können eben an die Göttlichkeit der Liebe unmöglich reichen. Aber, bitte, weiter! Ich bin ganz außerordentlich gespannt. Hast Du diesesmal mit ihr gesprochen?«

»Ja. Freilich kostete es mich eine nicht ganz unbedeutende Ausgabe, um den Kaufmann für einige Augenblicke bis in den letzten Winkel seines Locales zu entfernen. Da wir Beide jetzt Gütergemeinschaft haben, so befürchte ich, daß Du über diese Ausgabe zornig sein wirst.«

»Fällt mir nicht ein. Ich habe Dir ja gesagt, welche Summe ich von dem Lord erhielt. Weiter!«

»Du bist die Rose vom Thale der süßen Wasser?« flüsterte ich ihr leise zu.

»Nein,« antwortete sie.

»O doch!«

»Nein, nein!«

»Laß mich auf einen Augenblick Dein Antlitz sehen!«

»Du bist kühn, Fremdling!«

»Ich kam nur Deinetwegen hierher. Eine Ahnung sagte mir, daß auch Du kommen werdest. Ich werde Dir heute folgen, um zu sehen, wo Du wohnst.«

»Um Allah’s willen, thue das nicht.«

»Ich werde es unterlassen, wenn Du wiederkommen willst.«

»Ich komme.«

»Dürfte ich doch einmal mit Dir sprechen! Sei barmherzig. Meine Seele schmachtet nach Dir!«

In diesem Augenblicke kam der Kaufmann wieder herbei. Wir hatten unsere Worte ganz leise und in fliegender Eile gewechselt, und doch war die Zeit zu kurz gewesen. Ich hatte keine bestimmte Antwort erhalten. Ich konnte nicht bleiben, ich mußte bezahlen und gehen. Draußen aber beim Nachbar blieb ich stehen, mir scheinbar die ausgelegten Waaren betrachtend. Da trat auch sie heraus. Sie erblickte mich und ging nun ganz hart an mir vorüber.«

»Komme nicht nach!« flüsterte sie mir dabei zu.

Jetzt mußte ich hinter ihr her, und im Vorübergehen raunte ich ihr zu:

»Wenn Du mir morgen sagst, wo ich Dich treffen kann!«

Und als ich dann stehen blieb und sie an mir vorüber ließ, antwortete sie:

»Ich werde es Dir sagen.«

Also hielt ich Wort und folgte ihr nicht. Natürlich war ich außerordentlich gespannt, ob nun auch sie Wort halten werde, und wirklich, sie kam. Aber der Kaufmann hatte Lunte gerochen, er gab uns keine Gelegenheit, ein Wort zu sprechen. Sie aber hatte sich darauf vorbereitet. Sie ließ so, daß ich es sehen mußte, einen Zettel fallen. Natürlich entfiel mir nun mein Taschentuch, und ich hob Beides auf.«

»Was enthielt der Zettel?«

»Hier ist er. Lies!«

Hermann schob dem Freunde den Zettel hin. Darauf stand in lateinischen Lettern aber türkischer Sprache:

»Hermann Wallert Effendi. Komm heute um zehn Uhr nach dem großen Begräbnißplatz zwischen Mewlewi Hane und Topdschiler Keui. Ich bin in der Ecke nach Nordwest unter dem Epheu.«

»Was! Sie kennt Deinen Namen? Das heißt den Namen, den Du hier führst?«

»Nicht wahr, räthselhaft?«

»Aeußerst. Doch das wird sich aufklären. Um zehn Uhr ist nach türkischer Zeitrechnung zwei Stunden vor Sonnenuntergang. Du willst in Frauenkleidern gehen?

»Nein. Eine Frau allein, über den Meeresarm setzen und dann den weiten Weg bis zum Begräbnißplatze, das würde auffallen. Wir besuchen einfach den Kirchhof und nehmen aber den Anzug mit. Geht es ohne Gefahr, so bleibe ich in dieser meiner Kleidung; ist es aber gerathener, so ziehe ich dort den Frauenanzug an. Der Begräbnißplatz gleicht einem Walde. Da giebt es allemal eine verborgene Ecke, um sich dort unbemerkt umkleiden zu können.«

»Auf alle Fälle halte ich Wache. Wenn wir jetzt aufbrechen, kommen wir grad’ kurz vor der angegebenen Zeit hin. Denkst Du nicht?«

»Ja. Rollen wir also den dünnen Anzug wie ein Plaid zusammen; dann läßt er sich ganz unauffällig an einem Riemen tragen.«

Bereits nach eigen Minuten saßen sie in einem Kaik, um sich über das goldene Horn setzen zu lassen.

Diese Kaiks sind lange, schmale, sehr leicht und schnell rudrige Boote, in denen man meist nur nach orientalischer Gewohnheit, das heißt mit untergeschlagenen Beinen sitzen kann. Der Kahn, welchen die beiden Freunde nahmen, war für mehrere Personen eingerichtet und zufälliger Weise der einzige, den es hier an dieser Stelle des Ufers gab.

Eben tauchten die beiden Kaiktschi, wie die Ruderer genannt werden, ihre Ruder in das Wasser, um vom Lande zu stoßen, als ein Mann mit beschleunigten Schritten sich näherte. Er winkte, zu warten. Als er die Landestelle erreicht hatte, fragte er:

»Meine Herren, würden Sie mir wohl gestatten, mit einzusteigen? Ich wünsche, überzufahren, und dies ist nur der einzige Kaik, den ich in diesem Augenblick hier sehe.«

Er trug einen vollständig türkischen Anzug. Darum wunderten sich die Beiden beinahe, daß er seine Bitte im reinsten Französisch ausgesprochen hatte. Seine hohe, breitschulterige Gestalt ließ auf eine große Körperkraft schließen. Sein Anzug war mit echten Borden verziert, und aus seinem Gürtel sahen die goldbesetzten Kolben zweier Pistolen und der mit edlen Steinen ausgelegte Griff eines Messers. Er schien also reich zu sein. Man konnte ihn auf vielleicht dreißig Jahre schätzen. Sein Gesicht war bleich, aber nicht von einer krankhaften Farblosigkeit. In den großen, dunklen Augen lag Geist und Leben, und ein starker, sehr gut gepflegter Schnurrbart gab ihm ein kriegerisches Aussehen. Der Fremde konnte als ein seltenes Beispiel männlicher Schönheit gelten. Er trug keine Handschuhe, und so sah man am kleinen Finger seiner rechten Hand einen Solitär von bedeutender Größe glänzen. Dieser Diamant allein repräsentirte ein nicht unbeträchtliches Vermögen.

Seine Bitte wurde natürlich erfüllt. Er stieg ein. Das Boot schien sich unter dem Gewichte seiner Person tiefer in das Wasser zu senken.

Während der Fahrt wurde kein...