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VT-Berichte an den Gutachter - Kompakte Beispiele nach der neuen Psychotherapie-Richtlinie

Esther Bockwyt

 

Verlag Schattauer, 2018

ISBN 9783608191318 , 147 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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29,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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3 Kurzer theoretischer Abriss: Erstellen eines gelungenen Berichts


3.1 Übergeordnete Qualitätsmerkmale


Im Grundlagenbuch wurde eine Vorgehensweise zur Erstellung des Berichts an den Gutachter vorgestellt, die sich an wichtigen übergeordneten Qualitätsmerkmalen orientiert. Diese Merkmale gelten auch nach den Modifikationen des Gutachtersystems weiterhin, wenn nicht gar in besonderem Maße.

Die Anforderung, den Bericht auf i. d. R. zwei DIN-A4-Seiten darzustellen, ist nicht zwangsläufig eine Erleichterung, da die Herausforderung darin besteht, die Individualität des Patienten sehr komprimiert abzubilden. Hierbei muss dann ein angemessener Grad an Genauigkeit der Informationen gefunden werden.

Übergeordnete Qualitätsmerkmale im Bericht an den Gutachter
  • Die Validität/Gültigkeit/Richtigkeit der Aussagen: Die Aussagen, die wir über den Patienten treffen, müssen richtig sein/zutreffen.
  • Die Reliabilität/Genauigkeit/Präzision der Aussagen: Die Aussagen, die wir über den Patienten treffen, sollten einen gewissen Grad an Genauigkeit aufweisen. Genauigkeit geht häufig einher mit Konkretisierung.
  • Die Spezifität der Aussagen: Das Wort spezifisch bedeutet „arteigen“ und beschreibt charakteristische Eigenschaften von Dingen oder Lebewesen, es wird daher auch mit „Besonderheit“ gleichgesetzt. Unsere Aussagen über den Patienten sollten spezifisch sein, also die Besonderheiten des Patienten deutlich machen.
    • Differenzierung: Eng verbunden mit der Spezifität, also mit dem Herausstellen des Besonderen, ist die Differenzierung. Differenzierung meint das Herausarbeiten von Unterschiedlichkeit. Wir nehmen im Bericht und in der Analyse die Differenzierung von anderen Personen oder Patienten nicht explizit vor, aber implizit durch unsere Spezifizierung der Aussagen.

Die dargestellten und kurz erläuterten Qualitätsmerkmale sollen im gesamten Bericht bei allen einzelnen Unterpunkten zur Anwendung kommen. Es entsteht dann ein Bericht, der nicht nur präzise, sondern auch in sich schlüssig, d. h. widerspruchsfrei ist, bei dem ein roter Faden zu erkennen ist.

Dieser rote Faden im Bericht ist neben den oben genannten drei übergeordneten ein weiteres wichtiges Qualitätsmerkmal. Mit dem roten Faden ist gemeint, dass der gesamte Bericht in sich schlüssig und widerspruchsfrei sein sollte. Denn nicht nur zwischen den einzelnen Berichtsteilen, sondern auch innerhalb eines solchen Berichtsteils können Widersprüche entstehen, die durch eine richtige, genaue und spezifische Arbeitsweise verhindert werden sollen. Der Widerspruchsfreiheit oder internen Konsistenz des Berichts kommt also eine wesentliche Bedeutung zu.

Ein weiteres Merkmal betrifft darüber hinaus die Vermeidung von Redundanz. Da wir gehalten sind, eine Vielzahl von uns vorliegenden Informationen für ein ca. zweiseitiges Kurzgutachten zu komprimieren, macht es Sinn, Wiederholungen derselben Inhalte zu vermeiden und stattdessen wichtige Informationen genauer darzustellen.

3.2 Lebensgeschichte und Makroanalyse


Eine neue Herausforderung durch die geänderten Anforderungen an den Bericht ergibt sich insbesondere in Punkt 4, in welchem lebensgeschichtliche Aspekte inkl. der Krankheitsanamnese mit dem funktionalen Bedingungsmodell bzw. der Verhaltensanalyse zusammengefügt werden. Es bieten sich hier prinzipiell zwei Möglichkeiten der Herangehensweise.

Die erste Möglichkeit ist, das gewohnte Prinzip beizubehalten und nach wie vor deskriptive Informationen der Lebensgeschichte und Krankheitsanamnese den interpretativen Informationen der Verhaltensanalyse voranzustellen. Damit hält man die Bereiche weiterhin getrennt, nun allerdings nicht mehr in zwei unterschiedlichen Gliederungspunkten, sondern in einem Unterpunkt des Berichts. Der Vorteil dieser Variante ist die Übersichtlichkeit und auch eine geringe Anforderung an den Ersteller der Verhaltensanalyse. Diese lässt sich leichter erstellen, nachdem man die Informationen deskriptiv zusammengefasst und sich selber vor Augen geführt hat. Wenn man diesen Schritt nicht explizit tut, muss man ihn in jedem Falle im Kopf durchführen. Der Nachteil dieses Vorgehens kann allerdings sein, dass sich redundante Informationen ergeben, was sich auch auf die Länge des Berichts auswirkt.

Die zweite Möglichkeit ist die Integration bzw. Einflechtung der anamnestischen Daten in die Verhaltensanalyse. Hierbei muss darauf geachtet werden, dass alle relevanten Informationen der Lebensgeschichte integriert werden. Es besteht sonst die Gefahr, dass man deskriptive Informationen übersieht und dadurch entweder analytische oder aber deskriptive Informationen insgesamt zu kurz kommen. Um letzteres Problem abzumildern, empfiehlt sich beispielsweise, wenige markante Zitate des Patienten einzuflechten, sodass auch der Patient noch zu Wort kommt und die Schlussfolgerungen, die gezogen werden, nachvollziehbar werden. Die zweite Möglichkeit bietet insgesamt den Vorteil, dass sich Redundanzen vermeiden lassen, sie ist aber in meinen Augen deutlich anspruchsvoller.

Je nach Patient mag die eine oder die andere Vorgehensweise geeigneter sein.

Zwei Varianten zur Kombination von Lebensgeschichte und Verhaltensanalyse

In Punkt 4 des Berichts kann die Kombination von lebensgeschichtlich-deskriptiven Informationen und analysierenden Elementen auf zwei Arten geschehen:

  1. Darstellung nacheinander
  2. Integration der deskriptiven Informationen in die Verhaltensanalyse

Um die anspruchsvollere Variante 2 umzusetzen, ist es hilfreich, ein Schema der Vorgehensweise zu nutzen. Das im Grundlagenbuch vorgestellte Schema – der Analyseprozess der Makro-Verhaltensanalyse – eignet sich hierfür sehr gut, da er schrittweise und – zeitlich gesehen – von vorn nach hinten vorgeht und hierdurch eine gute Übersichtlichkeit gewährleistet. Dieses Schema berücksichtigt in chronologischer Reihenfolge Aspekte von den kindlichen Bedingungen über Persönlichkeitseigenschaften zur Aktualgenese der aktuellen Symptomatik bis zu den Verstärkungsbedingungen.

Der Analyseprozess der Makro-Verhaltensanalyse
  1. Analyse von genetisch oder pränatal bedingten Vulnerabilitätsfaktoren
  2. Analyse der kindlichen, biografischen Situation
  3. Analyse der innerpsychischen Auswirkungen der biografischen Situation in der kindlichen Situation („innerpsychischer Niederschlag“)
  4. Analyse der Auswirkungen der kindlichen Situation und des innerpsychischen Niederschlags auf die kindlichen Verhaltensweisen zum Umgang mit der kindlichen Situation.
  5. Analyse der Auswirkungen der kindlichen Erfahrungen auf die Entwicklung der Persönlichkeit sowie auf die Gestaltung der verschiedenen Lebensbereiche inkl. Kompensationsmöglichkeiten
  6. Identifikation von aktuellen und früheren Auslösebedingungen und deren Auswirkungen auf das Erleben (und Verhalten) des Patienten (Aktualgenese), bei chronifizierter Symptomatik Identifikation von Lebensbedingungen, welche die Symptomatik aktuell verstärken
  7. [Identifikation der Symptomatik auf den Ebenen Kognition, Emotion, Motorik, Physiologie und deren Entwicklungsverlauf]
  8. Analyse von Konsequenzen, individueller und interaktioneller Funktionalität, Verstärkung und Aufrechterhaltung des Verhaltens/der Symptomatik
    • 8.1 Analyse von kurzfristigen Konsequenzen, individueller und interaktioneller Funktionalität, Verstärkung und Aufrechterhaltung des Verhaltens/der Symptomatik
    • 8.2 Analyse von langfristigen Konsequenzen, individueller und interaktioneller Funktionalität, Verstärkung und Aufrechterhaltung des Verhaltens/der Symptomatik sowie von Teufelskreisen und Abwärtsspiralen
  9. [Identifikation von Verhaltensaktiva, Ressourcen, Selbsthilfemöglichkeiten und -strategien, Bewältigungsfähigkeiten, ungestörten Verhaltensbereiche und subjektivem Krankheitsverständnis]

Anmerkung: In Klammern [ ] sind die nach PTV 3 nicht mehr für die Verhaltensanalyse relevanten Inhalte gesetzt.

Man kann nun die Inhalte dieses Analyseprozesses mit den entsprechenden Variablen der Verhaltensanalyse (inkl. dem S-O-R-K-C-Modell; Kanfer u. Saslow 1974) sowie möglichen korrespondierenden Inhalten aus der Lebensgeschichte und Krankheitsanamnese verbinden. Tabelle 3-1 zeigt dabei auf, an welchen Stellen der Verhaltensanalyse die einzelnen Inhalte der Lebensgeschichte „auftauchen“ können. Manche der Inhalte sind an mehreren Stellen genannt, sie können, müssen aber nicht dort relevant sein. So ist beispielsweise die berufliche Entwicklung am ehesten bei der O-Variable einzuordnen, nämlich der Gestaltung der einzelnen Lebensbereiche, kann aber auch als S-Variable eine Rolle spielen, wenn berufliche Gründe im Rahmen der Krankheitsentwicklung, der Auslösesituation oder auch bei langfristigen Konsequenzen der Symptomatik im Sinne einer aufrechterhaltenden Variable relevant sind. Und manche der anamnestischen Informationen können auch außerhalb der...