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3 2 1 - Im Kreis der Verschwörer - Thriller

Tony Kent

 

Verlag Heyne, 2019

ISBN 9783641240431 , 624 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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11,99 EUR


 

5

»Bamboo hat den Torbogen durchquert. Stagecoach auf drei, Maverick, Mercenary, Footprint und Falcon an Bord. Snapshot und Snow auf vier in Half Back, zusammen mit Wallflower und Warrior.«

Dempsey warf einen Blick auf seine Uhr. Zwölf Minuten waren seit der Übertragung in McGregors Büro vergangen. Jene erste Nachricht hatte die zeitlichen Abläufe festgelegt. Bisher lief alles nach Plan, fast bis auf die Sekunde genau. Dempsey schüttelte bewundernd den Kopf.

Die Amerikaner sind verdammt effizient.

Doch Dempsey konnte sich nicht erlauben, nur wegen der Effizienz des Secret Service nachlässig oder gar selbstgefällig zu werden. Bis jetzt hatten ihn diese Leute beeindruckt, doch er würde wachsam bleiben müssen. Sich anders zu verhalten konnte Menschenleben kosten. Das wusste er aus bitterer Erfahrung.

Dempsey sah zu seinen eigenen neun Agenten, der DDS-Einheit. Handverlesene Männer und Frauen, die sich allesamt bei ihren früheren Einsätzen als herausragend erwiesen hatten. Sie waren die Besten der Besten. So außergewöhnlich, dass sie Callum McGregor aufgefallen waren. Hart genug, um die Auswahlprozedur des DDS erfolgreich hinter sich zu bringen. Dempsey schenkte niemandem leichtfertig sein Vertrauen, doch jedes Mitglied seines Teams hatte es verdient.

Die neun Agentinnen und Agenten waren genau dort, wo sie sein sollten. Einsame Gestalten am Ende jedes Ganges, im Niemandsland zwischen den Gästen und der Bühne. Sie alle trugen makellose schwarze Zweireiher, schimmernd weiße Hemden und schmale schwarze Krawatten. Die offiziellen schwarzen Sonnenbrillen vervollständigten das Bild. Jeder Einzelne von ihnen hätte als Komparse in einem Hollywoodfilm auftreten können. Nur die unübersehbare Ausbuchtung zwischen der linken Brust und der Achselhöhle unter ihren Jacketts sprach eine andere Sprache. Diese Männer und Frauen waren tatsächlich das, wonach sie aussahen.

Nicht dass Dempsey jemals daran gezweifelt hätte. Er vertraute vollkommen darauf, dass sie alle ihre Pflicht tun würden. Und dass sie genauso handeln würden, wie sie es in den letzten achtundvierzig Stunden immer wieder geübt hatten. Heute waren auf dem Platz zehn Gänge eingerichtet worden; sie bildeten die einzigen offenen Routen durch das Meer der Stühle, das heute einen gewaltigen Platz füllte, der üblicherweise der Öffentlichkeit frei zur Verfügung stand. Neun dieser Gänge wurden von Dempseys Agenten überwacht. Der zehnte und einzige, in dem sich im Augenblick kein Agent befand, war anders. Ihn würden die VIPs nehmen. Auf diesem Weg würden sie zur Bühne gelangen. Sollte es zu irgendeinem Zwischenfall kommen, würde er sich wahrscheinlich genau hier abspielen. Und eben deswegen war dies Dempseys Gang.

Damit wurde von Dempsey selbst mehr erwartet als von seinen Agenten. Deren Aufgabe war einfach. Sie mussten nur auf dem ihnen zugeteilten Fleck verharren. Regungslos, aber wachsam. Ihre Blicke mussten überall sein. Dempseys Aufgabe war komplexer. Zwar würde er am Ende genau dasselbe tun wie seine Leute, doch zunächst musste er die VIPs von der Absperrung zur Bühne begleiten.

Es hörte sich einfach an. Solche Dinge hören sich immer einfach an.

Wieder erklang ein Summen in Dempseys Ohrhörer – als gleichsam ständiger Kommentar zu jeder Bewegung der Wagenkolonne, entsprechend dem amerikanischen Motto: »Nachrichtendienstliche Informationen sind alles.« Wenn man jedes Detail und jede Bewegung kennt, dann kann einfach nichts schiefgehen. Dempsey dachte anders. So simpel war es nie.

Dempsey ging zum Eingang an der nordwestlichen Ecke des Platzes und nahm seine Position ein. Von hier aus verfügte er nur über eine eingeschränkte Sicht, wegen der Absperrung, die den Platz umgab. Diese Absperrung war eine notwendige Sicherheitsmaßnahme. Doch in der Politik wird manchmal sogar das Notwendige verborgen. Zweitausend Gäste hatten das Glück, sich heute auf dem Platz aufhalten zu dürfen. Millionen andere nicht. Die Absperrung diente dazu, sie auf Distanz zu halten. Andererseits war fast jeder, der dieser unerwünschten Masse angehörte, ein registrierter Wähler, weshalb eine Art Tarnung nötig war. Zu diesem Zweck hatte man die Absperrung mit Hunderten Metern von Stoffbahnen aus blauem Samt drapiert. Zusammen mit dem besonders strapazierfähigen Teppich, der den Boden bedeckte, sowie der Bühne am Nordende und den zweitausend Stühlen, die ihr gegenüberstanden, wirkte der Trafalgar Square wie der größte Konferenzraum, den Dempsey jemals gesehen hatte. Alles diente ausschließlich dazu, die Öffentlichkeit zu täuschen. Und die Tatsache zu verschleiern, dass nur Prominente Zugang zum inneren Bereich des Platzes bekamen.

Die Täuschung funktionierte. Das lag auf der Hand, wenn man den Lärm hörte. Als Dempsey durch den magnetischen Sicherheitstorbogen spähte, der den Zugang zum inneren Bereich markierte, konnte er die Ankunft der Wagenkolonne des Präsidenten sehen. Ironischerweise war das die einzige Sache, die er nicht erst zu sehen brauchte. Der Jubel der Menge war ohrenbetäubend, ihre Begeisterung war echt. Dempsey kannte nur zwei Politiker, die dermaßen bewundert wurden, und ob sie nun zu sehen waren oder nicht: Der Lärm genügte bereits, um ihn wissen zu lassen, dass die beiden eingetroffen waren.

Dempsey konzentrierte sich auf die Szene, die durch den Torbogen gleichsam eingerahmt war. Seine Sicht war eingeschränkt, aber ausreichend. Es schien unmöglich, dass der Jubel der Menge noch lauter werden würde, doch irgendwie geschah genau das in jenem Moment, in dem die Wagenkolonne – vom Secret Service auf den Codenamen »Bamboo« getauft – langsam zum Stehen kam.

»Bamboo« hatte die kurze Strecke vom Buckingham Palace im Schritttempo zurückgelegt. Jeweils acht Agenten der Presidential Protection Division hatten die einzelnen Fahrzeuge im Laufschritt begleitet. Kein Einziger von ihnen war in Schweiß ausgebrochen, ein Zeichen für die hervorragende Kondition der Männer. Alleine deswegen hätte Dempsey sich sicherer fühlen sollen. Eigentlich. Aber so war es nicht.

Die Stimme in Dempseys Ohr teilte ihm mit, dass es sich bei dem Wagen des Präsidenten – Codename »Stagecoach« – um das dritte Fahrzeug der Kolonne handelte. Das wusste Dempsey bereits. Er hatte beobachtet, wie dieser Wagen genau an der Stelle anhielt, die dem Eingang am nächsten war. Das Fahrzeug war gerade zum Stehen gekommen, als die Passagiere auch schon ausstiegen.

Nur das offensichtliche Gewicht der hinteren Türen des 2009er Cadillacs deutete darauf hin, wie sehr man die Limousine des Präsidenten modifiziert hatte. Es war das erste Mal, dass Dempsey dem legendären Gefährt so nahe kam. Nichts daran schien besonders ungewöhnlich. Hätte Dempsey es nicht besser gewusst, hätte er niemals erraten können, wie sehr der Wagen seinem Spitznamen – »Die Bestie« – gerecht wurde. Die Limousine wog mehr als ein durchschnittlicher Kipplaster und verfügte über eine zwölfeinhalb Zentimeter dicke militärische Panzerung, die dem direkten Treffer eines einfachen Raketenwerfers standhalten konnte. Ultra-High-Performance-Reifen, die es dem Fahrer erlaubten, sich unabhängig vom Zustand der Räder mit Höchstgeschwindigkeit fortzubewegen. So dickes Panzerglas, dass kaum natürliches Licht in das Wageninnere drang. Die Limousine war fast ein Atombunker auf Rädern. Ein Ort, an dem der Präsident vollkommen sicher war. Hätte man das nur auch vom Trafalgar Square behaupten können.

Das Team des Secret Service umstellte »Stagecoach«, noch bevor die Räder aufgehört hatten, sich zu drehen. Wieder wurde Dempsey die Sicht versperrt. Doch auch diesmal kam es nicht darauf an, dass er etwas sah. Der Lärm der Menge verriet ihm, dass das Publikum in diesem Augenblick US-Präsident Knowles und First Lady Veronica – Codenamen »Marverick« und »Mercenary« – tatsächlich zu Gesicht bekam. Dempsey wusste, dass der britische Premierminister William Davies und seine Frau Elizabeth bei ihnen sein würden: »Footprint« und »Falcon«, wie der Secret Service sie nannte.

Das Schicksal aller vier Personen lag nun in den Händen der besten Agenten der Presidential Protection Division. So würde es bleiben, bis sie die Schwelle des Platzes überquert hätten. Erst dann war Dempsey für sie verantwortlich.

Und das geschah keineswegs sofort, denn zunächst vergingen mehrere Minuten, in denen Knowles die Beifallsstürme genoss. Während Davies, der als Politiker lange nicht so beliebt war, sich in dem Glanz sonnte, der dabei auf ihn abstrahlte, konnte Dempsey nur abwarten und zusehen, wie der Secret Service seine Aufgabe erledigte.

Die Amerikaner zeigten eindrucksvoll, wie die Dinge gemacht werden sollten. Anders als jene riesenhaften Gorillas, von denen sich gewisse Berühmtheiten beschützen ließen und die dabei unablässig den Star im Auge behielten, der ihr Gehalt bezahlte, waren Präsident Knowles’ Leute unauffällig und effizient. Ihre Blicke waren dort, wo sie sein sollten. Unablässig taxierten sie die Menge, nie wandten sie sich Knowles zu. Ihre Aufgabe bestand darin, jede Bedrohung des Präsidenten frühzeitig zu erkennen. Und wenn Knowles nicht gerade Selbstmord begehen wollte, würde diese Bedrohung wohl kaum vom Präsidenten selbst ausgehen.

Minuten verstrichen ohne ein Anzeichen dafür, dass der Jubel der Menge nachlassen würde. Genau das machte Dempsey Sorgen. Es machte ihm sogar jede Menge Sorgen. Solange die VIPs den Platz noch nicht betreten hatten, standen sie auch nicht unter seinem Schutz, und das bedeutete, dass Dempsey vorerst nichts für sie tun konnte. Für einen Mann, der sein Leben darauf aufgebaut hatte, sich nur auf sich selbst zu verlassen und immer alles unter Kontrolle zu haben, war das Gefühl der Machtlosigkeit...