dummies
 

Suchen und Finden

Titel

Autor/Verlag

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Totenbauer - Ein Münsterland-Krimi. Der zweite Fall für Tenbrink und Bertram

Tom Finnek

 

Verlag beTHRILLED, 2018

ISBN 9783732547883 , 387 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

4,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

Derzeit können über den Shop maximal 500 Exemplare bestellt werden. Benötigen Sie mehr Exemplare, nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf.


 

1


Was für ein Reinfall! Was für eine grandiose Zeitverschwendung! Dies war vermutlich der langweiligste und blödeste Urlaub seit der Erfindung der Sommerferien. Daniel hasste seine Eltern dafür, dass sie ihn überredet hatten, gemeinsam mit ihnen und den Große-Daltrups nach Kreta zu fliegen. Nun war er fast drei Wochen lang gezwungen gewesen, in einem schicken, aber verschnarchten Beach Resort am Sandstrand der Nordwestküste abzuhängen und sich zu Tode zu langweilen.

Eigentlich hatte er die Ferien zusammen mit seinen Schulfreunden in einem Jugendlager auf der Nordseeinsel Langeoog verbringen wollen, aber dummerweise hatte er die Anmeldefrist verpasst: Als er die Reise hatte buchen wollen, waren alle Plätze schon belegt gewesen. Anschließend hatte er noch andere Alternativen in Betracht gezogen. Statt mit den Eltern in Urlaub zu fahren, wäre er lieber auf eigene Faust nach London gefahren, wo gerade die Olympischen Spiele stattfanden, oder allein zu Hause geblieben, um die »sturmfreie Bude« auszukosten. Aber sein Vater hatte das strikt untersagt. London sei während Olympia ohnehin völlig ausgebucht, und die sturmfreie Bude komme erst recht nicht infrage. Dann könne er das Haus gleich selbst in Schutt und Asche legen, hatte er gemeint und ums Verrecken nicht mit sich reden lassen.

Schließlich hatte seine Mutter den Vorschlag gemacht, gemeinsam nach Griechenland zu fliegen: Immerhin seien es die letzten Sommerferien vor Daniels Abi - ein letzter Familienurlaub, bevor es ihn »in die weite Welt« hinausziehen würde. So spießig und altmodisch, wie Daniel immer behaupte, seien die Große-Daltrups gar nicht, hatte sein Vater hinzugefügt. Nur weil die Eltern manchmal Plattdeutsch redeten, heiße das nicht, dass sie Hinterwäldler seien. Außerdem sei ja auch Johnny mit von der Partie.

Johnny war der Sohn der Große-Daltrups. Er hieß eigentlich Johannes und war genauso alt wie Daniel. Sie waren Nachbarskinder, hatten aber außer diesem zufälligen Umstand und der gemeinsamen Grundschulzeit so gut wie keine Schnittmengen. Während Daniel aufs Gymnasium ging, hatte Johnny die Realschule besucht und war anschließend auf die Handelsschule gewechselt, um später einmal im Landmaschinenhandel des Vaters zu arbeiten und dieses Geschäft irgendwann zu übernehmen. Johnny war zwar ein Pedant und Langweiler, aber zumindest kein völliger Schwachkopf, auch wenn die Tatsache, dass er aus freien Stücken die Sommerferien mit seinen Eltern verbrachte, dieser Einschätzung fundamental widersprach. Für Daniel war es allerdings ein bis dato ungelöstes Rätsel, weshalb seine Eltern ihren Sommerurlaub ausgerechnet mit den Große-Daltrups verbringen wollten. Angeblich hatte sein Vater mit der Hilfe des Nachbarn irgendein lukratives Geschäft gemacht, das nun mit einem gemeinsamen Urlaub gefeiert werden sollte.

Johnny und seine Eltern waren jedoch nicht der Grund dafür, dass dieser Urlaub sich als ein Fiasko erwiesen hatte. Es war das verdammte Beach Resort … mehr noch, der gesamte verfluchte Urlaubsort, der Daniel auf die Nerven ging! Horrorpolis, wie er das Dorf insgeheim nannte, war ein einziger Albtraum. In der luxuriösen Hotelanlage, die für die Große-Daltrups eigentlich ein bisschen zu kostspielig war, wohnten nur wohlbetuchte Rentner und Scheintote, für die einst der «Tanztee« als größtmögliche Vergnügung erfunden worden war. Und das Kaff selbst - einst ein Fischerdorf, das inzwischen aber mit hässlichen Hotels, Tavernen und Apartmentblöcken zugepflastert war - hatte den Charme einer vorstädtischen Fußgängerzone und lag direkt an der vielbefahrenen Landstraße zwischen Rethymnon und Chania. Beton, Asphalt, Mauerwerk und Pflastersteine, so weit das Auge reichte. Vom ursprünglichen dörflichen Flair war nichts übrig geblieben.

Am schlimmsten aber waren die Leute, die hier Urlaub machten. Entweder waren es russische All-Inclusive-Idioten, die zwar viel Geld, aber keinen Benimm hatten und sich unentwegt wie Neandertaler aufführten, oder englische Proleten, die sich in ihren britisch geführten Pubs mit holländischem Bier betranken und grölend durch die Straßen oder über den Strand wankten. Am Wochenende gesellten sich noch die griechischen Großfamilien aus den umliegenden Städten dazu, die in Schwärmen die schönsten Plätze an der Küste besetzten und sie anschließend als Müllhalden zurückließen. Dass es in den Clubs und Bars regelmäßig zu Schlägereien und Randale kam, lag beinahe auf der Hand. Es war zum Kotzen!

Daniels schlechte Laune hatte aber auch damit zu tun, dass es in Horrorpolis einfach keine coolen oder interessanten Mädchen gab. Jedenfalls keine, die ihrerseits einen siebzehnjährigen deutschen Touristen toll fanden, der obendrein in Begleitung seiner Eltern war. Sowohl die Russen als auch die Engländer blieben grundsätzlich unter sich, bildeten regelrechte Wagenburgen um ihre Frauen und Mädchen, und die deutschen Zombies in den Rentner-Resorts hatten in den seltensten Fällen ihre hübschen Enkelinnen im Gepäck. An Backpacker-Touristinnen war schon gar nicht zu denken: Die waren allesamt an der felsigen Südküste Kretas unterwegs, wo der Pauschal- und All-Inclusive-Tourismus, allein schon wegen der beschwerlichen Anfahrt über die Berge, noch nicht so um sich gegriffen hatte. Kurzum, außer einem kurzen Flirt mit einer deutschen Kellnerin, die er am nächsten Tag in den Armen ihres griechischen Chefs wiedergesehen hatte, war Daniel ohne einen nennenswerten Kontakt zum anderen Geschlecht geblieben.

Und was die Sache noch schlimmer machte: Seitdem seine Freundin ihn vor vier Monaten wegen eines fünf Jahre älteren Jura-Studenten aus Münster verlassen hatte, lebte er wie ein verdammter Mönch, und eigentlich hatte er sich fest vorgenommen, in diesem Urlaub etwas daran zu ändern. Pustekuchen!

Doch bald würde dieser Albtraum enden, denn heute war ihr letzter Abend auf der Insel. Als es auf Mitternacht zuging, lungerten Johnny und er an der Strandpromenade herum, tranken Bier und beobachteten die Engländer, die mit bedröppelten Gesichtern und in volltrunkenem Zustand über das Pflaster torkelten. Die britische Fußballmannschaft war soeben beim Olympiaturnier sensationell im Viertelfinale gegen Südkorea ausgeschieden, und nun wehten über den Pubs, wo das Spiel natürlich in dröhnender Lautstärke übertragen worden war, die Union Jacks quasi auf Halbmast. Sehr zur Schadenfreude der Russen, deren Team sich allerdings erst gar nicht für Olympia qualifiziert hatte. Was sie nicht davon abhielt, die Engländer mit hämischen Gesängen zu verhöhnen. Vermutlich würde es heute Nacht wieder Randale geben.

»Lass uns zurückgehen«, sagte Johnny und warf seine leere Bierdose in einen bereits randvoll gefüllten Mülleimer. »Passiert doch eh nichts mehr.«

»Noch ein Bier im ›Happy Days‹? Ist doch unser letzter Abend.«

»Gibt sowieso nur wieder Stunk mit den Engländern. Außerdem geht unser Flug um acht. In ein paar Stunden müssen wir schon wieder aufstehen.«

»Wir können ja im Flugzeug schlafen«, meinte Daniel, zuckte dann aber mit den Schultern. »Wahrscheinlich hast du recht. Vielleicht kriegen wir noch was in der Hotelbar.«

»Die ist doch längst zu«, entgegnete Johnny und gähnte. »Strand oder Straße?«

»Hab heute keinen Bock, über die Felsen zu kraxeln.« Daniel deutete zur Straße. »Geht schneller.«

Das Beach Resort lag etwa anderthalb Kilometer vom Dorfkern entfernt, und auf dem Weg dorthin sprachen weder Daniel noch Johnny ein Wort. Dafür machten die Singzikaden einen Heidenlärm. Kein Mensch war auf der Straße unterwegs, und nur selten rauschte ein Wagen an ihnen vorbei. Es war ziemlich dunkel, weil das Gebiet zwischen Ortsrand und Hotelanlage kaum bebaut und deshalb nur spärlich beleuchtet war. Als sie etwa fünfhundert Meter vom Hotel entfernt waren, hörten sie auf einmal ein seltsames Würgen aus den Büschen neben der Straße. Es war sogar lauter als das Zirpen der Zikaden. Die beiden schauten sich überrascht an und blieben stehen.

»Was ist das?«, fragte Johnny.

»Da kotzt einer«, antwortete Daniel, dem solche Geräusche nicht unvertraut waren.

»Quatsch!«

Doch Daniel hatte recht, wie sich im nächsten Augenblick herausstellte.

Plötzlich torkelte vor ihnen ein vielleicht sechzehnjähriges Mädchen aus den Büschen, wischte sich mit dem Ärmel ihrer Sweatjacke über den Mund und spuckte auf den Boden. Die Kleine fuhr erschrocken zusammen, als sie aufblickte und die beiden Jungs vor sich stehen sah. »Fuck!«, rief sie, taumelte zurück ins Gebüsch und kippte hinter den Sträuchern um. Hart landete sie auf dem Rücken. Beim Versuch, sich wieder aufzurappeln, fiel sie zur Seite und blieb auf dem sandigen Boden liegen.

Die beiden Jungs gingen zu ihr hin.

»Ach, du Scheiße!«, rief Daniel und lachte erschrocken auf.

»Was ist denn mit der los?«

»Was soll sein? Die ist...