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(K)ein Baum zu Weihnachten - Romantische Weihnachtsgeschichten

Claudia Lütje, Jenny Green, Charlie Hugo

 

Verlag édition el!es, 2018

ISBN 9783956092657 , 240 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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8,99 EUR


 

1


»Was für eine Abzocke«, grummelte Katharina vor sich hin und trat am Schalter einen Schritt zur Seite. Das Wechselgeld, die Quittung und ihre Papiere schob sie lässig mit einer Hand über den Tresen zu sich.

Beinahe hätte sie es verpasst. Aber vor ein paar Tagen war ihr gerade noch rechtzeitig eingefallen, dass ihr Auto zur Hauptuntersuchung fällig war. Sie hatte sich sofort um einen Termin gekümmert, sie fuhr lieber nicht mit einer abgelaufenen TÜV-Plakette herum.

»Was soll das heißen, ich kann nicht mit Karte bezahlen?«, sagte die rothaarige Frau neben ihr erbost, die nun an der Reihe war.

»Wir nehmen nur Bargeld«, erwiderte die TÜV-Mitarbeiterin und tippte an den Zettel, der an der Glasscheibe zwischen ihr und der Rothaarigen klebte. »Es tut mir leid«, zuckte sie mit den Schultern. »Die Zahlterminals sind ausgefallen. Das erleben wir hier leider öfter vor den Feiertagen.«

»Moment«, knurrte die Rothaarige genervt und kramte in ihrer Geldbörse herum. »Ich muss nachsehen, ob ich noch genügend Bargeld bei mir habe.«

Katharina beobachtete aus dem Augenwinkel, wie die Frau hastig in ihrer Geldbörse hantierte. Die Wangen der Rothaarigen hatten schon fast die gleiche Farbe angenommen wie ihre Haare. Ob das an der Kälte lag, die das Land kurz vor Weihnachten fest im Griff hatte, oder daran, dass sie nicht bargeldlos zahlen konnte, vermochte Katharina nicht zu beurteilen. Sich um die Hauptuntersuchung kümmern zu müssen, war ohnehin nicht gerade ein Vergnügen, aber den Termin nicht wahrnehmen zu können, weil die Zahlterminals ihren Dienst verweigerten, war noch viel ärgerlicher.

»Wie viel ist es noch mal?«, fragte die Rothaarige, ohne aufzublicken.

»Hundertzwei Euro und zehn Cent!«

Katharina verkniff sich ein Grinsen. Die Stimme der TÜV-Mitarbeiterin hatte inzwischen unüberhörbar einen frostigen Ton angenommen. Eine Gebührentabelle wurde unter der Glasscheibe hindurchgeschoben, und ein schwarzer Fingernagel tippte ungeduldig auf die entsprechende Stelle.

»Ja, ja, ich habe es gleich, nur einen Moment noch«, versuchte die Rothaarige, etwas Zeit zu schinden. Aber die TÜV-Mitarbeiterin verzog bereits mürrisch den Mund und schaute vielsagend auf die lange Schlange hinter der Rothaarigen.

Ein Fünfziger fand seinen Weg aus der Geldbörse, gefolgt von zwei Zwanzigern. Die Rothaarige öffnete das Münzfach, und wenige Geldstücke klimperten auf das kalte Metall des Tresens.

Die TÜV-Mitarbeiterin zog den Zettel mit der Gebührentabelle zurück ins Schalterinnere, während die Rothaarige die einzelnen Münzen zählend von einer Seite auf die andere schob.

»Wie viel fehlt Ihnen noch?«, brach es aus Katharina heraus. Es ging sie zwar nichts an, aber so gestresst, wie die Rothaarige wirkte, konnte Katharina sie hier nicht hängen lassen. Außerdem gefiel ihr der erdige Duft, der die Frau umspielte, und ebenso der Anblick der feurigen Haare, die mit vereinzelten Tannennadeln gespickt waren.

Auch wenn Weihnachten vor zwei Jahren für Katharina abrupt seinen Glanz verloren hatte, war es trotzdem die Zeit der Nächstenliebe, und eine Frau in Not im Stich zu lassen, widerstrebte ihr zutiefst.

»Öhm.« Zwei grüne Augen weiteten sich erstaunt und sahen direkt in ihre.

Wow!, hallte es durch Katharinas Kopf. Doch bevor sie sich in dem klaren Grün verlieren konnte, wandte sich die Rothaarige ab und überflog die wenigen Münzen auf dem Tresen.

»Acht Euro«, sagte sie geschlagen und seufzte schwer.

Katharina wusste, die acht Euro waren nicht viel, aber definitiv zu viel, als dass die TÜV-Mitarbeiterin hinter der Glasscheibe ein Auge zudrücken konnte.

Kurz entschlossen zog sie einen Zehner aus ihrer Geldbörse und schob ihn unter der Glasscheibe hindurch. Sofort krallten sich schwarze Fingernägel den Schein, und er verschwand in der Kassenschublade.

»Hier, Ihre Quittung«, beeilte sich die TÜV-Mitarbeiterin zu sagen und schob der Rothaarigen das Wechselgeld hin.

Noch bevor diese das Geld aufgelesen hatte, rief die TÜV-Frau bereits nach dem nächsten Kunden und zwang ein zumindest ansatzweises freundliches Lächeln auf ihr Gesicht.

»Da. . . danke«, stotterte die Rothaarige.

Bitte, gern geschehen«, erwiderte Katharina mit einem warmen Lächeln. Ihre Mundwinkel wanderten amüsiert nach oben. Sie konnte förmlich sehen, wie es hinter diesen grünen Augen arbeitete.

Ihr Herz erhöhte ungefragt seinen Rhythmus, und sie erwischte sich dabei, wie sie sich beim Anblick dieses hübschen Gesichts fragte, ob im Sommer wohl auch noch ein paar Sommersprossen die wunderschönen Augen umspielten.

Oh nein. Sie zuckte unwillkürlich zusammen, und ein kalter Schauer rann ihren Rücken hinunter. Alles, nur das nicht!, schalt sie sich selbst und rief sich innerlich zur Ordnung. Kopfschüttelnd wandte sie sich ab und marschierte mit großen Schritten zurück zu ihrem Auto. Das ist definitiv nicht die richtige Jahreszeit für so etwas, ermahnte sie sich und kramte in ihrer Manteltasche nach dem Autoschlüssel.

»Warten Sie!«, hörte sie hinter sich. »So warten Sie doch bitte.«

Mit der Hand bereits am Türgriff hielt sie inne und atmete tief durch. Warum konnte die Rothaarige es nicht auf sich beruhen lassen?

»Wie kann ich das wiedergutmachen?« Die Rothaarige hatte inzwischen zu ihr aufgeschlossen, fröstelnd vergrub sie ihre Hände unter den Achseln und tapste von einem Bein auf das andere.

»Schon in Ordnung«, winkte Katharina ab. »Sehen Sie es als verfrühtes Weihnachtsgeschenk.«

»Das möchte ich aber nicht«, erwiderte die Rothaarige nachdrücklich. »Geben Sie mir bitte Ihre Adresse, dann kann ich Ihnen das Geld schicken«, schlug sie vor.

»Es ist mein Ernst«, versicherte Katharina, während sie die Autotür öffnete, sich ihre Mütze vom Kopf zog und auf den Beifahrersitz warf. »Es ist ein Weihnachtsgeschenk«, wiederholte sie und wuschelte sich durch die Haare.

Sie spürte, wie ihr augenblicklich heiß wurde, als sie den durchdringenden Blick bemerkte, den die Rothaarige über sie gleiten ließ. Aber noch viel wichtiger: Warum wurde ihr heiß, nur weil eine hübsche Frau sie betrachtete? Normalerweise machte ihr das nichts aus. Schon durch ihren Beruf war sie es gewohnt, hin und wieder im Rampenlicht zu stehen.

Und warum um Himmels willen wuschelte sie sich gerade durch die Haare? Wollte sie etwa gut aussehen für die Rothaarige? Sonst war es ihr doch egal, ob sie wegen ihrer Mütze mit einer platten Frisur hinterm Steuer saß oder nicht.

»Brauchen Sie einen Weihnachtsbaum?« Die Rothaarige kam einen Schritt näher und streckte ihr entschlossen eine Visitenkarte hin.

»Einen Weihnachtsbaum?«, echote Katharina. Skeptisch fixierte sie die Visitenkarte. Sie hätte beinahe gelacht, wenn es nicht so traurig gewesen wäre. Ihr Verhältnis zu Weihnachten und Weihnachtsbäumen konnte man kaum als gelungen bezeichnen.

Früher war das anders gewesen. Da hatte sie sich auf Weihnachten gefreut wie ein kleines Kind. Es gab Tage, da stand sie stundenlang mit großen Augen vor dem Fenster und betrachtete die Schneeflocken, wie sie unablässig vom Himmel fielen, sich am Boden sammelten und das Land in ihre weiße Pracht hüllten.

Auch war sie kaum zu halten, wenn es um den Weihnachtsbaum ging. Meist musste sie sich selbst bremsen, um nicht einen viel zu großen zu kaufen, der dann nicht in ihre Wohnung passte. Bunte Kugeln, Lametta, Schleifen und Kerzen, alles musste herhalten als Dekoration.

Doch als dann . . . Katharina kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf. Nein, daran wollte sie jetzt nicht denken. Keine Sekunde daran vergeuden, das war es schlicht nicht wert.

»Ja, ich . . . meine Familie verkauft Weihnachtsbäume«, erklärte die Rothaarige. »Falls Sie noch keinen haben . . . Es würde mich freuen, Ihnen einen als Dankeschön zu schenken.« Sie hielt ihr immer noch die Visitenkarte entgegen.

»Ich brauche daheim keinen Baum«, lehnte Katharina barsch ab. Sie wusste selbst, dass ihre Stimme sich gerade viel zu streng angehört hatte. Schließlich wollte die Rothaarige ihr nichts Böses, sondern sich nur erkenntlich zeigen.

»Sonst für Ihre Galerie?«, schlug die Rothaarige vor.

»Woher wissen Sie . . .?« Katharina konnte sich nicht erinnern, auch nur einen Ton über ihre Galerie verloren zu haben.

Oder war die Rothaarige eine Kundin von ihr? Das hätte sie gewusst. Sie vergaß nie ein Gesicht. Ganz zu schweigen von diesen grünen Augen, an die hätte sie sich garantiert erinnert. Denn als Galeriebesitzerin konnte sie es sich schlicht nicht leisten, Kunden oder auch Künstler zu vergessen.

Zögerlich deutete die Rothaarige auf die Autotür. »Da, Ihre Werbung.«

Katharina klatschte sich mit der Hand auf die Stirn. Natürlich! Sie stand hier schon die längste Zeit neben der weißen Inschrift auf ihrem schwarzen SUV. Dafür war Werbung schließlich da, dass man sie sah und wahrnahm.

Sie spürte, wie ihre Wangen heiß wurden. Über das Gesicht der Rothaarigen schien ein spitzbübisches Lächeln zu huschen, in einem Wimpernschlag war es da und wieder weg.

Wurde sie etwa gerade ausgelacht? Na ja, wägte sie ab. Sie machte sich in der Tat gerade selbst zum Depp. Es zeugte wohl nicht von besonderer Geistesgegenwart, wenn sie ihre eigene Werbung vergaß, zumal wenn sie direkt danebenstand.

»Ach, stimmt«, sagte sie etwas verlegen und nahm zaghaft die Visitenkarte entgegen. »Ich werde es mir überlegen«, versprach sie.

Die Hand der Rothaarigen berührte ihre kaum für eine Sekunde, aber schon das reichte,...