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Perry Rhodan 3010: Willkommen auf Gongolis - Perry Rhodan-Zyklus 'Mythos'

Susan Schwartz

 

Verlag Perry Rhodan digital, 2019

ISBN 9783845360102 , 64 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz frei

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1,99 EUR


 

1.

Eine Lektion in Französisch und Vertrauen

 

Über der Zentrale der BJO BREISKOLL lag eine tosende Stille, während sich das Schiff langsam dem Agnisystem näherte.

Sholotow »Tenga« Affatenga war die Widersprüchlichkeit des Begriffs durchaus bewusst. Das änderte jedoch nichts daran, dass er die Ruhe als ohrenbetäubend empfand.

Oberstleutnant Muntu Ninasoma saß zurückgelehnt in seinem Kommandantensessel, die Beine ausgestreckt, ein altertümlich aussehendes Buch in der Hand, als würde er lesen. Tenga nahm es ihm keine Sekunde lang ab. Vermutlich lugte er über den Buchrand hinweg und starrte auf den Hologlobus wie der Rest der Zentralebesatzung.

Neben dem Kommandanten stand Perry Rhodan. Die Arme hielt er hinter dem Rücken verschränkt. Seine Enkelin Farye Sepheroa-Rhodan lehnte etwas abseits auf Höhe des Ortungsoffiziers Terzio Adamato an der Wand. Offenbar versuchte sie, einen entspannten Eindruck zu vermitteln, ihre unruhigen Finger ruinierten die Fassade jedoch.

Das Holo zeigte in einer Mischung aus normaloptischen Aufnahmen, Ortungsergebnissen sowie Symbolen- und Zahlenkolonnen das Ziel der BJO und ihrer Crew.

Tengas Ansicht nach lautete die bedeutsame Frage: Flogen sie zu einem Treffen mit zwei Agenten des NDE – oder geradewegs in einen Hinterhalt?

Dass diese Gefahr bestand, sollte jedem an Bord klar sein. Tenga jedenfalls erkannte sie.

Gewiss, Rhodan hatte Kondayk-A1 und Cyprian Okri vor gut zwei Wochen nach anfänglichen Missverständnissen dabei geholfen, von einer Ausweglosen Straße – einem Gefängnis der Cairaner – zu entfliehen. Damit war er seinem alten Freund Reginald Bull zumindest indirekt nahe gekommen.

Gewiss, die beiden Agenten hatten zugesagt, ein Treffen mit Bull zu arrangieren oder ihm zumindest eine Botschaft zu schicken.

Der NDE – der Nachrichtendienst Ephelegon – zählte nach bisherigen Erkenntnissen nicht zu den engsten Freunden der Cairaner und stand in der Nachfolge des Liga-Dienstes, musste also sowohl aus Gründen der Tradition als auch gemäß der alten Der-Feind-meines-Feindes-Regel als Verbündeter gelten.

Trotzdem ...

Was wusste Rhodan, was wusste der Rest der Besatzung, was wusste Tenga tatsächlich über diesen Geheimdienst? Was sie aus den abgehörten Hyperfunksprüchen und -nachrichten erfahren hatten, widersprach sich fast immer, konnte also ohne Absicherung nie als verlässlich gelten. Und was Kondayk-A1 und Okri selbst erzählt hatten, war im besten Fall subjektiv eingefärbt – und im schlimmsten Fall schlicht gelogen.

Mit anderen Worten: Jeder an Bord hoffte auf ein Treffen mit Bull, hoffte auf Antworten, was in den letzten fünfhundert Jahren in der Milchstraße geschehen war und weshalb man Terra nur mehr als Mythos ansah. Zugleich fürchtete jeder, dass es so einfach nicht werden würde.

Denn wann war es jemals einfach gewesen?

Vielleicht – aber nur vielleicht – irrte sich Tenga, und er war der Einzige, der dem Rendezvous im All mit gemischten Gefühlen entgegensah. Er fasste nur langsam Vertrauen zu anderen, so viel Selbstkritik musste sein. Aber lieber witterte er eine Falle zu viel als eine zu wenig.

Noch zeigte das Holo ein unspektakuläres System aus zwei unspektakulären roten Sonne und vier noch unspektakuläreren unbelebten Gasriesen, die sie umkreisten. Kein ortbares Raumschiff, weder vom NDE noch von den Cairanern. Das musste jedoch nichts heißen, schließlich näherte sich auch die BJO BREISKOLL im Schutz des Paros-Schattenschirms, war also so gut wie unsichtbar und nicht zu orten.

Oder besser gesagt: Sie war es gewesen, gemessen am technologischen Stand der Milchstraße vor fünfhundert Jahren, in der alten Zeit vor dem unfreiwilligen Zeitsprung. Wer wusste schon, ob das im Jahr 2045 Neuer Galaktischer Zeitrechnung weiterhin galt? Vielleicht hatte sich die Technik so sehr verbessert, dass an Bord feindlicher Schiffe gerade ein Warnsignal ertönte und auf einen Raumer hinwies, der erfolglos versuchte, sich zu tarnen.

Auch dazu wäre eine Auskunft von Reginald Bull höchst willkommen, wie zu tausend anderen Punkten.

In regelmäßigen Intervallen sendete die BJO ein Signal auf der selten benutzten Funkfrequenz in Richtung des Agnisystems, die Rhodan mit Okri und Kondayk-A1 vereinbart hatte. Eine Wir-sind-da-Nachricht, die hoffentlich nur die Agenten empfingen.

Ein leises Räuspern erklang, verwehte und überließ der Stille erneut die Herrschaft über die Zentrale. Wenn Tenga sich nicht irrte, hatte es Donn Yaradua von sich gegeben, der zwei, drei Schritte neben Farye stand, offenbar ebenfalls gefangen vom Anblick des Holos und von der Furcht, was es jeden Moment zeigen konnte.

Tenga hasste die Stille. Sie ließ ihn allein mit seinen Gedanken.

Sag, Tenga, führst du deshalb so häufig Selbstgespräche? Um mit der äußeren Stimme die innere zu übertönen?

Er seufzte. Genau solche Gedanken meinte er, und sie kamen ungebeten.

Vor einigen Wochen hatte ihn Osmund Solemani, einer seiner besten Freunde an Bord, gefragt, was er durch den Zeitsprung verloren habe. An den Wortlaut seiner Antwort konnte sich Tenga nicht mehr erinnern, doch sinngemäß hatte er gesagt, dass ein Abenteurerleben wie seines keine engen familiären Bindungen erlaube. Seine Eltern waren zwar in der alten Zeit zurückgeblieben, jedoch weder Frau noch Kinder.

Die Wahrheit, nichts als die Wahrheit, und dennoch nicht ganz vollständig. Denn er hatte durchaus jemanden verloren; nicht durch den Zeitsprung, sondern weit davor. Trotzdem machte das den Verlust oder die unerfüllbare Sehnsucht nicht weniger schmerzhaft.

Noch genau erinnerte er sich an ihre Stimme, an ihre Augen, an ihren Geruch. Vor allem an ihren Geruch.

Bisher hatte er es nicht einmal übers Herz gebracht, seinen besten Freunden Winston Duke und Osmund Solemani davon zu erzählen. Er wollte nicht darüber sprechen. Mit niemandem. Nicht einmal mit sich selbst.

Aber weshalb dachte er dann nach dem Zeitsprung so oft darüber nach? Hätte er sie in der Vergangenheit zurückgelassen, wäre sie inzwischen genauso tot, wie sie es tatsächlich war.

Gab es in dem Fundus kluger Sätze, die sein Vater so häufig bemüht hatte, nicht auch einen Spruch für diese Situation? Ach ja: Lass die Vergangenheit ruhen. Ein Mann, der nur nach hinten blickt, stolpert auf dem Weg nach vorne.

»Ortung!«, sagte Terzio Adamato.

Das Wort riss Tenga aus den Gedanken. Am liebsten hätte er den Kameraden hinter dem Schaltpult der Funk- und Ortungsabteilung dafür umarmt, was in der Zentrale eines Raumschiffs allerdings wohl unangemessen war. Ganz davon abgesehen, dass er sich mit seinem Siganesen-Gardemaß von exakt 22,03 Zentimeter bei dem normal gewachsenen Terraner schwertun würde.

Muntu Ninasoma klappte sein Buch zu, legte es bedächtig neben sich auf die Konsole und befahl in ruhigem Tonfall: »Details!«

Das Holo zoomte auf die Doppelsonne, aus deren Ortungsschutz sich ein imposantes Schiff schob: ein eintausendzweihundert Meter durchmessender Kugelraumer der DANTON-Klasse, an dessen unterem Pol ein scheibenförmiger Container von fünfhundert Meter Durchmesser und dreihundert Meter Dicke angedockt war. Darunter hing ein weiterer Container, kleiner, aber immer noch gewaltig.

»Die TREU & GLAUBEN«, sprach Rhodan aus, was jeder sah. »Das Schiff von Kondayk-A1.«

»Weitere Ortungssignale?«, fragte Muntu Ninasoma.

»Negativ«, antwortete Adamato.

»Zeigen wir uns«, entschied der Kommandant. »Paros-Schattenschirm aus!«

Zehn Sekunden lang hielt jeder den Atem an. Die BJO BREISKOLL kehrte zurück in die sicht- und ortbare Realität. Keine Flotte der Cairaner tauchte plötzlich auf, keine anderen Raumer, nichts. Alles blieb ruhig.

Ein gutes Zeichen, nicht wahr, Tenga?

»Anruf von der TREU & GLAUBEN«, meldete Terzio Adamato.

»Annehmen!«, sagte Rhodan.

Der Hologlobus blendete neben dem Schiff einen unscheinbaren Terraner ein. Hager, nein: dürr, grauhaarig, harmlos. Cyprian Okri, Buchhalter des erfolgreichen, charismatischen Händlers Kondayk-A1 – zumindest offiziell. Tatsächlich hatte Rhodan ihn als agil, fit und keineswegs so hinfällig und alt beschrieben, wie sein Äußeres glauben machte. Genauso wenig war er in Wirklichkeit der Untergebene des barnitischen Kaufmanns, sondern als Kopf des Agentenpaars dessen Vorgesetzter.

Tenga wünschte sich, er wäre bei dem Abenteuer auf der Ausweglosen Straße dabei gewesen und hätte sich selbst ein Bild von den NDE-Agenten im Einsatz machen können. Er verließ sich ungern auf die Einschätzung Dritter, selbst wenn dieser Dritte Perry Rhodan hieß.

»Ihr seid pünktlich«, sagte Okri mit verblüffend dumpfem Bass.

»Überrascht dich das?«, fragte Rhodan. »Mein alter Freund Reginald Bull wartet seit fast fünfhundert Jahren auf ein Wiedersehen. Das hoffe ich wenigstens. Jede weitere Minute ist eine zu viel.«

Rhodan lächelte. Freundlich, offen, gewinnend, wie es seine Art war.

Tenga fragte sich, wie es in seinem Inneren aussah. Immerhin stand er kurz davor, Bulls Antwort zu erhalten. Stimmte dieser einem Treffen zu? Hielt er sich gar an Bord der TREU & GLAUBEN auf? Oder erwies er sich als übervorsichtig? Schließlich war Perry Rhodan aus seiner Sicht eine sehr lange Zeit verschwunden gewesen. Wer garantierte ihm, es wirklich mit seinem ältesten Freund zu tun zu haben?

Allerdings galt das anders herum genauso. Handelte es sich bei dem Residenten der Liga Freier Galaktiker im Ephelegonsystem tatsächlich um Reginald Bull oder nur um...