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Parceval - Seine Jagd beginnt - Thriller

Chris Landow

 

Verlag Blanvalet, 2018

ISBN 9783641218744 , 400 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR


 

2

Emir Yaviz, geprüfter Meister für Schutz und Sicherheit (IHK) und Angestellter der P.S.B. GmbH (das P.S.B. stand für Protection Services Berlin), seufzte. Irgendwann war es einfach nicht mehr lustig, an einen PKW heranzutreten, der nachts auf dem menschenleeren Busparkplatz des Flughafens Berlin Brandenburg stand, beschlagene Scheiben hatte und rhythmisch schaukelte. Irgendwann war es auch nicht mehr lustig, an die Seitenscheiben zu klopfen und mit der Taschenlampe ins Innere des Wagens zu leuchten und dort live eine Szene aus einem Amateurporno zu sehen, die Augen überrascht aufgerissen und mit erschrockenen Gesichtern.

Unter den Kollegen, die hier Streife gingen, hatte der Name »Verkehrsflughafen« mittlerweile eine ganz eigene Bedeutung.

Der Wagen, den sie heute hier etwas abseits der beleuchteten Zufahrtsrampe kontrollierten, war ein stiller, dunkler Schatten mit geschwungenen, großzügigen Formen.

»BMW 750Li xDrive«, sagte Maik Wenzke. Er war heute Nacht Emirs Begleiter im Streifendienst. »Hatten wir noch nicht, eh? Sonst sind’s immer nur kleine Kisten. Wieso hat ’n Typ, der so ’ne Karre fährt, kein’ Platz daheim, um seine Schlampe dort zu vögeln?«

»Weil da die Alte auf ihn wartet«, knurrte Emir.

»Ey, echt, Mann«, sagte Maik. »Gleich komm’ mir die Tränen.«

Emir betrachtete den Wagen. Irgendetwas stimmte nicht, aber er hätte den Grund für sein komisches Gefühl nicht benennen können. Wahrscheinlich war es tatsächlich der Umstand, dass auch er keinen Wagen dieser Klasse hier erwartet hätte. Die bisherigen Schäferstündchen, denen sie ein Ende gesetzt hatten, hatten in deutlich billigeren fahrbaren Untersätzen stattgefunden.

»Bist du dir sicher wegen der Marke?«, fragte er Maik. »Auf die Entfernung? Man sieht doch kaum was.«

»BMW 750Li xDrive«, wiederholte Maik. »Mann, ich kenn mich aus, ja?«

Der einsame Wagen war von dunkler Farbe, so viel ließ sich feststellen. Ein paar Chromteile glitzerten. Er stand in seiner eigenen schwarzen Schattenpfütze, als würde er sich an den Boden schmiegen.

»Was machen wir?«, fragte Maik.

»Wir gehen hin und sagen ihnen, sie sollen woanders weiterpoppen«, seufzte Emir.

»Mann, eigentlich hätten wir in fünf Minuten Schichtende!«

»Dann überziehen wir eben ’ne Viertelstunde.«

»Wer zahlt mir das, eh? Zahlst du mir das? Wer zahlt dir das, Mann?«

Emir Yaviz zögerte. Die eigentliche Frage war: Warum sich die ganze Arbeit machen? Man musste das Kennzeichen notieren, sich entweder blöd anreden oder bedrohen lassen, in der Schichtstube musste man ein Formular ausfüllen, und was passierte dann? Nichts. Ein Haufen Arbeit für nichts. Nicht, dass Emir es sich gewünscht hätte, dass den Leuten irgendwelche Schwierigkeiten entstanden. Hey, er hatte schließlich auch schon im Auto rumgevögelt!

Er zögerte aber auch, weil er immer noch das Gefühl hatte, irgendetwas stimmte nicht. Es war nicht der Umstand, dass der Wagen ganz still stand. Es gab einen Haufen Dinge, die man miteinander anstellen konnte auf dem Rücksitz so einer Limousine, ohne sich heftig bewegen zu müssen.

Er schüttelte den Kopf und versuchte, das Gefühl abzuschütteln. »Wir haben die Karre nicht gesehen«, beschloss er dann. »Die sind erst hierhergekommen, nachdem wir schon vorbei waren.«

»Sag ich doch«, bekräftigte Maik.

Sie wandten sich ab und stapften ein paar Schritte weiter. Dann drehte Emir sich doch noch mal zu dem Wagen um und blieb stehen. Er fingerte nervös an seiner Taschenlampe herum. Je länger er das Fahrzeug betrachtete, desto unnatürlicher schien es ihm. Zuerst war es nur ein Gefühl gewesen, das man hatte, wenn man etwas aus dem Augenwinkel wahrnahm. Etwas war unstimmig, eine so nebensächliche Kleinigkeit, dass man sie übersah, wenn man direkt hinblickte, weil der Mensch, wenn er etwas aus dem Augenwinkel betrachtete, es nicht nur mit den Augen, sondern vor allem mit seinem Fluchtreflex wahrnahm, und dieser Reflex erkannte Dinge, die das normale Bewusstsein nicht registrierte.

Emir klickte die Taschenlampe an. Der Strahl reichte nicht bis zu dem Fahrzeug, aber er beleuchtete den Weg bis dorthin und ließ die gelb-grünen Bushaltestellenschilder aufglimmen.

»Echt jetzt, Mann!«, stöhnte Maik.

»Ich schau doch mal kurz nach«, murmelte Emir. »Du bleibst hier.«

Plötzlich schwitzend, schlich Emir auf den BMW zu. Sein Herz schlug bis zum Hals. Er drehte sich zu Maik um, aber der stand nur da und strahlte Ungeduld und Genervtheit aus. Auf einmal hatte Emir das Gefühl, dass sich genau jetzt, während er nicht hinsah, etwas bei dem Fahrzeug bewegte. Er fuhr so schnell herum, dass es ihm einen Stich ins Genick versetzte. Nichts an dem BMW hatte sich verändert, er stand einfach nur da, schweigend und sich an den Boden kauernd. Der Wagen konnte alles Mögliche sein, von einer Sprengfalle bis zu einem Versteck, in dem vier Killer der Russenmafia darauf warteten, ihm den Kopf von den Schultern zu pusten.

Warum zum Teufel kam er jetzt ausgerechnet auf so etwas?

»Hier ist der Sicherheitsdienst«, quiekte er, als er auf fünf Schritte herangekommen war. Scheiße, Mann! Wie ein Auszubildender im ersten Lehrmonat! Er räusperte sich. »Hier ist der Sicherheitsdienst des Flughafens Berlin Brandenburg!«, rief er dann. »Öffnen Sie die Tür.«

Mittlerweile war er nahe genug heran, um zu sehen, dass der Wagen getönte Scheiben hatte. Weder wurde eine davon heruntergefahren, noch öffnete sich die Tür.

Emir hob die Taschenlampe und leuchtete in die Wagenfenster, aber die Tönung schluckte das Licht. Der Lichtkegel der Taschenlampe wanderte über die Flanke des BMW, die Reifen … Emir starrte.

Das war es, was ihm vorher aufgefallen war: Das Auto hatte an der linken Seite zwei Platten. Deshalb schmiegte es sich so unnatürlich flach an den Boden. Und da es nicht schräg stand … Er wanderte zur rechten Seite hinüber. Auch dort war die Luft aus den Reifen, und sie sahen nicht so aus, als hätte sie jemand aufgestochen, sondern als wären sie förmlich geplatzt. Der BMW konnte auf diesen zerfetzten Pneus keinen Meter weit gefahren sein, ohne die Felgen völlig zu zerstören. Die Reifen mussten hier, an der Stelle, an der er stand, geplatzt sein. Was konnte vier Reifen auf einmal zum Bersten bringen?

Emir holte tief Luft und näherte sich der Fahrertür. Nun entdeckte er, dass sie an der Unterkante aufgeklafft war. Etwas war herausgeronnen. Er schluckte und richtete den Taschenlampenstrahl darauf. Es war eine grobporige, helle Substanz, die auf dem Boden kleine flache, überlappende Teller gebildet hatte, wie ausgelaufenes Wachs.

Emir packte die Taschenlampe mit einer plötzlich schwitzigen Hand fester und klopfte dann mit dem Batteriefach der Lampe gegen die Scheibe.

»Was’n da los bei dir, ey?«, rief Maik. »Hör’n die Wichser nich, oder was?«

Emir klopfte fester. In der Dunkelheit sah er undeutlich sein eigenes Spiegelbild, verzerrt und gestaucht von der leichten Wölbung der Scheibe. Er beugte sich über die Motorhaube und spähte durch die Windschutzscheibe. Auch sie war getönt, als gehöre die Karre irgendeinem verdammten Rockstar oder Politiker. Aber wem sie auch gehörte, sie stand still, ganz still auf ihren zerplatzten Pneus, und die Wagenfarbe, aus der Nähe ein dunkles Kaffeebraun, sah aus wie geronnenes Blut.

Er sollte die Polizei benachrichtigen.

Aber verdammt nochmal, die Karre stand in ihrem Revier! Die Polizei ließ die privaten Sicherheitsdienste ihre Verachtung oft genug spüren. Am Ende pennte dort drin bloß seinen Rausch aus, und die Beamten würden Emir und seine Meldung auslachen und der Firma eine satte Rechnung für den Einsatz zusenden. Emir stellte sich vor, dass er seiner Chefin zu erklären versuchte, wie die Rechnung zustande gekommen war. In eine solche Situation mit dem Miststück von Chefin wollte er garantiert nicht hineingeraten.

Emir klopfte erneut an die Scheibe und drosch zugleich mit der flachen Hand aufs Dach des BMW.

Keine Reaktion außer der Stille, die noch etwas stiller geworden schien.

»Scheiße«, murmelte Emir. Er war nun überzeugt, dass etwas ganz und gar nicht stimmte.

Er versuchte, die Fahrertür zu öffnen. Abgesperrt. War das die Erklärung dafür, dass sich dort drin nichts rührte? Weil niemand drinsaß? Aber Emir betrachtete die erstarrte Pfütze auf dem Boden und wusste, dass einfache Erklärungen hier nicht anzuwenden waren.

Er stellte sich so hin, wie er es einmal gelernt hatte, packte die schwere Maglite-Taschenlampe am Kopf und drosch mit dem verstärkten Ende des Batteriefachs auf die Scheibe ein. Nach drei Versuchen blühte ein Spinnennetzmuster auf. Er schlug noch einmal zu. Die Scheibe fiel in Hunderten von achteckigen Splittern Verbundglas in sich zusammen. Emir sprang zurück. Auf dem Fahrersitz saß jemand. Reglos.

»Sicherheitsdienst!«, rief er. »Steigen Sie sofort aus!«

Die Person gab keinen Mucks von sich.

»Bist du irre geworden?«, hörte er Maik rufen. »Mann, ey, du bringst uns so was von in Verschiss!«

Emir klickte die Taschenlampe an. Er keuchte erschrocken auf. Das Licht erfasste eine schwarze, amorphe Gestalt, ein Ding ohne Gesicht, ohne Arme, ohne … Er blinzelte. Über den Oberkörper eines Menschen hatte man einen schwarzen Sack gezogen.

»Hallo?«, fragte Emir. »Sicherheitsd…« Er verstummte. »Hallo?«, wiederholte er dann nach ein...