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Cherringham - Mord in eisiger Nacht - Landluft kann tödlich sein

Matthew Costello, Neil Richards

 

Verlag beTHRILLED, 2018

ISBN 9783732565320 , 159 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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4,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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1. Das große Frieren


Die Schneeböen, die Jane Ellingham beim Verlassen des Bell Hotel erwartet hatten, wurden anscheinend mit jedem Schritt dichter und heftiger; und die pudrigen weißen Flocken verwandelten sich in schwerere, kältere Kristalle.

Und als sie unsicher die Cherringham High Street hinunterging, konnte sie sehen, wie die zunächst dünne weiße Schicht schon höher wurde.

Ich bin zu alt hierfür, dachte sie.

Die Wetterberichte waren stündlich düsterer geworden, weshalb Jane nicht verstand, warum der Verleger Humphrey Lane die verflixte Veranstaltung nicht einfach abgesagt hatte.

Was glaubte er denn? Dass die Leute aus London anreisten und nachts irgendwie wieder zurückkamen? Oder hofften, notfalls noch ein Zimmer im Bell Hotel zu ergattern (das inzwischen ausgebucht sein dürfte)?

Wenn die Vorhersagen stimmten, würde es noch schlimmer werden. Dieser Schnee, den ein steter Wind herbeitrieb, war erst der Anfang.

Und wofür das Ganze? Um ein neues Buch von Edward Townes vorzustellen.

Sie mochte ja seine Agentin sein – aber waren die Zeiten, in denen man seine Neuerscheinungen in einem besonderen Rahmen präsentieren konnte, nicht längst vorbei?

Was sollte diese Party, wenn die Verkaufszahlen für seine erlahmte historische Reihe – Der geächtete Ritter – immer weiter einbrachen? Und auch noch ausgerechnet in Townes’ Heimatdorf Cherringham? Wahrscheinlich war es hier malerisch und so – an einem sonnigen Sommertag. Aber doch nicht in einem Schneesturm!

Nein, diese Gala würde sich in eine Tortur für alle Beteiligten verwandeln.

Als sie jedoch bei der mittelalterlichen Kirche – deren Turmspitze nun beinahe im Schneegestöber verborgen war – um die Ecke bog, fragte sie sich, ob Humphrey Lane mit dieser Party etwas vollkommen anderes bezweckte.

Und ob er sie deshalb nicht abgesagt, keine Textnachricht an alle verschickt und darin geschrieben hatte: Bleibt zu Hause, wo es warm und trocken ist.

Wäre das geschehen, hätte sie womöglich den Sturm in London überstehen und nun bei einem Gin-Martini sitzen können – mit zusätzlichen Oliven, bitte! –, wie er in der Bar des Charlotte Street Hotel immer wieder perfekt zubereitet wurde.

Und wahrscheinlich würde der Schneesturm die Stadt nicht einmal so übel erwischen.

Immerhin ist das London!, dachte sie.

Welches Unwetter würde das wagen?

Vorsichtig bewegte sie sich vorwärts und blieb schließlich stehen, um auf den Ausdruck der Karte zu schauen, die Lane geschickt hatte.

Und dort, gar nicht weit vom Friedhof – welch heiterer Ort! –, war Astley Hall. Das scheunenartige Gebäude war in eine Art Miniaturschloss verwandelt worden, mitsamt eines, wie sie annahm, falschen Turms oben auf dem Dach, an dem die Wimpel im Wind heftig umherflatterten.

Und Jane, die nun nach einer nahen Mauer am Wegesrand griff, war fast dort. Sie kam recht spät zur Party und mit einem dick eingeschneiten Mantel …

Sie drückte die schwere Holztür auf und musste zugeben, dass sie einen surrealen Moment erlebte.

Ein Schwall herrlich warmer Luft blies ihr entgegen, und eine junge Frau – eigentlich noch ein Mädchen – stand bereit, um ihr den Mantel, die Tasche und den breitkrempigen Hut abzunehmen – der ebenfalls von einer dicken Schneeschicht bedeckt war.

Aber es war nicht bloß die Wärme, sondern auch die Beleuchtung, die sie sprachlos machte: Überall brannten Kerzen, und die elektrische Beleuchtung in dem Saal war auf die niedrigste Stufe gedimmt.

Und die Musik …

Sie vermutete, an der lag es hauptsächlich, auch wenn das schwer zu sagen war, denn sie wurde von dem üblichen, hundert Dezibel starken Getratsche der Verlagswelt übertönt.

Die Musik klang so, als wäre da irgendwo ein Katzenwurf in einem Jutesack, dessen einzelne Tiere abwechselnd gedrückt und gepikt wurden, um für eine Geräuschkulisse aus Fiepen und Fauchen zu sorgen; das Ganze begleitet von fassartigen Trommeln und Tamburinen. Die Künstlergruppe trug natürlich historische Kostüme.

Sicher war es total authentisch dem Musikgeschmack im England des Mittelalters nachempfunden. Wer wollte das wissen?

Doch nach dem verdrießlichen Marsch vom Bell Hotel hierher kamen Jane die Klänge und die Kerzen ziemlich bizarr vor.

Nachdem sie ihren Mantel losgeworden war, blickte sie sich um. Sie sah hohe, uralte Deckenbalken, steinerne Säulen und Nachahmungen mittelalterlicher Wandteppiche. In den Ecken standen sogar ein paar alte Ritterrüstungen.

Und sie stellte fest, dass sie auf einem Steinboden stand.

Auf keinen Fall werde ich heute Abend auf dem tanzen, dachte sie, als ihr die Buchpräsentationsparty bei Bloomsbury wieder einfiel, auf der sie letzte Woche gewesen war. Oh Gott, ihre Füße hatten noch am nächsten Morgen wehgetan!

Genauso wie ihr Kopf.

Sie schaute sich um und taxierte die Menge auf der Grundlage ihrer vierzigjährigen Erfahrung mit solchen Events. Viele Leute aus der hiesigen Region, schätzte sie, aber auch zahlreiche Londoner, die sie aus der Branche kannte, und Maiden – sofern das Wort heute noch irgendwie vertretbar war – in tief ausgeschnittenen Kleidern, die mit Champagnerflöten und Vorspeisen ihre Runden drehten.

King Johns Hof: berühmt für seinen Prosecco und natürlich die Kanapees. Die Leute hier sind gewiss nicht so wild auf Muskelmagen vom Schwan.

Und bevor sie den Ehrengast entdecken und ihr übliches Ritual von Warmherzigkeit und Freundschaft vollziehen konnte – zumindest so viel, wie eine Agentin nach vierzig Jahren Zusammenarbeit aufzubringen vermochte –, hatte sich der Gastgeber, Humphrey Lane, umgedreht …

Und sie erspäht.

In seinem dunkelblauen Anzug im modisch schmalen Schnitt war er makellos gekleidet, und den Stil konnte er selbst in seinem fortgeschrittenen Alter noch tragen. Er belebte ihn mit einer leuchtend gelben Krawatte.

Strahlende Augen, breites Lächeln.

Es war schließlich seine Party.

Und nun, da er zu ihr sah, riss er seine Augen weiter auf, als wäre sie gleichsam aus dem Nichts erschienen.

Wie entzückend, schien sein Lächeln zu sagen und noch strahlender zu werden, als er auf sie zugeeilt kam.

Jane Ellinghams erster Gedanke war: Ich sollte ihm wirklich sagen, wie schrecklich das Wetter da draußen ist.

»Jaaaaane! Du bist hier, meine Liebe!«

Offensichtlich …

»Ich wollte schon die Reiter des Königs ausschicken, um nach dir zu suchen. Hattest du Schwierigkeiten, uns zu finden?«

Sie rang sich ein Lächeln ab. Sie und Humphrey Lane kannten sich schon ewig – seit Jahrzehnten, nicht nur seit Jahren.

Und nicht zum ersten Mal bemerkte sie, dass er, nun ja, gut aussah, und das auf recht unfaire Weise. Männer durften so viel leichter altern.

Elegant. Gepflegt.

Wie Colin Firth, der noch in mittleren Jahren die Liebe der jungen Unschuld spielen durfte. All die frechen Helen Mirrens dieser Welt konnten nichts ausrichten, um Janes Selbstvertrauen wiederherzustellen, nachdem die Jahre an ihrer Figur wie an ihrem Teint gezehrt hatten.

»Humphrey, hast du mal nach draußen gesehen?«

»Ähm, nein. Ich war schon früh hier, weil ich mich um die Band und die Schauspieler, um das Essen und all das andere kümmern musste.«

»Schauspieler?«

»Ah, die gehören zum Unterhaltungsprogramm! Sie sollen ein, zwei kleine Szenen aus der Welt der fahrenden Ritter nachstellen.«

Sie war versucht zu erwidern, dass die Bühnenshow womöglich weniger die Welt der fahrenden Ritter wiedergab, sondern eher ein grandioser Fehler war.

Aber sie musste das ja nicht bezahlen.

»Den gegenwärtigen Prognosen zufolge«, sagte sie, »die ich soeben von der BBC-Wetter-App erhalten habe, kriegen wir einen Schneesturm.«

Für einen Moment schien es Humphrey den Atem zu rauben – aber nur kurz. Und dann war sein Lächeln wieder an Ort und Stelle.

»Na, du weißt doch, dass eine Menge Leute, genau wie du, im Hotel gebucht haben.«

Er legte ihr die Hand auf die Schulter.

»Sieh es als Abenteuer!«

Sie beschloss, ihn nicht daran zu erinnern, dass einige der Blogger, der Reporter und erst recht einige der Verlagsleute die Absicht hatten, den letzten Zug zurück in die Zivilisation zu nehmen.

Viel Spaß dabei, dachte sie. Sie beschloss, direkt zum Punkt zu kommen.

»Und wo ist unser Goldjunge?«

Humphrey Lanes Lächeln schwächelte nur marginal.

»Ach, was glaubst du wohl? Da drüben, bei dem jungen Mann, der die harten Sachen ausschenkt.«

Jane nickte.

Und nachdem sie sich nun dem Verleger, der die Rechnungen für all das hier zahlte, lange genug gewidmet hatte, wurde es Zeit, dass sie sich um ihren Autor kümmerte, Edward Townes.

Der, wie sie sah, ins Gespräch mit dem Barkeeper vertieft war, einem jungen Mann in seinen Zwanzigern. Sie schienen so nah miteinander zu sein, als wären sie schon ein Leben lang engste Freunde.

Keinerlei Interesse am guten Aussehen des Burschen: Das sprach Townes nicht an, wie Jane wusste.

Was jedoch den Tisch voller Köstlichkeiten und die flinken Hände des jungen Mannes betraf, mit denen er für zügigen Nachschub an Drinks sorgte …

Townes setzt sehr klare Prioritäten.

Sie stand einen Moment da und wartete, dass Edward zu ihr hinüberschaute.

Währenddessen aber kam jemand zu ihr – schlich sich buchstäblich an sie heran –, sodass sie von ihrem Autor...