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G. F. Unger Sonder-Edition 152 - Das Gesetz von River Bend

G. F. Unger

 

Verlag Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2018

ISBN 9783732573677 , 80 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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1,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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Maggie Ballard und deren Mädchen stehen an der Reling der Willamette Queen, als das Dampfboot an einer der Landebrücken von River Bend festmachen will.

Es ist fast schon Abend, und die wilde Stadt am Willamette River kommt jetzt in dieser Stunde so richtig in Betrieb.

An einem Pfahl der Landebrücke lehnt ein Mann. Maggie Ballard deutet zu ihm hinüber und spricht dann zu ihren sieben Mädchen: »Seht ihr den da? Dies ist Luke Larkin, der Marshal von River Bend. Er ist ein verdammter Hundesohn, ein Mistkerl, wie es keinen zweiten gibt. Und er nennt sich das Gesetz von River Bend. Ich bin sehr froh, dass wir hier nur Holz übernehmen und einige Passagiere und Stückgut absetzen. Gleich geht es weiter. Denn müssten wir in dieser Stadt bleiben, dann ginge es uns schlecht. Wir würden bald nur noch für diesen Hundesohn anschaffen.«

Sie hat kaum ausgesprochen, als einer der beiden Kessel der Willamette Queen wie eine aufgepustete Tüte, die man zwischen zwei Händen zum Platzen bringt, hochgeht.

Doch der platzende Kessel der Willamette Queen ist keine harmlose aufgepustete Papiertüte, sondern ein mit kochendem Wasser gefüllter Riesenkochtopf, bei dem sich kein Deckel hebt, um den Dampf rauszulassen. Es gibt also eine Explosion, denn die Kessel der Willamette Queen sind ohnehin schon alt und haben viele durchgerostete Nieten.

Die Explosion ist gewaltig, und das kochende Wasser schießt mit den Trümmern der Deckaufbauten auf der Backbordseite gen Himmel.

Da sie aber mit der Steuerbordseite anlegen wollten, werden Maggie und deren Mädchen nicht sofort in Mitleidenschaft gezogen – auch alle anderen Passagiere nicht, die an der Reling das Anlegen beobachten wollten.

Maggie Ballard ist eine entschlossene Frau.

Sie kreischt mit sich überschlagener Stimme – denn sie weiß ja, es geht um Sekundenbruchteile: »Springt! Zum Teufel, springt!«

Sie tun es sofort, denn auch sie sind keine dummen Gänse, sondern erfahrene Frauen, die sich schon mehr als einmal in Gefahr befanden.

Als sie untertauchen zwischen dem Schiff und der Landebrücke, da fliegt auch der zweite Kessel in die Luft, mit ihm der Rest der Aufbauten – und viele menschliche Körper.

Es ist eine der üblichen Schiffskatastrophen, wie sie in diesen Jahren auf den Strömen nicht selten vorkommen, weil die Maschinisten immer wieder die Überdruckventile zu fest zudrehen müssen, um genügend Dampf zu schaffen als Kraft gegen die reißende Strömung.

Der Willamette River führt leichtes Hochwasser. Vorhin noch wurde diese Dampfkraft benötigt, beim Anlegen dann aber nicht mehr.

Maggie Ballard, deren Mädchen und einige andere Passagiere, die ebenfalls sofort sprangen, bleiben lange unter Wasser und werden von der Strömung fortgerissen.

Als sie endlich auftauchen und dem Ufer zustreben, sehen sie, dass die Reste der Willamette Queen brennen. Denn natürlich flogen auch die Feuerbuchsen auseinander und schleuderten die Glut überall hin.

Sie sammeln sich dann endlich keuchend an Land, hocken beisammen wie eine Schar durchnässte Hennen. Einige übergeben sich, weil sie zu viel Wasser schluckten.

Dann sagt Esther voller Überzeugung: »Merde, merde, merde!«

Sie ist französischer Abstammung und kommt aus New Orleans. Und dort sagt man nun mal »Merde«, wenn man sich Luft machen will.

Josie pflichtet ihr sofort bei und spricht bitter: »Ja, da sitzen wir jetzt drin bis zum Hals.«

Neben ihnen stieg ein Mann an Land, der sich ebenfalls am Ufer niederhockte, um sich die Stiefel auszuziehen und das Wasser auszugießen. Dieser Mann wendet ihnen den Kopf zu und spricht tröstend: »Schwestern, es hätte schlimmer kommen können, nicht wahr? Ihr schafft es gewiss schnell, wieder auf die Beine zu kommen. Euch geben hier gewiss viele Anleger Kredit zu günstigen Zinsen. Ihr seid bald wieder ganz oben. Denn jede von euch ist schön. Ihr seid alle was Besonderes. So schöne Frauen …«

»Sie reden Unsinn, Bruder«, unterbricht ihn da Maggie Ballard. »Sie wissen wohl nicht, was dies für eine Stadt ist? Haben Sie denn nicht den Mann auf der Landebrücke gesehen? Noch nie etwas von Luke Larkin gehört, dem Gesetz von River Bend?«

Ihre Stimme klingt zuletzt voll höhnender Bitterkeit.

»Doch, doch«, erwidert der Mann, indes er sich die Stiefel wieder anzieht. Es sind Cowboystiefel aus allerfeinstem Leder, wie sie nur von besonderen Künstlern in Texas angefertigt werden und die so viel kosten wie fünf gute Pferde.

»O ja«, spricht er weiter. »Ich habe von diesem Town Marshal schon gehört.«

Er erhebt sich.

»Viel Glück, Schwestern«, spricht er noch und geht dann auf der Uferstraße davon.

Sie sehen ihm nach. Dann spricht Esther: »Der ist doch ein Texaner. Ja, der kommt aus Texas. Da wette ich. Was macht ein Texaner hier oben in Oregon auf dem Willamette River? Der ist aber weit weg von seiner Heimatweide.«

»Das sind viele Texaner«, erwidert Maggie Ballard, »besonders dann, wenn sie als Revolverschwinger oder Spieler unterwegs sind oder Schatten auf ihren Fährten haben. Zerbrechen wir uns nicht unsere Köpfe wegen dieses Burschen. Gehen wir!«

Die brennenden und qualmenden Reste der Willamette Queen wurden indes von der Strömung abgetrieben. Da und dort hocken Überlebende, die sich ans Ufer retten konnten.

Es kamen auch Neugierige herbei, wie es ja immer bei Katastrophen der Fall ist.

Doch man kann nirgendwo in der zunehmenden Dämmerung jemanden erkennen, der helfen will, der sich um die nassen oder gar verletzten Menschen kümmert, die nur das nackte Leben retten konnten. Einige sind böse verbrüht vom kochenden Kesselwasser.

Es herrscht Not, und man hört auch klagende Stimmen, böses Fluchen.

Doch die Neugierigen sehen nur zu.

In der nahen Stadt aber gehen jetzt überall die Lichter an.

Die Neugierigen wenden sich ab und kehren zurück in die Lokale. Denn River Bend wird bei Anbruch der Nacht zu einer wilden Amüsierstadt.

Der Fluss wird eingesäumt von gewaltigen Wäldern. Überall sind Sägemühlen. Und aus den Wäldern schafft man auf den Zuflüssen – zumeist angestaute Creeks – fortwährend Holz heran.

Dieses Holz ist vergleichbar mit Gold oder Silber, denn es bringt Geld. Holzfäller, Sägewerkarbeiter und Flößer – all diese hart arbeitenden Burschen lassen in einer Stadt wie dieser jede Nacht den Puma raus, stürzen sich in rasende Orgien, die erst mit dem letzten Dollar ihr Ende nehmen.

Auch Maggie Ballard wollte mit ihren Mädchen zu solch einer Stadt. Denn den Holzfällern und Flößern das schwerverdiente Geld abzunehmen, dies ist ihr Gewerbe.

Doch nun sitzen sie ausgerechnet in der Stadt fest, die sie meiden wollten, weil es hier Luke Larkin gibt.

Dieser steht mitten auf dem Uferweg, als sie herankommen.

»Hey, ihr nassen Katzen«, begrüßt er sie. »Willkommen in River Bend. Maggie Ballard, ich habe dich sofort an Bord erkannt. Gewiss hast du deinen Katzen gesagt, was für ein Mistkerl ich bin. Na gut, dann ist ja alles klar zwischen uns. Und nun müsst ihr mich schön bitten, dass ich euch in die Stadt lasse. Es gibt nämlich hier ein Gesetz, welches mir zur Pflicht macht, jeden Landstreicher aus der Stadt zu weisen. Und Landstreicher ist, wer keine Arbeit hat und keine Barmittel vorzeigen kann, die es möglich machen, drei Tage und Nächte Essen und Unterkunft zu bezahlen. Habt ihr so viel Geld bei euch?«

Zuletzt klingt seine Stimme höhnend.

Auf den Fußsohlen wippend und mit gegen die Hüften gestemmten Händen steht er vor ihnen. Und er ist ein harter, gnadenloser Bursche.

Maggie Ballard aber wendet sich an ihre Mädchen. »Habe ich euch nicht gesagt, dass er ein verdammter Mistkerl ist«, spricht sie.

Dann sieht sie Luke Larkin wieder an.

»Wir alle tragen etwas Schmuck an den Fingern, Handgelenken oder am Hals. Wir werden eine ganze Menge Dollars zusammenbekommen und …«

»Nein«, unterbricht er Maggie Ballard hart. »Ihr werdet keinen Schmuck verkaufen in meiner Stadt. Er könnte gestohlen sein. Ihr könntet ihn wie Hehler billig erworben haben. Ich muss die Bürger dieser Stadt davor schützen, dass sie selbst Hehler werden. Ihr habt nur eine Chance, und du kennst diese Chance, Maggie. Wir sind ja schon alte und gute Bekannte, nicht wahr?«

»O ja, du verdammter Hundesohn, das sind wir leider«, erwidert sie. »Du willst also unsere völlige Unterwerfung?«

»Auf eine Truppe wie euch habe ich nur gewartet«, erwidert er. »Und es wird euch ja auch nicht schlecht gehen. Ich lasse euch die Hälfte aller Einnahmen. Also, gehen wir.«

Er wendet sich und setzt sich in Bewegung.

Maggie Ballard aber murmelt: »Kommt Zeit, kommt Rat. Wir sind in seiner Stadt. Ja, wir müssen uns ihm unterwerfen. Er hat uns in der Falle. Gehen wir, Kinderchen, gehen wir mit ihm. Ich kenne ihn. Er ist ein harter Hundesohn. Er blufft nie. Folgen wir ihm. Wir brauchen eine Unterkunft, Kleidung, Essen. Folgen wir ihm, bis wir klarer sehen hier in River Bend.«

Sie setzt sich in Bewegung, und sie ist immer noch eine reizvolle Frau.

Es gab mal eine Zeit, da gehörte sie diesem Kerl und war verrückt nach ihm. Damals war er ihr sehr viel jüngerer Beschützer und Liebhaber – bis er sie mit jüngeren Frauen betrog und sie fortschickte.

Sie kann ihn vor sich erkennen. Groß und schlank schreitet er voraus, ein Mann, der sich leicht bewegt, fast wie ein Tänzer. Aber er ist bei aller Hagerkeit ein Schwergewicht.

Sie biegen in eine Gasse ein, welche...