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Nimue Alban: Kampf um Safehold - Roman

David Weber

 

Verlag Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2019

ISBN 9783732573974 , 735 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR

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.I.


Sheryl-Seridahn-Kanal
die Südmarschen,
Republik Siddarmark


»Scheiße«, entfuhr es Lieutenant Klymynt Hahrlys voller Inbrunst. Er stemmte sich hoch und wuchtete sich aus dem knietiefen Matsch, der ihm soeben den Stiefel vom rechten Fuß gesogen hatte.

»Wird langsam ’n bisschen arg zäh, Sir«, meinte Gyffry Tyllytsyn, sein Zugführer, mitfühlend. Er stapfte durch den trügerisch fest wirkenden Matsch auf seinen Vorgesetzten zu, um ihm eine helfende Hand zu reichen.

Hahrlys spie aus und kam mit Tyllytsyns tatkräftiger Hilfe endlich wieder auf die Beine. Seine nun nackten Zehen verkrampften sich im kalten, nassen Matsch, und Matsch gab es auch reichlich vom Gesicht zu wischen. Währenddessen schob der Sergeant vornübergebeugt die Hand tief in selbigen Matsch und tastete nach dem dort verschwundenen Stiefel. Mit einem befriedigten Grunzlaut und unter Einsatz der gesamten Kraft seiner Arme zog er das Schuhwerk aus dem tiefen Schlagloch, das sich unter dem allgegenwärtigen Schlamm so effektiv verborgen hatte. Tyllytsyn drehte den Stiefel um, und breiiger Matsch, ein ganzer Strom davon, ergoss sich klatschend auf den Boden. Als der Strom zum Rinnsal verebbte und schließlich versiegte, schüttelte der Sergeant den Stiefel noch einmal aus, ehr er ihn seinem Eigentümer reichte.

»Vielleicht woll’n Sie sich auf meine Schulter stützen, Sir, bis wir aus diesem Schlammsee hier raus sind«, schlug er vor. »Wär vielleicht auch keine schlechte Idee, den Quartiermeister davon zu überzeugen, noch ’n Paar Stiefel für Sie aufzutreiben.« Er verzog das Gesicht. »Wird wirklich Zeit, dass Sie ’n neues Paar kriegen – diesmal eins mit Schnürsenkeln und so. Das hier wieder sauber zu kriegen, das wird nicht leicht wer’n.«

»Und wie kommen Sie auf die Idee, unser Quartiermeister hätte noch ein Paar in meiner Größe?«, fragte Hahrlys säuerlich, nahm den Stiefel entgegen und klemmte ihn sich unter den linken Arm. Dann stützte er die linke Hand auf die Schulter des Sergeanten und hüpfte auf einem Bein durch den immer seichter werdenden Schlamm, der besagtes Schlagloch umsäumte.

»Na, was das angeht … ich hätt’ da noch diese Flasche Whisky, die Edwyrds und ich irgendwann gebunkert ham. Vielleicht hilft das ja seinem Gedächtnis auf die Sprünge.«

»Bestechung ist gegen die Vorschriften.« Hahrlys warf Tyllytsyn einen strengen Blick zu, dann zuckte er mit den Schultern. »Außerdem wird’s vermutlich nicht funktionieren. Stiefel scheinen im Moment tatsächlich Mangelware zu sein.«

»Das weiß man immer erst, wenn man’s probiert hat, Sir«, gab der Sergeant gelassen zurück, und Hahrlys schnaubte belustigt auf.

Endlich hatten sie festeres Erdreich unter den Füßen. Mit einem dankbaren Lächeln nahm Hahrlys die Hand von der Schulter des Unteroffiziers. Ein Blick auf den geretteten Stiefel, und das Lächeln wich einem angewiderten Gesichtsausdruck. Die Vorstellung, seinen Fuß wieder in diesen Stiefel zu schieben, behagte ihm nicht. Aber ihm blieb keine Zeit für eine gründliche Reinigung und die Trocknung des malträtierten Schuhwerks. Captain Maizak hatte eine Offiziersbesprechung anberaumt, die in weniger als zwei Stunden beginnen sollte, und der Kommandostand der Kompanie lag noch mehr als eine Meile weit vor ihnen. Die Vorstellung, diese Strecke barfuß – oder halb barfuß – zurücklegen zu müssen, behagte Hahrlys noch weniger. Außerdem war sein Fuß ja ohnehin von demselben Matsch bedeckt, der das Innere des Stiefels auskleidete. Früher oder später würde sich der Matsch aufwärmen, was das Laufen erträglicher machen würde.

Er seufzte und wünschte sich, der Quartiermeister hätte tatsächlich noch ein paar Kampfstiefel in seiner Größe vorrätig – die Sorte Kampfstiefel, die auch unter den herausforderndsten Bedingungen am Fuß bliebe! Leider hatte Hahrlys außergewöhnlich große Füße, weit jenseits aller Standardausführungen, und zwei Sätze anständiger Kampfstiefel (mit Schnürsenkeln!) hatte er schon verschlissen. Deswegen besaß er jetzt nur noch das Paar ungeschnürter Stulpenstiefel, wie sie die Berittene Infanterie der Imperial Charisian Army zu tragen pflegte. Natürlich war er nicht der Einzige aus seinem Zug, der dringend neue Stiefel benötigte. Es stand zu hoffen, dass schon bald Stiefelnachschub einträfe – rechtzeitig genug, um zu verhindern, dass sich der halbe Zug eine Lungenentzündung einfinge.

Hahrlys verzog das Gesicht, schob seinen Fuß entschlossen in den Lederschaft hinein … und hörte das Schmatzen.

»Dann sollten wir jetzt wohl wieder, Gyffry!« Er schaffte es nicht, seine Resignation in dem Maße zu verbergen, wie sich das bei einem Offizier gegenüber Untergebenen gehörte. Tyllytsyn aber diente nun schon sehr lange unter ihm, und so lachte der Sergeant nur leise.

»Da haben Sie wohl recht, Sir«, pflichtete er Hahrlys bei und stapfte weiter durch den Matsch. Dabei ging er vorsichtiger vor als sein Leutnant eben: Er mied verdächtig aussehende Bereiche. Gemeinsam marschierten sie in Richtung der Pioniere, die die Landstraße parallel zum Sheryl-Seridahn-Kanal instand setzten – beziehungsweise das, was von der Straße übrig geblieben war.

Rumpelnd näherte sich ihnen von hinten ein von einem Drachen gezogener Frachtwagen. Davon gab es hier viele, ein schier endloser Zug von Wagen, tagaus, tagein. Beladen ließen sich die Frachtwagen wegen der schlechten Straßenverhältnisse nämlich nur zu einem Drittel. Tyllytsyn trat einen Schritt zur Seite, um Drachen und Wagen passieren zu lassen. Die Räder des Karrens waren fast mannshoch, und doch versanken sie hier und dort fast bis zur Nabe im Schlamm. Die Drachen mussten alle Kraft aufbringen, um sie von der Stelle zu bewegen. Die armen Viecher gaben ihr Bestes. Es war ein Shan-wei-Kreis: Wegen des Matsches vermochten sie höchstens zwei Drittel der Versorgungsgüter herbeizuschaffen, die bei den vorgeschobenen Einheiten der Thesmar-Armee so dringend benötigt wurden. Man war gezwungen, alles über das Gelände unmittelbar neben der Straße zu transportieren, weil das Vorankommen auf der völlig zerstörten Landstraße selbst noch mühseliger war. Das wiederum war der Grund für den Matsch, und dieser der Grund für die Behinderung der Versorgungstransporte. Der fehlende Nachschub aber machte den schwer schuftenden Pionieren ihre Arbeit noch schwerer, die ja nur deshalb schufteten, damit der Versorgungstross wieder die Landstraße nutzen konnte.

Genau deswegen hatten die Dohlaraner sich während ihres Rückzugs so viel Mühe gegeben, den nachrückenden Charisianern so wenig wie möglich Nutzbares zu hinterlassen. Der düstere Gedanke beschäftigte Hahrlys, während er dem Sergeanten durch den sanften Nieselregen folgte. Wenigstens goss es gerade einmal nicht, selten genug. Der Winter in den Südmarschen war zwar nicht so unerbittlich kalt wie in den nördlicheren Provinzen des Königreichs, aber das war auch schon das Beste, was man über ihn sagen konnte. Statt eisig und frostig war es kalt und nass, was auch dafür sorgte, dass man sich erbärmlich fühlte. Schon bald – innerhalb der nächsten ein oder zwei Fünftage – würden die Temperaturen so weit absinken, dass der Matsch über Nacht zumindest teilweise gefrieren würde. Vom Monatsende an wäre das aufgewühlte Erdreich auch tagsüber gefroren. Dann hätten die Charisianer endlich wieder vernünftigen Boden unter den Füßen, nicht nur eine trügerisch feste oberste Schicht, die unter jedem einbräche, der dumm genug war, ein paar Schritte darauf zu wagen. Aber vielleicht würde das Wetter ihnen diesen Gefallen auch nicht tun. Nein, gewiss wäre es, so Hahrlys’ Überzeugung, nicht derart entgegenkommend.

Mutter meint immer, das Praktische am Pessimismus sei, dass man eigentlich so gut wie immer positiv überrascht werde, sagte er sich selbst. Aber schaut man sich das bisherige Wetter an, muss jeder, der immer noch nicht zum Pessimismus konvertiert ist, bekloppt sein!

Donnergrollen in der Ferne brachte Hahrlys dazu, sich umzuwenden. Er blickte nach Westen, dem rumpelnden Frachtkarren hinterher. Das Donnergrollen hatte dem unablässigen Regen zum Trotz nichts mit dem Wetter zu tun. Hahrlys’ Kiefermuskeln arbeiteten, als das Dröhnen der Artillerie anschwoll. Es war die düstere Erinnerung daran, warum sich seine Männer durch knie-, manchmal gar hüfttiefen Morast kämpften und sich abmühten, die Landstraße wieder ansatzweise nutzbar zu machen. Die Front lag weniger als fünf Meilen vor ihnen, aber das Vorrücken der Thesmar-Armee glich qualvollem Kriechen durch alles durchweichenden Morast.

Er wischte sich Regen und, nicht zu vergessen, Matsch aus den Augen und spähte am Kanal entlang, als glaubte er, tatsächlich Mündungsfeuer erkennen zu können. Ein Ding der Unmöglichkeit. Aber das war auch nicht nötig, um genau zu wissen, was dort vorn geschah. Das Dröhnen detonierender Mörsergeschosse klang völlig anders als das Bellen schwerer Geschütze. Diesen Unterschied nahm jeder wahr, der beides so reichlich zu hören bekommen hatte. Und das Artillerieduell war mittlerweile nicht mehr völlig einseitig.

An Truppenstärke hatte Sir Fahstyr Rychtyrs Seridahn-Armee nicht sonderlich gewonnen: Die Königlich-Dohlaranische Armee schien Schwierigkeiten zu haben, hinreichend ausgebildete Männer aufzutreiben. Aber Rychtyrs Regiment wurde mit einer kleinen, aber stetig wachsenden Zahl von Hinterladergewehren aus dohlaranischer Fertigung versorgt. Das war nicht gut, ebenso wenig wie das Auftauchen bandverstärkter Geschütze und erster in Dohlar gefertigter Steilfeuergeschütze an der Front. Glücklicherweise gab...