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Rough Love

L. J. Shen

 

Verlag LYX, 2018

ISBN 9783736309043 , 163 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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2,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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KAPITEL 1


Ich flüchtete aus dem Büro der Rektorin und ins Freie, wo mich ein von winterlichen Wolken verhangener südkalifornischer Himmel erwartete. Zorn, Schmach und Selbstekel drangen bis in den letzten Winkel meiner Seele und erfüllten mich mit einer Verzweiflung, die ich um jeden Preis abschütteln wollte.

Ich war am absoluten Tiefpunkt angelangt.

Man hatte mich soeben darüber informiert, dass die All Saints High meinen Vertrag nächstes Jahr nicht verlängern werde, es sei denn, ich legte mich ins Zeug und bewirkte ein Wunder, indem ich meine Schüler in aufmerksame menschliche Wesen verwandelte. Rektorin Followhill behauptete, dass ich null Autorität besäße und mit den Literaturkursen, die ich gab, im Zeitplan zurückläge. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, hatte ich letzte Woche erfahren, dass man mich Ende nächsten Monats aus meiner Wohnung werfen würde. Der Eigentümer hatte beschlossen, sie zu renovieren und anschließend wieder selbst zu nutzen.

Zu allem Übel hatte auch noch der Sexting-Partner, den ich über eine fragwürdige Dating-Website aufgegabelt hatte, mich gerade benachrichtigt, dass er es nicht zu unserer ersten persönlichen Verabredung heute Abend schaffen werde, weil seine Mutter sich weigere, ihm ihr Auto zu leihen.

Er war sechsundzwanzig.

Genau wie ich.

Wählerisch zu sein, war ein Luxus, den sich eine Frau, die seit vier Jahren keinen Sex gehabt hatte, einfach nicht leisten konnte.

Tatsächlich hatte ich, von ein paar kurzen Affären einmal abgesehen, nie eine echte Beziehung gehabt. Überhaupt keine. Mit niemandem. Ballett stand immer an erster Stelle. Vor den Männern und vor mir. Eine Weile dachte ich wirklich, das sei genug. Bis es irgendwann nicht mehr reichte.

Wann war alles den Bach runtergegangen?

Das kann ich euch sagen: Direkt, nachdem ich mit dem College angefangen hatte. Vor acht Jahren war ich an der Juilliard angenommen worden und mein Traum, eine professionelle Balletttänzerin zu werden, somit in greifbare Nähe gerückt. Dafür hatte ich mein Leben lang gearbeitet. Meine Eltern hatten Darlehen aufgenommen, um meine Teilnahme an Tanzwettbewerben zu finanzieren. Jungs hätten für mich nur eine unwillkommene Ablenkung bedeutet. Ich konzentrierte mich ausschließlich darauf, von einem renommierten Ballettensemble in New York oder Europa angenommen und eine Primaballerina zu werden.

Tanzen war mein Ein und Alles gewesen.

Als ich mich von meiner Familie verabschiedete und ihnen von der Sicherheitskontrolle am Flughafen aus zuwinkte, wünschten sie mir Hals- und Beinbruch. Drei Wochen nach Beginn meines ersten Semesters an der Juilliard hatte sich dieser Segenswunsch wortwörtlich erfüllt. Auf dem Weg hinunter zur U-Bahn brach ich mir bei einem grotesken Unfall auf der Rolltreppe das Bein.

Damit musste ich meine Karrierepläne, meinen Lebenstraum an den Nagel hängen und gezwungenermaßen nach Südkalifornien zurückkehren. Nachdem ich mich ein Jahr lang in Selbstmitleid gesuhlt und eine feste Beziehung zu meinem ersten (und letzten) Freund – einem Typen namens Jack Daniels – entwickelt hatte, überredeten meine Eltern mich, eine Laufbahn als Lehrerin anzustreben. Meine Mutter arbeitete in diesem Beruf. Ebenso mein Vater. Und mein älterer Bruder. Sie liebten es zu unterrichten.

Ich hasste es.

Dies war mein drittes Jahr an einer Schule und mein erstes – sowie, in Anbetracht meines Misserfolgs, wohl zugleich letztes – an der All Saints High in Todos Santos, Kalifornien. Rektorin Followhill zählte zu den einflussreichsten Frauen der Stadt. Ihre kultivierte Stutenbissigkeit war Respekt einflößend. Und sie verabscheute mich von Beginn an. Meine Tage unter ihrer Herrschaft waren gezählt.

Als ich auf meinen zwölf Jahre alten Ford Focus zusteuerte, der in der Reihe gegenüber ihrem Lexus und dem monströsen Range Rover ihres Sohns parkte (jawohl, sie hatte ihrem Sohn, einem Zwölftklässler, einen verdammten Luxusgeländewagen gekauft. Wozu brauchte ein Achtzehnjähriger ein dermaßen großes Auto? Damit sein Super-Ego bequem darin Platz fand?), gelangte ich zu dem Schluss, dass meine Situation wohl nicht schlimmer werden könnte.

Aber ich irrte mich.

Ich stieg in meinen Ford und setzte auf dem fast leeren Parkplatz zurück, in Richtung der zwei kostspieligen Symbole für einen Minderwertigkeitskomplex, als mir just in diesem Moment Mr Hotel Mama eine weitere Nachricht schickte. HAB DIE KARRE. LUST, IHR MEHR SEX-APPEAL ZU VERPASSEN?, stand in der grünen Sprechblase, gefolgt von gefühlt dreitausend Fragezeichen.

Ich ärgerte mich.

Wurde unaufmerksam.

Und kollidierte geradewegs mit dem Range Rover von Rektorin Followhills Sohn.

Meine Hände verkrampften sich um das Lenkrad, und mir entfuhr ein entsetztes Keuchen, dann schlug ich mit der Hand auf mein Herz, um zu verhindern, dass es mir aus dem Brustkorb sprang. Scheiße. Scheiße. Scheiße! Der Knall, der in meinen Ohren dröhnte und mein Auto erschütterte, ließ keinen Zweifel offen.

Ich hatte diesem SUV dasselbe angetan, was Keanu Reeves mit dem Film Dracula gemacht hatte: Ich hatte ihn ruiniert!

Der Adrenalinstoß löste eine Kampf-oder-Flucht-Reaktion bei mir aus. Kurz zog ich in Erwägung, das Gaspedal durchzutreten, eine neue Identität anzunehmen, außer Landes zu fliehen und mich in einer Höhle irgendwo in den afghanischen Bergen zu verstecken.

Wie sollte ich für den Schaden aufkommen? Meine Selbstbeteiligung wäre hoch, zudem war gerade eine Mahnung meiner Versicherung ins Haus geflattert, weil mein letzter Beitrag ausstand. War ich überhaupt noch versichert? Rektorin Followhill würde mich lynchen.

Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und stieg aus. Genau genommen durfte Jaimes kostbarer schwarzer Geländewagen gar nicht auf dem Lehrerparkplatz abgestellt werden. Andererseits kam Jaime Followhill aufgrund seines guten Aussehens, seines sozialen Status und seiner mächtigen Eltern mit allerlei Verbotenem ungestraft davon.

Ich ging zum Heck meines Wagens, das in das hintere Viertel der Seitenpaneele des Range Rovers gekracht war und darin eine Delle von der Größe Afrikas hinterlassen hatte.

Überflüssig zu erwähnen, dass die Situation jetzt nicht noch schlimmer werden konnte.

Aber ich irrte mich wieder.

Ich bückte mich und inspizierte den Schaden, ohne mich darum zu scheren, dass dabei mein knielanges braunes Kleid hochgewirbelt und mein neuer Spitzenslip enthüllt wurde. Es war niemand auf dem Parkplatz, der ihn sehen konnte, und ich würde ihn ganz sicher auch nicht heute Abend Mr Hotel Mama präsentieren.

»Oh nein, nein, nein …«, skandierte ich atemlos.

Ich vernahm ein gutturales Knurren. »Wenn Sie sich das nächste Mal so aufreizend vornüberbeugen, Ms G, vergewissern Sie sich, dass ich nicht hinter Ihnen stehe, sonst landet die Geschichte am Ende bei National Geographic unter dem Titel: ›Wenn Raubtiere zuschlagen‹.«

Ich richtete mich langsam auf, rückte meine Lesebrille zurecht und musterte Jaime Followhill.

Er sah aus wie das uneheliche Kind von Ryan Gosling und Channing Tatum (Randnotiz: Das wäre eine großartige Idee für einen schwulen Liebesroman. Ich würde ihn auf jeden Fall lesen.) Blonde, im Nacken zu einem nachlässigen Männerdutt gezwirbelte Haare, türkisblaue Augen und der Körper eines Strippers. Im Ernst, der Kerl war derart gestählt, dass seine Arm-Muckis die Größe von Bowlingkugeln aufwiesen. Er war das wandelnde Klischee eines Abschlussballkönigs aus einem Neunziger-Jahre-Film. Ein Footballspieler, auf den jedes Mädchen an der All Saints High scharf war …

Und jetzt ruhte sein Blick auf mir, als er sich seinem demolierten Wagen näherte.

Er trug ein enges graues Henley-Shirt, das seine Bizepse und Brustmuskeln betonte, schmale dunkle Jeans und High-Top-Sneakers, die so teuer und geschmacklos aussahen, dass kein anderer als P Diddy das Design verbrochen haben konnte. Er hatte mehrere blaue Flecken an den Armen und außerdem ein abklingendes Veilchen. Ich wusste, woher die Blutergüsse stammten. Gerüchten zufolge prügelten er und seine unterbelichteten Kumpels sich an den Wochenenden bei einem Kampfspiel namens Defy gegenseitig windelweich.

Allem Anschein nach war der hübsche Bursche nicht zu reich, um sich herumschubsen zu lassen. Ich fragte mich, ob seine Mutter über Defy Bescheid wusste.

Augenblick mal, hat er mich gerade nach meinem Hamster gefragt? Oder war es etwas über Hamsterbacken?

»Ach du liebes bisschen.« Ein spitzbübisches Grinsen glitt über sein Gesicht, als er wenige Zentimeter vor unseren Autos stehen blieb. Sie sahen aus, als wären sie miteinander verschmolzen. Als würde der Range Rover meinen hässlichen Ford aus seinem Heck hervorpressen und der Lebensgefährte des Geländewagens (sprich Rektorin Followhills Lexus) einen Vaterschaftstest verlangen.

Ich unterrichtete Jaime in englischer Literatur, und er gehörte zu den wenigen Kids, bei denen ich mich darauf verlassen konnte, dass sie ihre Klassenkameraden nicht auslachten, anbrüllten oder mit Zeug bewarfen. Er war beim besten Willen kein guter Schüler, aber er machte mir auch keinen Ärger. Dafür nahm ihn sein Handy viel zu sehr in Anspruch.

»Es tut mir leid.« Ich seufzte gequält und ließ frustriert die Schultern hängen.

Er griff unter den Bund seines Shirts und rieb sich sein perfektes Sixpack. Dabei streckte er sich, während er...