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Und Piccadilly Circus liegt nicht in Kumla - Roman

Håkan Nesser

 

Verlag btb, 2009

ISBN 9783894808129 , 336 Seiten

Format ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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10,99 EUR

  • Das schwarze Haus - Roman
    Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Roman
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    Die blaue Hand - Roman
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    Puppenspiel - Inspector Rebus 12 - Kriminalroman
    Jugend hinter Stacheldraht ... und danach ...
 

 

30 (S. 224-225)

Es wurde Weihnachten, und es wurde Neujahr. Silvester fuhren Elonsson und ich nach Örebro und feierten dort ohne feste Pläne. Zum Schluss landeten wir bei einem Privatfest draußen in Almby, wo Elonsson zum ersten Mal in seinem Leben mit einem Mädchen zusammenkam. Sie hieß Conny, was wir beide für einen typischen Jungsnamen hielten, aber ihr Papa war Amerikaner oder so, und es spielte ja wohl verdammt noch mal keine Rolle, wie sie hieß, meinte Elonsson. Ich stimmte ihm zu, dass sie wirklich niedlich war, und wenn ich mich recht erinnere, so hielt die Sache mit ihnen fast einen Monat lang. Am Dreikönigstag zählte ich meine Plattensammlung und konnte erfreut feststellen, dass sie inzwischen auf dreiundvierzig LPs (Jim Reeves nicht mitgezählt und weggeworfen) und sechzehn Singles und EPs angewachsen war. Das war trotz allem nicht schlecht, und auch mein Bücherregal sah langsam ganz ordentlich aus. Ich war sehr sorgfältig vorgegangen, als ich meine Wunschliste für Weihnachten geschrieben hatte und hatte Stig Dagerman, William Faulkner wie auch Scott Fitzgerald eingesackt. Strindbergs »Inferno« auch, Angelo Grönkvists Fingerzeig hatte ich noch in guter Erinnerung.

Größere Teile der Ferien verbrachte ich damit, auf dem Bett zu liegen und zu lesen oder Musik zu hören. Was verdammt noch mal sollte man sonst tun, das war zumindest eine Möglichkeit, sich am Leben zu halten. Modus vivendi, glaube ich, nannte ich es. Von Signhild nicht ein Wort. Und dann begann das letzte Gymnasiumshalbjahr. Inzwischen war es 1968, aber erst Januar. Alexander Dubèek und die Pariser Revolution und die sowjetischen Panzer auf Prags Straßen standen noch vor der Tür und stampften ungeduldig, und gegen Ende des Monats traf das ein, was ich – als es denn eine Tatsache war – schon lange hätte voraussehen können.

Ester Bolego zog aus. Als ich an einem Donnerstagnachmittag auf dem Fahrrad nach Hause kam, stand ein großer Lastwagen auf der Straße, und der Dichter Olsson und zwei Möbelpacker waren dabei und beluden ihn mit Möbeln. Aha, dachte ich. Der Nagel zu meinem Sarg. Das war’s also, ich brauche mich nicht weiter drum zu kümmern. Aber es war nicht so einfach, andere Gedanken im Kopf zu haben. Als daran zu denken, wie sie geradezu einer nach dem anderen verschwanden, die Bewohner des Lundbomschen Hauses. Anfang des Sommers hatten vier Menschen und ein Hund dort gewohnt, und alles hatte normal ausgesehen, zumindest mehr oder weniger. Und dann, in nur einem halben Jahr: Kalevi Oskari Kekkonen, der cholerische Uhrmacher und Schachspieler. Geköpft und mit den Füßen zuerst herausgetragen. Signhild Kristina Kekkonen-Bolego. Weggezogen an einen unbekannten Ort aus unbekannter Ursache.

Der Dichter Olsson und O Sole Mio. Den ganzen Herbst verschwunden, aber jetzt zurückgekehrt, um sich um Ester Bolego und Klein-Maria zu kümmern. Wohin, wusste ich nicht, und ich fragte auch nicht. Ich hatte keine Worte mehr, und mein Herz war während der vergangenen Monate zu Beton erstarrt. Ich werde sie vergessen, dachte ich. Ich werde von hier wegziehen und nicht eine Bohne von diesen Ereignissen und diesen Menschen mehr im Gedächtnis behalten. London oder Paris oder wohin auch immer. Mindestens Stockholm. Ich stand am Fenster und rauchte, als sie abfuhren. Ich hoffe, ihr rutscht in Mosås von der Straße, dachte ich. Ist doch alles ein verdammtes Gesindel!

Ich wusste nicht so recht, was Gesindel war, aber mein Vater benutzte diesen Ausdruck gern, und ich fand, ich konnte ihn ebenso gut verwenden. Als der Möbelwagen hinter Fredrikssons Silbertanne verschwunden war, machte ich das Licht in meinem Zimmer aus, legte mich aufs Bett und ballte die Fäuste.