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Zukunftsperspektiven im theologisch-naturwissenschaftlichen Dialog
Patrick Becker, Ursula Diewald, Georg Gasser
Verlag Vandenhoeck & Ruprecht Unipress, 2011
ISBN 9783647569574 , 431 Seiten
Format PDF, OL
Kopierschutz Wasserzeichen
"Die Autorität der Wissenschaft und Probleme ihres Transfers (S. 367-368)
Armin Kreiner
In der Debatte zwischen Atheismus und Gottesglaube spielt die Berufung auf die Autorität der Naturwissenschaften bzw. -wissenschaftler/innen1 eine bemerkenswerte, gleichwohl aber nicht klar definierte Rolle. Atheistischerseits wird einerseits das wissenschaftliche Weltbild als schlagendes Argument zugunsten der These angeführt, dass die traditionellen religiösen Weltbilder als überflüssig oder widerlegt zu betrachten seien (vgl. z. B. Stenger 2007).
Andererseits wird die angeblich a- oder antireligiöse Einstellung der überwiegenden Mehrheit der scientific community zur Untermauerung religionskritischer Schlussfolgerungen herangezogen (vgl. z. B. Daw kins 2007, 146). Beide Argumentationsweisen sind unterschiedlich gelagert: Im einen Fall geht es um die explikative Funktion und (In-)Kohärenz von Aussagen oder Theorien, im anderen Fall geht es darum, die Autorität, die Experten in ihrem angestammten Bereich beigemessen wird, auf einen sachfremden Bereich zu transferieren. Im Kern geht es bei einem solchen Transfer darum, die öffentliche Meinung bzw. Einstellung zu beeinflussen, und zwar nicht durch das Abwägen der einschlägigen Evidenzen und Argumente, sondern durch die Berufung auf den Expertenstatus der Wissenschaftler.
Symptomatisch für einen derartigen Autoritätstransfer ist der Streit, der seit Längerem darüber geführt wird, wie es Einstein, die größte wissenschaftliche Autorität des 20. Jahrhunderts, mit der Religion hielt (vgl. z. B. Aikman 2008, 85 f). In diesem Streit geht es nicht primär darum, ob und inwiefern Einstein religiös war, sondern darum, welche Auswirkungen dies für die Überzeugungskraft religiöser Glaubensinhalte hat. Religionskritiker bemühen sich um den Nachweis, dass es mit Einsteins Religiosität nicht weit her war und dass dies ein irgendwie triftiges Argument gegen die Glaubwürdigkeit religiöser, insbesondere theistischer Behauptungen sei.
Religiöse Apologeten versuchen dagegen Land zu gewinnen, indem sie Äußerungen nachspüren, die auf eine wie auch immer geartete Frömmigkeit Einsteins schließen lassen. Nur am Rande geht es in dieser Auseinandersetzung um die sachlichen Argumente, die Einstein zugunsten seiner Einstellung anführte. Hauptsächlich geht es um die Autorität seiner Person und deren Inanspruchnahme für die jeweils eigene pro- oder anti-religiöse Agenda."