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Referenzmodell für die Montageplanung in der Automobilindustrie
Daniel Motus
Verlag Herbert Utz Verlag , 2009
ISBN 9783831608607 , 205 Seiten
Format PDF, OL
Kopierschutz DRM
1 Einleitung (S. 1)
„Ein halbes Jahrtausend nach Gutenberg ist nicht der Mangel, sondern der Überfluß an Information unser größtes Problem.“ [Dor-94]
1.1 Ausgangssituation
Die Komplexität bei der Produktion moderner Automobile wäre ohne den Einsatz rechnerunterstützter Ingenieursysteme nicht mehr beherrschbar. Einer der größten Komplexitätstreiber ist dabei der sich stetig verschärfende globale Wettbewerb [Uhl-98], der zu einem stetig steigenden Drang nach Differenzierung durch Individualisierung der Fahrzeuge führt [MS-06]. Dadurch ist der Erfolg eines Fahrzeugmodells kaum noch vorauszusehen, eine rasche Reaktionsfähigkeit ist daher Voraussetzung für den Erfolg.
Das bedeutet, dass sich in Zukunft die Produktlebenszyklen weiter verkürzen, während sich die Anforderungen an die Produktionssysteme und Prozesse hinsichtlich ihrer Flexibilität rasant entwickeln [WW-00].
Das Kennzeichen für diese Entwicklung ist ein stark ansteigendes Produktportfolio der Fahrzeughersteller. Die BMW Group verfügte beispielsweise in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts über nur vier unterschiedliche Modelle, während es heute bereits 16 verschiedene Modelle bei steigender Tendenz sind. Hinzu kommt ein Anstieg der Komplexität durch gestiegene Funktionalität. Unterschiedlichste Fahrzeugfunktionen werden mittlerweile elektronisch gesteuert.
Neue Leichtbauwerkstoffe und Fahrzeugkomponenten – wie beispielsweise retractable Hardtops – erfordern auf Produktionsseite die Bewältigung von vielfältigen technischen Problemen. Die Planer der Produktionsprozesse müssen sich daher auf technische Themen fokussieren können und dazu gleichzeitig bei der Bewältigung von Routineaufgaben entlastet werden.
Durch die Globalisierung ist zusätzlich ein Trend zur Bildung immer komplexerer internationaler Produktionsnetzwerke zu beobachten. Die Zusammenarbeit in diesen Netzwerken ist durch kulturelle, sprachliche und entfernungsabhängige Hürden gekennzeichnet. Ein Fahrzeugmodell wird häufig in verschiedenen Werken hergestellt – und innerhalb eines Werkes werden häufig verschiedene Fahrzeugmodelle produziert.
Die Fähigkeit zur schnellen und flexiblen Anpassung des Produktionsnetzwerks an sich verändernde Rahmenbedingungen ist dadurch unabdingbar. Die Ausweitung des Produktportfolios in Kombination mit dem Anstieg der Fahrzeugfunktionen führt zu einer Veränderung in der Wertschöpfungskette. Die vom Verband der Automobilindustrie (VDA) herausgegebene Studie HAWK 2015 [VDA-2003] sieht eine kontinuierliche Verlagerung der Wertschöpfung von den Au
tomobilherstellern zu den Lieferanten. Der Anteil der Fahrzeughersteller an der Gesamtwertschöpfung wird von heute 35 auf 25 Prozent im Jahr 2015 sinken. Das bedeutet, dass das Produkti- onsnetzwerk um ein ständig wachsendes Lieferantennetzwerk – und damit letztendlich auch ein Logistiknetzwerk ergänzt wird.
Die aufgeführten Faktoren führen zu einer kontinuierlich ansteigenden Gesamtkomplexität für die Planung der Produktionsprozesse (Abbildung 1), insbesondere wenn dabei berücksichtigt wird, dass die Planungskapazitäten nicht mit der ansteigenden Komplexität Schritt halten konnten. Vor diesem Hintergrund sind die Unternehmen gezwungen, die Prozesse der Produktentwicklung und –fertigung durch einen effizienten Einsatz von technischen und organisatorischen Hilfsmitteln zu rationalisieren [GG-97].
Davon sind alle Phasen im Lebenszyklus eines Produkts betroffen. [VDI-2221] versteht darunter die Phasen Planung, Entwicklung, Fertigung, Vertrieb, Gebrauch und Aufbereitung. Insbesondere der Planung kommt dabei eine wichtige Rolle zu, da dort zwar nur 12 Prozent der Kosten direkt verursacht, aber bereits 75 Prozent der Gesamtkosten verantwortet werden [Lot-92].
In besonderem Maße trifft dies auf die Montageplanung zu. Die aus der Strategie der Differenzierung durch Individualisierung abgeleitete große Zahl an unterschiedlichen Fahrzeugvarianten – beispielsweise 10³² bei der BMW Group [Mot-05] – entstehen zum Großteil erst in der Montage. Um die Dynamik und Komplexität unter diesen Gesichtspunkten zu beherrschen, muss die Entwicklung von Informationssystemen der raschen Ausweitung und Änderung des Informationsbedarfes nachkommen [Bro-03].
Die Entwicklung leistungsfähiger Informationssysteme ist deshalb der Beitrag der Ingenieurinformatik zur Beherrschung der Gesamtkomplexität. Aus der Vielzahl der dabei zum Einsatz kommenden Informationssysteme und der unterschiedlichen unternehmensabhängigen Ausprägungen in den Planungsprozessen resultiert der Bedarf nach Reproduzierbarkeit und Allgemeingültigkeit von Entwicklungsergebnissen.
Im Rahmen des Software Engineering hat die Modellierung vor allem im Rahmen der Anforderungsanalyse für die Entwicklung von Software bedeutende Konsequenzen für die darauf folgende Softwareentwicklung. Schon 1968 wurde auf der „NATO Software Engineering Conference“ in Garmisch der Begriff der „Softwarekrise“ geprägt [NaRa- 69]. Im Kern ist diese bis heute andauernde Diskussion [siehe u. a. Luc-75, LyHi-87, Gib-94, Bou-97, Jia-99] neben Sicherheitsaspekten, beispielsweise für Luft- und Raumfahrt, auf die Qualität von Software fokussiert.