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Die 2. Chance - Women's Murder Club - - Thriller

James Patterson

 

Verlag Limes, 2004

ISBN 9783894808198 , 384 Seiten

Format ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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8,99 EUR


 

Der Kinderchor

Aaron Winslow würde die nächsten Minuten nie vergessen. Er erkannte die grauenvollen Geräusche, sobald er das Knallen in der Abendluft hörte. Ihm wurde eiskalt. Er konnte es nicht fassen, dass jemand in dieser Gegend mit einem Hochleistungsgewehr schoss.
Peng, peng, peng... peng, peng, peng.
Sein Chor verließ soeben die La-Salle-Heights-Kirche. Achtundvierzig Kinder strömten an ihm vorbei zum Straßenrand. Sie hatten soeben die Generalprobe vor dem San-Francisco-Sing-Off beendet - und sie waren hervorragend gewesen.
Dann ertönte das Gewehrfeuer. Eine Salve jagte die nächste. Nicht ein einzelner Schuss, ein regelrechter Beschuss. Eine Attacke.
Peng, peng, peng. peng, peng, peng.
»Alle runter!«, schrie er, so laut er konnte. »Alle auf den Boden legen! Schützt die Köpfe! Sucht Deckung!« Er vermochte es kaum zu fassen, dass diese Worte aus seinem Mund gekommen waren.
Anfangs schien ihn niemand zu hören. Für die Kinder, in den weißen Blusen und Hemden, mussten die Schüsse wie Feuerwerk geklungen haben. Dann traf eine Gewehrsalve das wunderschöne bunte Glasfenster der Kirche. Die Darstellung, wie Christus ein Kind in Kapernaum segnet, zerbarst. Glassplitter spritzten umher, einige trafen die Köpfe der Kinder.
»Jemand schießt!«, schrie Winslow. Vielleicht waren es mehrere Personen. Wie konnte das sein? Er rannte wie verrückt zwischen den Kindern hindurch, schrie, fuchtelte mit den Armen und drückte so viele Kinder wie möglich ins Gras.
Als die Kinder schließlich alle flach auf dem Boden lagen, sah Winslow zwei seiner Chormädchen, Chantal und Tamara, die wie Statuen auf dem Rasen standen. Kugeln pfiffen an ihnen vorbei. »Chantal, Tamara! Runter!«, brüllte er, aber sie blieben eng umschlungen stehen und schrien voller Panik. Die beiden waren enge Freundinnen. Er kannte sie schon seit der Zeit, als sie beim »Himmel und Hölle«-Spiel als ganz kleine Kinder auf dem Asphalt umhergehopst waren.
Er musste nicht zweimal überlegen, rannte zu den Mädchen, packte sie an den Armen und riss sie zu Boden. Dann legte er sich auf sie.
Kugeln zischten über seinen Kopf und verfehlten ihn nur um Haaresbreite. Seine Ohren schmerzten. Er zitterte am ganzen Leib, die Mädchen unter ihm ebenso. Er hatte den sicheren Tod vor Augen. »Alles wird gut«, flüsterte er.
Und dann hörte der Beschuss so abrupt auf, wie er begonnen hatte. Entsetztes Schweigen breitete sich aus. Es war, als sei die ganze Welt verstummt und würde jetzt lauschen.
Aaron Winslow erhob sich. Der Anblick, der sich ihm bot, war unfassbar. Überall kamen die Kinder langsam wieder auf die Beine. Einige weinten, aber er sah kein Blut. Niemand schien verletzt zu sein.
»Seid ihr alle in Ordnung?«, rief er. »Ist jemand verletzt?«
»Ich bin okay... ich bin okay«, lauteten die Antworten. Fassungslos schaute er um sich. Ein Wunder war geschehen.
Dann hörte er ein Kind wimmern.
Er drehte sich um und sah Maria Parker, erst zwölf Jahre alt. Maria stand auf den frisch gewaschenen Stufen der Holztreppe, die zum Kircheneingang hinaufführte. Sie hatte einen Schock, ersticktes Schluchzen drang aus ihrem offenen Mund.

Dann fielen Aaron Winslows Blicke auf die Ursache ihres Entsetzens. Ihm stockte das Herz. Selbst im Krieg und obwohl er auf den Straßen Oaklands aufgewachsen war, hatte er nie etwas so Grauenvolles, Trauriges oder Sinnloses gesehen.
»O mein Gott. Nein, nein. Wie konntest du das geschehen lassen?«
Tasha Catchings, gerade erst elf Jahre alt, lag zusammengesunken in einem Blumenbeet neben der Kirche. Ihre weiße Bluse war blutdurchtränkt.
Jetzt brach auch Reverend Aaron Winslow in Tränen aus.

Der Club der Ermittlerinnen - wieder in Aktion

Es war Dienstagabend, und ich spielte mit drei Bewohnern des Jugendheims Hope Street Mau-Mau. Ich liebte dieses Spiel.

Auf der ramponierten Couch mir gegenüber saßen Hector, ein Kind aus dem Barrio, vor zwei Tagen erst aus dem Jugendgefängnis entlassen; Alysha, still und hübsch und mit einer Familiengeschichte, die niemand gern hören würde; und Michelle, die mit vierzehn bereits ein Jahr hinter sich hatte, in dem sie ihren Körper auf den Straßen San Franciscos verkauft hatte.
»Herz«, erklärte ich, legte eine Acht ab und wechselte die Farbe, als Hector gerade die letzte Karte ablegen wollte.
»Verdammte Bullen-Lady«, stieß er hervor und stöhnte. »Wie kommt es, dass du mir jedes Mal ein Messer reinrammst, wenn ich Schluss machen will?«
»Damit du lernst, nie einem Bullen zu trauen, Schwachkopf.« Michelle lachte und warf mir ein verschwörerisches Lächeln zu.
Seit einem Monat verbrachte ich einen oder zwei Abende pro Woche im Jugendzentrum. Nach der grauenvollen Mordserie an Brautpaaren im Sommer war ich völlig zusammengebrochen. Ich nahm einen Monat Urlaub vom Morddezernat, lief zur Marina hinunter oder blickte aus der Sicherheit meiner Wohnung auf dem Potrero Hill hinaus auf die Bucht.
Nichts half. Kein Psychologe, auch nicht die Unterstützung meiner Freundinnen, Claire, Cindy und Jill. Auch nicht, dass ich wieder anfing zu arbeiten. Ich hatte hilflos mit ansehen müssen, wie aus dem Menschen, den ich liebte, langsam das Leben entwich. Immer noch fühlte ich mich für den Tod meines Partners verantwortlich. Nichts schien diese entsetzliche Leere füllen zu können.
Und dann bin ich hier gelandet - hier in der Hope Street.
Und die guten Neuigkeiten waren, dass mir das half.
Ich spähte über meine Karten hinweg zu Angela, einem Neuankömmling, die auf dem Metallstuhl am anderen Ende des Zimmers saß und ihre drei Monate alte Tochter wiegte. Das arme Mädchen, ungefähr sechzehn Jahre alt, hatte den ganzen Abend noch nicht viel gesagt. Ich nahm mir vor, mit Angela zu reden, ehe ich ging.
Die Tür öffnete sich, und Dee Collins, eine der Leiterinnen, kam herein. Eine Afroamerikanerin in konservativem grauem Kostüm folgte ihr. Die strengen Züge verrieten auf Anhieb, dass sie vom Jugendamt kam.
»Angela, deine Sozialarbeiterin ist da.« Dee kniete sich neben sie.
»Ich bin nicht blind«, sagte die Halbwüchsige.
»Wir müssen jetzt das Baby abholen«, erklärte die Sozialarbeiterin so hastig, als würde sie ihren Zug verpassen, wenn sie diese Aufgabe nicht schnell erledigte.
»Nein!« Angela drückte den Säugling an sich. »Ihr könnt mich hier in diesem Loch einsperren oder mich in den Knast zurückschicken, aber ihr nehmt mir nicht mein Baby weg.«
»Bitte, Schätzchen, nur für ein paar Tage«, versicherte ihr Dee Collins beschwichtigend.