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Cross my Heart - Von dir gefunden

L. H. Cosway

 

Verlag LYX, 2018

ISBN 9783736309463 , 115 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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3,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

Derzeit können über den Shop maximal 500 Exemplare bestellt werden. Benötigen Sie mehr Exemplare, nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf.


 

1


Life on Mars?

Immer wenn ich traurig war, sah ich mir das Video zu Dancing in the Street an, und zwar die Version ohne Musik.

Bitte was?

Es war einfach die perfekte Medizin gegen Depri-Stimmung.

Danach sah ich mir dann die Originalversion an – das ultimative Leckerli für Sonderlinge wie mich. Bowie war mein Guru, mein ständiger Begleiter, mein unsichtbarer Freund. Jedes Mal, wenn er seinem Grab entstieg und mich besuchte, trug er eine andere seiner zahlreichen Verkleidungen.

Böse Zungen würden behaupten, das sei der Grund dafür, dass ich in der Gosse gelandet war, aber die konnten mir mal die glänzenden Ziggy-Stardust-Stiefel küssen. Okay, das ist eine Lüge. Ich besaß gar keine glänzenden Ziggy-Stardust-Stiefel. So viel Glück war nur den wahrlich Gesegneten gegönnt. Was ich jedoch hatte, war ein so großer Wissensschatz über Bowie und seine tollkühne, verrückte Lebensphilosophie, dass ich damit eine ganze Enzyklopädie hätte füllen können.

Wusstet ihr zum Beispiel, dass David (ich hatte das Gefühl, ihn gut genug zu kennen, um ihn beim Vornamen nennen zu dürfen) in seinem Fan-Forum unter dem Pseudonym »Matrose« Kommentare verfasst hatte? Er fand es toll, wenn die Leute ihn mit »Hallo Matrose« begrüßten.

Diese kleinen Leckerbissen gaben mir die Kraft weiterzumachen. Ich weiß, irgendwie traurig. Doch wenn man zwanzig Jahre alt und obdachlos ist und sich mit Tellerwaschen über Wasser hält, dann sind es die kleinen Dinge, die einem Hoffnung geben.

Für mich war das Glas immer halb voll, nie halb leer. Das musste es auch, denn sonst hätte man mir gleich die Crack-Pfeife reichen können.

Als vor dem Haus, das ich gerade besetzte, ein Auto hupte, sprang Mr Hector augenblicklich vom Schlafsack auf und machte sich aus dem Staub. Der kleine Feigling. Mr Hector war mein streunender Kater. Er gehörte mir nicht wirklich, kam nur ab und zu vorbei. Ich hatte ihn nach dem Concierge in »Kevin – Allein in New York« benannt, weil er genauso hochmütig und versnobt war wie er, und er hatte sogar den gleichen Gesichtsausdruck.

Ja, auch Katzen haben Gesichtsausdrücke.

Zumindest bildete ich es mir gern ein – ich hatte wirklich eine blühende Fantasie, daher auch die eingebildeten Besuche von Bowie. Der saß gerade auf dem bröckeligen Fenstersims und sah hinunter auf den toten, vergessenen Teil Londons.

»Wahrscheinlich werden sie das Viertel demnächst gentrifizieren«, seufzte Bowie und ließ seine Kristallkugel von der einen Hand in die andere gleiten. Heute Morgen war er Jareth, der König der Goblins. »Was machst du dann?«

»Bis dahin habe ich genug Geld, um mir eine Wohnung mieten zu können«, erwiderte ich.

»Aber du hast keine Vorvermieterbescheinigung. Heutzutage braucht man für alles Bescheinigungen. Wir leben nicht mehr in den Siebzigern«, fuhr er fort und hob eine geschwungene, säuberlich gezupfte Augenbraue.

Verdammter imaginärer Bowie. Muss mich immer auf meine Schwachstellen hinweisen.

»Wirklich schade. Ansonsten wäre ich mit dir und Iggy Pop nach Berlin gezogen.«

Er hielt inne. »Dieser Lifestyle wäre nichts für dich.«

Ich starrte ihn an und machte eine ausladende Geste. »Ähm, hallo, ich lebe in einem besetzten Haus. Ich komme mit jedem Lifestyle klar. Außerdem finde ich bestimmt jemanden, der mir seine Wohnung vermietet. Vielleicht drückt jemand ein Auge zu, wenn ich bar zahle.«

Bowie wirkte nicht überzeugt. Mr Hector, der nun in der Zimmerecke saß und sich den Hintern leckte, übrigens auch nicht.

Ich sah auf meinen gesprungenen, aber immer noch funktionstüchtigen Wecker und stand auf. In zwei Stunden würde meine Schicht in der Futterstelle beginnen, und nachdem ich an mir gerochen hatte, beschloss ich, dass es Zeit war, mich zu waschen. Dafür ging ich immer ins Schwimmbad und benutzte dort die Duschen.

Bitte denkt jetzt nicht schlecht von mir. Ich tat, was ich tun musste.

Das Eintrittsgeld konnte ich mir nur zwei Mal pro Woche leisten. Höchstens drei Mal. An den anderen Tagen benutzte ich die Toilette im Restaurant, oder ich wusch mich mit einer Flasche Wasser. Hier im Gebäude gab es weder fließendes Wasser noch Strom. Wenn es abends dunkel wurde, zündete ich die Kerzen an, die ich im Laufe der Zeit gesammelt hatte.

Ich verabschiedete mich von Bowie und Mr Hector und machte mich auf den Weg. Seit drei Monaten lebte ich in dem leer stehenden Haus. Bisher hatte ich noch keinen Besuch von der Polizei bekommen. Aber natürlich konnten sie jederzeit auftauchen. Ich brauchte dringend eine Ausweichmöglichkeit, aber ich war so mit Arbeiten beschäftigt und damit, mein Revier gegen Junkies zu verteidigen, dass ich keine Zeit hatte, über einen Plan B nachzudenken.

Meine Geschichte war ziemlich typisch. Als ich vierzehn Jahre alt war, starb meine Mutter an einer Überdosis, danach kam ich in eine Pflegefamilie. Seit ich volljährig war, schlug ich mich allein durch, so gut es eben ging.

Ich wusste, dass nicht plötzlich jemand auftauchen und mir ein Zuhause geben würde. Ich musste darum kämpfen – und Arbeit war der einzige Weg. Hoffnung ist eine treibende Kraft. Solange ich an meiner Hoffnung und positiven Einstellung festhielt, wusste ich, dass sich meine Situation irgendwann bessern würde. Musste.

Als ich meine Arbeitsstelle erreichte, war mein Haar noch immer ein wenig feucht. Mein Chef, Lee, war ein toller Typ. Als ich ihn nach einem Job gefragt hatte, hatte er mich nur kurz angesehen und sofort gespürt, dass ich verzweifelt war. Vielleicht war er früher in einer ähnlichen Situation gewesen. Vielleicht war er auch einfach nur ein guter Mensch, jedenfalls hatte er mich nicht sofort zum Teufel gejagt, als ich ihm gesagt hatte, dass ich ihm keine Adresse nennen konnte. Stattdessen meinte er, er würde ein Auge zudrücken, solange ich pünktlich zu meinen Schichten erschien und meine Arbeit gut machte.

Ich hatte ein schlechtes Gewissen, dass ich während der Schichten meinen iPod im Pausenraum auflud. Ich hatte ihn zum dreizehnten Geburtstag bekommen und hütete ihn wie meinen Augapfel. Es war das letzte Geschenk gewesen, das ich von meiner Mutter bekommen hatte. In langen, kalten Nächten gab er mir ein Gefühl von Wärme.

Ich brauchte kein Zuhause.

Ich brauchte keine Familie.

Aber ich brauchte meine Musik.

Zum Glück durften wir während der Arbeit in der Küche Musik hören, so ging die Zeit viel schneller vorbei.

Ich trug gerade einen Stapel Teller in die Küche, als ich ihn in seiner Polizeiuniform sah. Mein Puls beschleunigte sich, und ich versteifte mich. Das passierte jedes Mal, wenn er reinkam. Aus irgendeinem Grund konnte ich mich nicht an seine Anwesenheit gewöhnen. Eigentlich ergriff ich vor Polizisten immer die Flucht. Aber in diesem Fall wusste ich, dass er nicht wegen mir hier war.

Liam Cross war der kleine Bruder meines Chefs. Lee erzählte immer voller Stolz, dass er seine Ausbildung beendet hatte und nun Polizeibeamter war. Gut für ihn, für mich eher weniger. Ich erwischte ihn häufig dabei, wie er mir misstrauische Blicke zuwarf.

Dass er zudem der attraktivste Mann war, den ich je gesehen hatte, machte die Sache nicht unbedingt besser. Kurzes hellbraunes Haar, Augen, die blauer waren als der Ozean, und ein athletischer Körper, der wohl jede Frau verzückte.

»Entschuldigung«, murmelte ich, ohne ihn anzusehen.

Er stand im Gang, der zur Küche führte, und versperrte mir den Weg. Als er sich zu mir umdrehte, nahm ich in seinen Augen ein Funkeln wahr, das aber umgehend einem neutralen Gesichtsausdruck wich.

»Sorry, nur zu«, erwiderte er und ging zur Seite.

»Danke«, brachte ich gerade noch hervor und eilte in die Küche.

Dann stand ich wieder am Waschbecken, spülte Teller und versuchte, meine Nerven zu beruhigen. Warum machte Liam Cross mich so nervös? Klar, er war Polizist, aber Lees Frau war ebenfalls Polizistin, und sie machte mich nicht derart hibbelig. Ich hatte das Gefühl, dass er mich ständig beobachtete und nur darauf wartete, dass ich einen Fehler machte. Dabei versuchte ich immer, mich so unauffällig wie möglich zu verhalten.

Hatte Lee ihm von meinem ungewöhnlichen Angestelltenverhältnis erzählt?

Nein, ich konnte mir nicht vorstellen, dass er so was tun würde. Er wusste nicht, dass ich obdachlos war. Wahrscheinlich dachte er, ich würde bei Freunden auf dem Sofa schlafen, bis ich genug Geld für eine eigene Wohnung hatte. Und irgendwie stimmte das ja auch zum Teil.

»Iris.«

Ich erstarrte. Es war er. Warum redete er mit mir? Er hatte noch nie mit mir geredet.

Ich schloss den Wasserhahn und drehte mich langsam zu ihm um. Mein Gott, wie schön er war. Aus der Nähe war es sogar noch schlimmer. Obwohl ich der Polizei immer so gut wie möglich aus dem Weg ging, konnte ich nicht leugnen, dass die Uniform irgendwie sexy war. Zumindest an ihm.

»J-ja?«, stammelte ich und trocknete mir die Hände an der Schürze ab.

Einen Moment lang sahen wir uns in die Augen. Hoffentlich merkte er nicht, dass mir Gänsehaut die Arme hochgekrochen war. Er ließ den Blick nach unten zu meiner Nase wandern und weiter zu meinem Mund. Die Art, wie sich seine Augen verdunkelten, ließ mich ein wenig zittern. Ich zitterte? Mist!

Er räusperte sich. »Tisch neun hat was verschüttet. Lee fragt, ob du das aufwischen...