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Frühlingsluft

Georgette Heyer

 

Verlag beHEARTBEAT, 2018

ISBN 9783732558995 , 412 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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6,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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Kapitel 1


Mrs. Wetherby freute sich ungemein über den Vormittagsbesuch ihres einzigen noch lebenden Bruders. Sie fand aber wegen ihrer vor Begeisterung wild durcheinander schreienden Sprösslinge während der ersten halben Stunde keine Gelegenheit, mehr als einige belanglose Redensarten mit ihm zu wechseln.

Denn Sir Gareth Ludlow war just in dem Augenblick in der Mount Street eingetroffen, in dem Miss Anna, eine lebhafte junge Dame, die im kommenden Jahr in die Gesellschaft eingeführt werden sollte, Miss Elizabeth und Master Philip von einem Spaziergang durch den Park zurückkehrten, den sie unter der Aufsicht ihrer Gouvernante unternommen hatten. Kaum hatten die sonst so wohlerzogenen Kinder die hohe elegante Gestalt ihres Onkels erblickt, als sie alle ihnen von Miss Felbridge sorgfältig beigebrachten Lehren feinster Lebensart in den Wind schlugen, mit dem durchdringenden Ruf »Onkel Gary! Onkel Gary!« Hals über Kopf die Straße hinabrasten und vor der Haustür über ihn herfielen. Als sie Miss Felbridge, nachsichtig scheltend, einholte, öffnete der Butler soeben die Tür, und Sir Gareth wurde von seinen begeisterten jungen Verwandten im Triumph ins Haus geführt. Sie bombardierten ihn mit Fragen und vertrauten ihm ihre kleinen Geheimnisse an. Seine älteste Nichte hängte sich liebevoll an einen Arm, während sein jüngster Neffe seine Aufmerksamkeit dadurch zu erreichen suchte, dass er ihn ungestüm am anderen zog. Sir Gareth vermochte sich aber lange genug zu befreien, um Miss Felbridge die Hand zu reichen. Er wendete sich ihr mit einem Lächeln zu, das nie verfehlte, ihr Herz im keuschen Busen heftig erbeben zu lassen. »Guten Tag, Miss Felbridge. Bitte schelten Sie nicht. Es ist wirklich nur meine Schuld – wenn ich auch nicht weiß, was ich getan habe, um diese demoralisierende Wirkung auf die Kinder auszuüben. – Fühlen Sie sich wieder ganz wohl? Als wir uns das letzte Mal sahen, litten Sie doch an einem bösen rheumatischen Anfall.«

Miss Felbridge dankte und wehrte errötend ab. Wie sieht es dem lieben Sir Gareth ähnlich, dachte sie, sich einer so unwichtigen Sache zu erinnern, wie es der Rheumatismus einer Gouvernante ist. Ein weiterer Gedankenaustausch wurde durch die Ankunft Mr. Leigh Wetherbys etwas plötzlich unterbrochen, der aus der auf der Rückseite des Hauses gelegenen Bibliothek herausstürzte und ausrief: »Ist das nicht Onkel Gary? Beim Zeus, Sir, ich bin verteufelt froh, Sie zu sehen! Denn ich möchte Sie etwas ganz Spezielles fragen.«

Hierauf schleppte die ganze Gesellschaft Sir Gareth nach oben in den Salon, wobei alle aus voller Kehle durcheinander schrien, taub für die schüchternen Versuche Miss Felbridges, die ihre Schützlinge davon abhalten wollte, in dieser anstößigen Weise bei ihrer Mama einzudringen.

Es wäre selbstverständlich vergebens gewesen, darauf zu bestehen. Denn die jungen Wetherbys, angefangen von Leigh, der sich für seine noch im selben Jahr stattfindende Aufnahme in die Universität vorbereitete, bis zu Philip, der sich mit seinen ersten Schreibversuchen abplagte, waren einstimmig der wohlüberlegten Ansicht, dass es keinen bewunderungswürdigeren Onkel gäbe als Sir Gareth. Ein Versuch, die jüngeren Kinder ins Schulzimmer zu befördern, war von vornherein zum Scheitern verurteilt oder hätte bestenfalls zu länger anhaltender übler Laune geführt.

In auserlesenen Worten erklärte Mr. Leigh Wetherby, dass Sir Gareth der flotteste Bursche sei, der je geatmet habe. Wenngleich ein berühmtes Mode-Ideal, war er nie zu hochmütig, um seinem Neffen, der den Titel eines perfekten Dandy anstrebte, zu zeigen, wie man ein Halstuch knüpft. Master Jack Wetherby hingegen, den derlei Geckenhaftigkeiten noch nicht interessierten, rühmte seine Freigebigkeit in den wärmsten Tönen und das volle Verständnis, das er für die dringenden Bedürfnisse eines jungen Gentleman hatte, der die Entbehrungen eines Lebens im Eton College erdulden musste. Miss Anna, noch nicht in die Gesellschaft eingeführt, kannte keinen größeren Stolz und keine größere Freude, als in seinem Sportkabriolett neben ihm sitzen und als Gegenstand des Neides aller anderen weniger begünstigten jungen Damen – wovon sie überzeugt war – ein oder zwei Runden durch den Park machen zu dürfen. Was Miss Elizabeth und Master Philip betrifft, betrachteten sie ihn als die Quelle so berauschender Vergnügungen, wie es der Besuch von Astleys Amphitheater oder eines Riesenfeuerwerks war, und vermochten daher nichts an ihm auszusetzen.

Das war nichts Außergewöhnliches, denn sehr wenige Menschen fanden an Gareth Ludlow etwas auszusetzen. Während Mrs. Wetherby ihm zusah, wie er die zauberhaften Eigenschaften seiner Repetieruhr zum Ergötzen des kleinen Philip unermüdlich spielen ließ und es ihm gleichzeitig gelang, dem außerordentlichen Problem, das Leigh beschäftigte, ein Ohr zu leihen, dachte sie, dass es einem schwerfallen würde, einen attraktiveren Mann zu finden. Sie wünschte sich, wie tausendmal zuvor, es möge ihr gelingen, ein Mädchen zu finden, das reizvoll genug wäre, die Erinnerung an seine tote Liebe aus seinem Herzen zu bannen. Weiß Gott, sie hatte in den sieben Jahren seit Clarissas Tod keine Mühe gescheut, um dieses Ziel zu erreichen. Sie hatte seine Aufmerksamkeit auf eine Unzahl heiratsfähiger junger Mädchen gelenkt, unter denen einige ebenso klug wie schön waren; dennoch war es ihr nie gelungen, in seinen grauen Augen auch nur das Aufflackern jenes Blicks zu entdecken, der so warm leuchtete, wenn er auf Clarissa Lincombe ruhte.

Diese Erwägungen wurden durch den Eintritt Mr. Wetherbys unterbrochen, eines zuverlässig aussehenden Mannes Anfang Vierzig, der, die Hand seines Schwagers ergreifend, nur kurz sagte: »Ha, Gary! Freue mich, dich zu sehen!«, und keine Zeit verlor, seine Sprösslinge zu ihren verschiedenen Obliegenheiten zu schicken. Nachdem dies geschehen war, sagte er seiner Frau, die solle die Fratzen nicht auch noch dabei unterstützen, ihren Onkel zu belästigen.

Sir Gareth, der Uhr und Monokel wieder an sich genommen hatte, schob die eine in seine Tasche und hängte das andere an einem langen schwarzen Seidenband um den Hals, während er sagte: »Sie belästigen mich durchaus nicht. Ich glaube, es wäre ganz gut, wenn ich Leigh nächsten Monat nach Crawley Heath mitnehmen würde. Ein scharfes Training wird ihn auf andere Gedanken bringen, als sich über den Schnitt seiner Anzüge den Kopf zu zerbrechen. Ich weiß, Trixie, dass du den Boxsport ablehnst, wenn du aber nicht sehr aufpasst, wird der Junge alles daransetzen, sich mit den Modenarren anzufreunden.«

»Unsinn! Du wirst dich doch nicht mit einem kleinen Schuljungen belasten!«, sagte Warren, der seine Befriedigung über die Einladung nur sehr unvollkommen zu verbergen vermochte.

»Doch, das will ich, denn ich habe Leigh sehr gern. Ihr braucht durchaus nicht zu befürchten, dass ich ihn Unfug treiben lasse.«

Jetzt ergriff Mrs. Wetherby das Wort, um ihren Gedanken Ausdruck zu verleihen. »Mein lieber Gary, wenn du nur wüsstest, sie sehr ich mich danach sehne, noch zu erleben, dass du einen eigenen Sohn verwöhnst!«

Er lächelte. »Tatsächlich, Trixie? Nun, der Zufall will es, dass genau das der Grund ist, der mich heute zu dir führt.« Er bemerkte ihren bestürzten Gesichtsausdruck und brach in Lachen aus. »Nein, nein, ich habe nicht die Absicht, dir die Existenz eines kräftigen Kindes der Liebe zu beichten. Sondern lediglich, dass ich glaube – oder vielmehr hoffe –, in kurzer Zeit deine Glückwünsche empfangen zu dürfen.«

Einen Augenblick glaubte sie, nicht richtig gehört zu haben, dann rief sie: »Oh, Gary, ist es Alice Stockwell?«

»Alice Stockwell?«, wiederholte er überrascht. »Das hübsche Kind, das du mir immer in den Weg schobst? Mein Gott, nein!«

»Hab’s dir gleich gesagt«, bemerkte Mr. Wetherby mit stiller Genugtuung.

Mrs. Wetherby war sehr enttäuscht, denn Miss Stockwell erschien ihr unter all ihren Protegés am begehrenswertesten. Immerhin unterdrückte sie ihre Enttäuschung in anerkennenswerter Weise und sagte: »Dann habe ich tatsächlich nicht die geringste Ahnung, wer es sein könnte. Außer – oh, bitte, Gary, sag’s mir rasch!«

»Nun wohl«, erwiderte er, über ihren Eifer belustigt. »Ich habe Brancaster um die Ehre gebeten, mich Lady Hester erklären zu dürfen.«

Die Wirkung dieser Ankündigung war jedoch recht enttäuschend. Warren, der eben im Begriff war, sich eine Prise Schnupftabak zu genehmigen, war so überrascht, dass er viel zu stark aufschnupfte und einen Niesanfall erlitt; seine Frau, die ihren Bruder anstarrte, als könne sie ihren Ohren nicht trauen, brach in Tränen aus und rief: »Oh, Gary, nein

»Beatrix!«, rief er zwischen Lachen und Ärger.

»Gareth, willst du mich zum Besten halten? Sag, dass du mich nur anschwindelst! Ja, natürlich, so ist es! Du würdest doch nie um Hester Theale anhalten!«

»Aber, Beatrix …« rügte er sie. »Warum hast du...