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Cherringham - Ein jähes Ende - Landluft kann tödlich sein

Matthew Costello, Neil Richards

 

Verlag beTHRILLED, 2018

ISBN 9783732553877 , 167 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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4,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

Derzeit können über den Shop maximal 500 Exemplare bestellt werden. Benötigen Sie mehr Exemplare, nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf.


 

1. Auf dem Heimweg


»Du schaffst das, Holly! Guck einfach nicht nach unten. Sieh mich an! Gleich habe ich deine Hand.«

Holly Wilson starrte geradeaus und fixierte ihre Freundin Amy, die bereits auf der anderen Seite der wackligen Hängebrücke war. Dort wirkte sie ziemlich klein neben den hohen Bäumen.

Dabei lächelte Amy so zuversichtlich, so beruhigend.

Nur noch wenige Schritte bis zu ihr. Eigentlich war es so, als würde man ein Zimmer durchqueren. Was könnte einfacher sein?

Dann aber sah sie nach unten, durch das Knotenraster der schwankenden Brücke, von der man – im Grunde nicht sehr tief, vielleicht etwa sechs Meter – in einen seichten Fluss fallen konnte.

Was allerdings immer noch reichte, um sich bei einem Sturz zu verletzen, falls man falsch landete. Verstauchter Knöchel, gebrochenes Bein. Oder gar Schlimmeres …

Und in dem Fall würde sich diese Wanderung komplett verändern.

Zudem könnten es statt der sechs Meter ebenso gut dreißig sein, wenn man solche Höhenangst hatte wie Holly.

Sie fühlte bereits, wie ihre Herzfrequenz in die Höhe ging und ihre Atmung schneller wurde.

Das Letzte, was sie jetzt brauchte, war eine ihrer Panikattacken.

Es war schon schlimm genug, wenn sie eine in den Korridoren ihrer Schule erlitt.

Aber hier … und jetzt?

Sie schloss die Augen und dachte an die Bewältigungsstrategien, die sie gelernt hatte und die – manchmal – das Schlimmste verhinderten.

Tief und langsam atmen. Konzentriere dich! Kontrolliere die Angst, mach sie dir zu eigen. Versuch nicht, sie zu verdrängen.

»Ach, jetzt mach schon, Holly! Mein Gott, das ist ja wohl nicht der dämliche Amazonas-Regenwald, oder?«

Jasmines Stimme war direkt hinter ihr. »Und du fällst garantiert nicht durch die Lücken nach unten, klar?«

Jasmine.

Diese Stimme in ihrem Ohr hatte ihr jetzt gerade noch gefehlt.

Holly drehte sich um – gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie Jasmine ihre Augen verdrehte, die Hände in die Hüften stemmte und höhnisch grinste.

»Ups, entschuldige. Ich meine natürlich, mit deinem Rucksack und allem anderen kannst du da nicht durchfallen, klar?«

Holly entging nicht, dass Jasmine abermals die Augen verdrehte und ihr fieses Grinsen noch breiter wurde.

Netter Versuch, das zu retten, dachte Holly. Aber ich weiß, was du gemeint hast, Jasmine.

Du hast gemeint: Holly, du bist so eine verdammt fette Kuh, dass du nicht mal durch diese Brücke hinunterfallen könntest, wenn du es wolltest.

Im nächsten Moment lenkte sie eine andere Stimme von Jasmines grausamen Worten ab.

»Komm jetzt, Holly«, sagte Amy. »Du kannst das.«

Holly drehte sich wieder zu Amy um. Die nette Amy auf der anderen Seite des Flusses, die ihr Mut machte.

»Denk an all die anderen gruseligen Sachen, die wir schon hinter uns gebracht haben. Bei denen du klasse warst. Und das hier ist das letzte Stück, okay? Hiernach sind es nur noch Waldwege, ein paar Hügel –«

»Und noch eine Nacht in dem beschissenen Zelt«, fiel Jasmine ihr ins Wort.

»Und noch ein Abend, an dem wir das Essen ertragen müssen, für das du zuständig bist«, entgegnete Amy.

»Uuh, wie gemein, Amy! Da gibt es für dich heute Abend keine Schokolade oder Kekse«, konterte Jasmine.

»Behalte deine Schokolade«, sagte Amy. »Was juckt mich das?«

»Hast wohl was Besseres bei dir versteckt, was?«, fragte Jasmine.

»Na, das werde ich auch gerade dir auf die Nase binden«, antwortete Amy.

Holly blickte von einem Mädchen zum anderen, bemühte sich, mitzubekommen, worum es bei diesem kleinen Streit ging, und hatte das Gefühl, dass zwischen den beiden Dinge abliefen, von denen sie keine Ahnung hatte.

Zugleich aber ließ ihre Panik nach, weil nicht mehr sie selbst, sondern Amy im Zentrum der Aufmerksamkeit stand.

Es ist immer so schwierig, wenn Leute mich ansehen.

Dann stelle ich mir vor, was sie wohl über mich denken, was sie untereinander tuscheln.

Und gleichzeitig ist mir dabei bewusst, dass das meiste von alldem bloß in meinem Kopf existiert.

Sie holte tief Luft, überprüfte die Riemen ihres Rucksacks … obwohl die nicht überprüft werden mussten.

Und dann, da es keinen Grund mehr gab, weiterhin zu zögern, trat sie auf der wackligen Brücke einen Schritt vor.

Der erste mutige Schritt.

»Hey, super!«, rief Amy. »Weiter so, Holly! Sehr gut!«

Ein Schritt. Dann noch einer. Die Augen unentwegt auf Amy gerichtet.

Die Hände umklammerten fest die Taue zu beiden Seiten.

Nun schwankte die Brücke mit jedem Schritt, und unter ihr rauschte Wasser über Steine.

Die Panik kam zurück – mit voller Wucht.

Oh Gott, ich werde stürzen. Ich werde fallen und sterben.

»Nur noch zwei Schritte, und du bist da, Holly. Sieh mich an! Guck zu mir!«, forderte Amy sie auf.

Holly zwang sich, ihre Augen von dem tosenden Wasser abzuwenden und wieder zu Amy zu schauen, die so verlässlich, so selbstsicher wie eine echte Naturforscherin war. Sie stützte eine Hand an einen Baumstamm und streckte Holly die andere entgegen.

Mechanisch setzte Holly noch einen Fuß vor den anderen, bewegte ihre Hände an den Tauen entlang. Fast da, nur noch ein Schritt …

Sie ließ mit der Rechten das Seil los und streckte sie nach vorn.

Dann wurde ihre Hand von Amys umklammert, und Holly trat auf den Felsen. Als Nächstes fühlte sie Amys Arme um sich, ihre Wange an ihrer. Amys wunderschönes langes Haar in ihrem Gesicht.

»Sehr gut!«, lobte Amy und wich zurück.

Holly blickte in ihr grinsendes Gesicht, in die dunklen, vertrauensvollen Augen, und erwiderte das Lächeln.

»Wurde aber auch Zeit«, sagte Jasmine, die hinter ihr herbeigeeilt kam.

Holly drehte sich zu Jasmine um, die schon die Brücke überquert hatte.

»Oh, Entschuldigung, war nur ein Scherz«, sagte sie. »Ähm, nicht schlecht, Holly. Jetzt sieh mal auf der blöden Karte nach, wo wir hinmüssen.«

Holly öffnete den Reißverschluss der Plastikhülle, die sie an einer Schnur um ihren Hals trug, und zog die Karte hervor. Sie alle hatten ihre Aufgaben, und Holly war unter anderem für die Karte zuständig.

Sie faltete sie auseinander, legte sie auf ein flaches Felsstück und zog den Kompass aus ihrer Tasche. Dann legte sie ihren Rucksack ab und hockte sich hin, um sich zu orientieren.

Ihr war bewusst, dass die zwei anderen neben ihr standen und warteten.

Diese eine Fähigkeit hatte sie ihnen voraus.

Sie stand auf, blickte zurück zu der Brücke und dem Fluss, dann in den Wald hinein, der sich vor ihnen bis zum grauen Horizont erstreckte.

»Okay, wir gehen da lang«, sagte sie und zeigte auf einen teils überwucherten Trampelpfad, der sich im dichten Unterholz verlor.

Dann nahm sie ihren Rucksack auf, schwang ihn zurück auf ihre Schultern und marschierte los.

Sie hatte den Hängebrückentest bestanden, und jetzt war sie die Anführerin.

»Das ist hoffentlich richtig«, sagte Jasmine hinter ihr.

»Karten? Navigation? Da hat Holly immer recht«, entgegnete Amy.

Holly hörte es und lächelte vor sich hin, als sie weiter durch die Büsche ging, die über den Pfad wuchsen.

Ich liebe dich, Amy, dachte sie. Andererseits, wer liebt Amy nicht?

Jasmine lehnte sich mit dem Rücken an ihren Rucksack, öffnete eine Brotdose aus Plastik und sah hinein.

Den Abend zuvor hatten sie mit anderen Gruppen aus der Schule in einer Jugendherberge übernachtet und heute Morgen Proviantpakete für die Wanderung mitbekommen.

»Uärgs«, sagte sie. »Käsesandwiches – schon wieder? Holly, willst du?«

Sie beobachtete, wie Holly sich aufrichtete und zu ihr kam.

Mann, das ist, als würde man zugucken, wie ein Tier aus einem Wasserloch steigt, dachte sie. Watschel, watschel …

»Ähm, willst du die wirklich nicht?«, fragte Holly.

»Wir haben das einundzwanzigste Jahrhundert, Holly. Keiner isst mehr Käsesandwiches.«

»Ich schon«, erwiderte Holly. »Ich mag die gerne.«

Was isst du nicht gerne?, dachte Jasmine.

»Ja, das sehe ich«, sagte sie, als Holly nach den Sandwiches griff.

»Ich nehme auch eines«, sagte Amy. »Die erinnern mich an die Mittagessen in der Grundschule.«

Jasmine sah, wie sie herüberkam und Holly eines abnahm.

Auf dieser Tour spielt sich Amy plötzlich als Hollys Beschützerin auf.

»Weißt du noch, wie wir in der Grundschule immer Kekse getauscht haben?«, fragte Amy.

»Du hattest immer die besten, Amy! Von deiner Mum, nicht? Die Bäckerin bei Huffington’s ist«, sagte Holly.

Was gibt sie sich überhaupt mit der ab?, dachte Jasmine. Ist ja nicht so, als würden wir je wieder mit Holly reden, wenn dieses Schuljahr zu Ende ist und das richtige Leben anfängt!

Sie nahm ein schlaffes Salatblatt aus ihrer Brotdose und blickte zu den beiden anderen, die auf dieser kleinen Waldlichtung hockten und aßen.

Was für eine Zeitverschwendung diese ganze Tour gewesen ist – und dabei hätte sie so cool sein sollen!

Insgesamt wanderten sie fünf Tage durch die Cotswolds; sie campten eine Nacht, und die nächste verbrachten sie in einer Jugendherberge. Fünfzig Meilen, und das ohne Lehrer. Nur drei Mädchen.

Dies war eine Herausforderung – und ein Ritual im letzten Jahr an der Cherringham High: eine Wanderung, die sie vollständig selbst organisierten, um Spenden...