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Mission SOL 10: Die Höllenfahrt der SOL

Olaf Brill

 

Verlag Perry Rhodan digital, 2019

ISBN 9783845353357 , 64 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz frei

Geräte

1,99 EUR


 

Höllenfahrt, die – Altterranischer Mythos: Der Heiland steigt nach seinem Tod in die Unterwelt hinab und befreit die Seelen der Verdammten.

Enzyklopaedia Terrania

 

 

1.

21. Oktober 1552

Neue Galaktische Zeitrechnung

Tag 1

 

Der Schrei gellte durch die Hauptzentrale der SOL. Kreischend schraubte er sich in die Höhe, sodass einige der jungen Solaner sich die Ohren zuhielten.

Der Kommandostand des Raumschiffs war nur notdürftig besetzt. Viele aus der Besatzung waren wegen des Vibra-Psi ausgefallen, das auf ihre Bewusstseine drückte, seit sie in die Proto-Chaotische Zelle vorgestoßen waren. Andere hielten sich mühsam mit Medikamenten bei Verstand.

Das Schlimmste aber war: Der da schrie, war Roi Danton, Perry Rhodans Sohn.

Danton war auf den Emotionautensessel geschnallt, seine Finger krampften sich in die Armlehnen. Sein Kopf war vollständig von der SERT-Haube bedeckt, aus der zahlreiche Kabel hinausliefen, die Dantons Gehirn direkt mit dem Raumschiff verbanden.

»Er hat Kontakt zu dem Fragment!«, rief der Yakonto Colwin Heltamar.

»Es wird ihn umbringen!«, brüllte Rhodan.

Heltamar hatte die SERT-Haube so modifiziert, dass sämtliche vorgeschriebenen Grenzwerte überschritten wurden. Er wollte damit ein besonderes Parafragment anlocken, ein mächtiges Wesen, das in der Proto-Chaotischen Zelle hauste. Sobald das Fremdbewusstsein auf den Mann unter der Haube übergegangen war, so die Theorie, würde es die anderen Parafragmente verjagen – Bewusstseinssplitter, die von der Besatzung der SOL Besitz ergriffen hatten.

Rhodan spürte in diesem Moment, dass das Experiment scheiterte. Danton schrie wie ein Wahnsinniger, der jegliche Kontrolle verloren hatte. Schweiß lief seinen Hals hinab.

Urplötzlich erinnerte die SERT-Liege Rhodan an einen elektrischen Stuhl. Sein Heimatland hatte diese archaischen Geräte noch zu seiner Zeit als Risikopilot eingesetzt, um damit Verbrecher zu exekutieren. Er hatte damals voller Abscheu Berichte von misslungenen Hinrichtungen gelesen, bei denen der Kopf des Delinquenten Feuer gefangen hatte.

Aber nun war es sein Sohn, der auf einem solchen Stuhl saß. Der Schweiß an Dantons Hals färbte sich rot.

»Aufhören!«, schrie Rhodan. Er spürte, wie auch ihm der Stirnschweiß ausbrach. Rinnsale liefen seitlich am Gesicht hinab und tropften vom Kinn. Das allgegenwärtige Vibra-Psi machte ihm zu schaffen, trotz Zellaktivator und Medikamenten.

Vor allem aber war es die Sorge um seinen Sohn, die ihm die Sinne raubte. Wie oft hatte er ihn schon verloren? Wie standen die Chancen, dass Roi Danton diesmal nicht zurückkehrte?

»Sofort aufhören! Schaltet die Haube ab!«, rief Perry Rhodan.

Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis die Kontrollleuchten an dem Gerät erloschen. Das Visier klappte mit einem Klick hoch, die Haube fuhr nach oben.

Dantons Kopf und Oberkörper sackten nach vorn, wurden nur von den Gurten aufgehalten. Die Haare klebten in seinem Gesicht. Blut lief aus den Nasenlöchern.

Rhodan keuchte. Er sprang zu seinem Sohn, packte ihn an den Schultern und drückte ihn sanft zurück in den Sessel.

Danton stöhnte. Er lebte!

Mahlia Meyun war herangetreten, tupfte Blut und Schweiß von Dantons Gesicht und unterzog ihn einem medizinischen Scan.

Auf ihrer Stirn hatte sich ebenfalls ein feiner Schweißfilm gebildet. Alle in der Zentrale standen am Rande ihrer Leistungsfähigkeit.

Danton stammelte. Zunächst nur sinnloses Gebrabbel, formte es sich mit schwerer Zunge schließlich zu Worten. »Ich habe seinen Geist gesehen ... Er weiß so viel! Er ist ... so ... groß! Ach, Perry!«

Der Kopf sank wieder auf die Brust, in gnädige Bewusstlosigkeit.

Meyun drückte Dantons Kopf zurück auf die Kopfstütze, öffnete seine Lider und untersuchte auch seine Augen mit einem medizinischen Gerät. Sie nickte Rhodan beruhigend zu. Die Lage war ernst, doch Danton lebte.

Das Parafragment, das sie hatten einfangen wollen ... Es war Danton offenbar tatsächlich gelungen, es anzulocken. Er hatte Kontakt zu dem Chaoswesen bekommen. Als Rhodan den Befehl zum Abschalten gegeben hatte, war diese Verbindung jedoch abgerissen.

Pravo Ylapp machte durch ein Räuspern auf sich aufmerksam. Sein Gesicht war bleich. »Es kommen Meldungen aus verschiedenen Sektionen des Mittelteils rein, Perry. Einige der Mannschaftsmitglieder sind aus ihrem apathischen Zustand erwacht. Sie wirken desorientiert, fragen, was los ist.«

»Wir schicken Medoroboter hin!«, entschied Meyun mit fester Stimme. Die Heilerin der Solaner-Nachfahren hatte medizinische Notfälle fest im Griff. In anderer Hinsicht ... Nun ja, die Beziehung zwischen Rhodan und ihr war kompliziert. Er würde bald mit ihr darüber reden müssen.

Meyun löste sanft die Gurte des elektrischen Stuhls und half mit, Danton auf eine Antigravliege zu heben, die Momente später geräuschlos davonschwebte.

Die Heilerin trat an Rhodan heran. »Das war knapp.« Sie zeigte ihm ihren Medoscanner. »Dein Sohn hat eine Hirnblutung erlitten, die wir sofort behandeln müssen.«

Der Blick auf das Diagnosegerät brachte Rhodan wieder zu Sinnen. »Das ist die Hirnregion, die für die Mentalstabilisierung operiert wurde«, stellte er fest.

Die Mentalstabilisierung war ein chirurgisches Verfahren, dem sich Danton ebenso wie Rhodan unterzogen hatte. Dabei wurden bestimmte Nervenbahnen im Gehirn durchtrennt und neu verknüpft, sodass der Patient gegen psionische Angriffe geschützt war.

»Dort wäre das fremde Bewusstsein eingedrungen ...« Rhodan wandte sich ruckartig Heltamar zu, dem grünhäutigen Yakonto mit den katzenhaften Augen. »Stimmt das? Konnte dein Chaoswesen nicht zu meinem Sohn vordringen, weil sein Gehirn nicht dazu geeignet ist?«

Als ginge ihn das alles nichts an, zog Heltamar am Mundstück seiner Glaspfeife und blies weißen Rauch aus. Heltamar, der führende Vertreter der Eoracten. Heltamar, der Verbrecher. Die Eoracten betrogen seit Jahrmillionen den Regierenden Rat von Evolux, indem sie eine Proto-Chaotische Zelle im Innern des Riesenplaneten stabilisierten und erforschten. Heltamars Machenschaften hatten dazu geführt, dass der Mittelteil der SOL in dieser Chaoszone gefangen wurde. Er war es aber auch gewesen, der Rhodan und seinen Begleitern den einzigen Weg gewiesen hatte, die SOL aus diesem Gefängnis zu befreien.

»Ich weiß nichts über das Gehirn deines Sohns, ehrenwerter Perry Rhodan!« Der Yakonto paffte noch eine Rauchwolke in den Raum. »Wenn du gestattest?«

Mit einer Handbewegung aktivierte er eine rotierende Holosphäre in der Größe eines Fußballs, die vor seiner Brust aufleuchtete und unheimliche Schatten auf seine Stirn warf.

Rhodan nickte kurz. Das hyperinpotronische Zentralgehirn SENECA nahm es als Zeichen, den Yakonto gewähren zu lassen.

Mit filigranen Fingern griff Heltamar in das Holo, bewegte es mal in die eine, dann die andere Richtung und las dadurch selektiv Informationen über die SOL aus den Rechnersystemen des Raumschiffs aus.

»Wie ich sehe«, sagte er bedächtig, »sind etwa zwei Dutzend Besatzungsmitglieder von den Parafragmenten befreit.« Er verzog sein smaragdgrünes Gesicht zu einer bedauernden Fratze. »Sie sind verwirrt. Es geht ihnen schlecht. Viele sind in einen tiefen Erholungsschlaf gefallen. Aber soweit ich dies den elektroenzephalografischen Daten entnehmen kann, sind sie nicht mehr besessen. Das Verfahren hat also funktioniert. Obwohl dein Sohn ... nicht der richtige Mittler war.«

Rhodan schwankte, ob er den ehemaligen Wissenschaftsrat von Beliosa erwürgen oder umarmen sollte. Das Experiment mit der SERT-Haube hätte Danton den Tod bringen können. Aber es war auch ein halber Erfolg geworden. Nun mussten sie nur noch die anderen rund neuntausendachthundert Solaner befreien.

Die Zeit drängte. Höchstens vier Stunden, hatte Heltamar gewarnt, durften sie in der Proto-Chaotischen Zelle verweilen, bevor sie für immer im Chaos verloren gingen. Diese Frist war beinahe abgelaufen.

»Ich werde unter die SERT-Haube gehen!«, beschloss Rhodan.

»Aber du bist gewiss ebenfalls mentalstabilisiert, nicht wahr? Also kommst du nicht infrage!«

»Dieses Verfahren würde jedem anderen den Tod bringen«, beharrte Rhodan grimmig. »Das war der einzige Grund, warum Roi als Zellaktivatorträger es probiert hat. Ich muss es versuchen, trotz Mentalstabilisierung. Wir haben keine andere Wahl!«

»Ich glaube doch!«, meldete sich eine zitternde Stimme. Dann fester: »Ich werde es tun!«

Perry Rhodan fuhr herum.

Es war Pravo Ylapp.

 

*

 

»Das wirst du nicht!«, lehnte Rhodan ab. »Es wird dich umbringen! Du hast gesehen, was mit Roi geschehen ist, und er trägt einen Zellaktivator! Du würdest wahnsinnig werden oder sterben.«

Pravo Ylapps Unterkiefer zitterte. Seit Perry Rhodan den ehemaligen Bescheidenen Diener kennengelernt hatte, war aus ihm ein mutiger und wissbegieriger junger Mann geworden, mit rötlich-dunkelbraunem Haar und einem freundlichen Gesicht, das an Bord der SOL-Zelle 2 durch rekonstruktive Fazialstimulation wiederhergestellt worden war. Ylapp hatte sogar zu lächeln gelernt, auch wenn es noch nicht immer richtig echt aussah. Als das Orakel von Takess ihm ermöglicht hatte, die Hypnoschulung zu empfangen, die er zuvor nicht vertragen hatte, war er für eine kurze Zeit aufgeblüht. Und nun wollte er sich freiwillig einem Verfahren aussetzen, das mit großer Sicherheit zu seinem Tod führen würde?

»Das Orakel hat mein Gehirn auf unbekannte Weise geheilt«,...