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Das siebte Opfer - Psychothriller

Mary Burton

 

Verlag beTHRILLED, 2019

ISBN 9783732575589 , 472 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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4,99 EUR

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1


Austin, Texas

Montag, 20. Mai, 6:45 Uhr

Nimm dir mal eine Auszeit.

So hatte der letzte, verlogene Satz des Captains gelautet, als er Texas Ranger James Beck vor drei Wochen beurlaubt hatte.

Die Worte ratterten in Becks Kopf, während er seinen schwarzen Bronco am Tatort parkte, der dreißig Kilometer südlich von Austin abseits des Zubringers zur Interstate 35 lag. Die Sonne des anbrechenden Tages glühte rot in der dunstigen Hitze und erhob sich langsam über dem hügeligen, staubigen Landstrich, über Felsen, Sträucher und kümmerliche Bäume. Auf dem Seitenstreifen standen ein Lastwagen mit Bauholz, ein halbes Dutzend Polizeiwagen von County-Sheriffs sowie ein Wagen der Spurensicherung. Die morgendlichen Pendler brachten mit ihrer Gafferei bereits den Verkehr zum Stocken.

Seltsamerweise besserte das kontrollierte Chaos die Anspannung, die Becks unterem Rücken zusetzte. Er saß jetzt ganz offiziell wieder im Sattel, die erzwungene Ruhe des »Urlaubs« war endlich vorbei.

Der Ursprung von Becks Schwierigkeiten lag sechs Monate zurück, als die zehnjährige Misty Gray verschwunden war. Der Letzte, der Misty gesehen hatte, war Matt Dial, der Freund ihrer Mutter, der mit den beiden zusammenlebte und der der Polizei berichtete, das Mädchen sei zu Freunden spielen gegangen und anschließend verschwunden.

Nachdem drei Tage ohne ein Lebenszeichen des Kindes vergangen waren, hatten die örtlichen Polizeibehörden die Texas Rangers hinzugezogen, und Beck hatte den Fall übernommen. Die Rangers, die viele Menschen nur aus Erzählungen über den Wilden Westen kannten, waren in Wirklichkeit eine moderne Eliteeinheit der texanischen Behörde für öffentliche Sicherheit, auch bekannt als DPS.

Nachdem Beck Dial zwanzig Minuten lang verhört hatte, wusste er, dass der Bauarbeiter log. Doch je mehr Fragen Beck abfeuerte, desto schneller kamen Dials Dementis.

Die Suche nach Misty war für Beck eine persönliche Angelegenheit geworden, auch als in den Zeitungen schon lange nicht mehr von der Rettung des Mädchens, sondern nur noch von der Suche nach seiner Leiche die Rede war. Als Dial, der sich als das schwarze Schaf einer betuchten Familie entpuppte, sich wegen Becks verbissener Verfolgung beschwerte, hatte Becks Chef Zurückhaltung angeordnet, bis der politische Gegenwind sich legte. Beck hatte den Befehl missachtet und Dial in seiner Freizeit beschattet. Zwei Wochen waren vergangen, ehe der arbeitslose Bauarbeiter zu einem mitternächtlichen Ausflug auf eine abgelegene Farm aufgebrochen war. Beck, der ihm dicht auf den Fersen gewesen war, hatte Dial beobachtet, wie er einen alten Schuppen aufschloss und einen großen Plastiksack herauszerrte, groß genug für eine Kinderleiche. Mit gezogener Waffe hatte Beck Dial aufgefordert, stehen zu bleiben, worauf dieser eine 45er hob und abdrückte. Dials Kugel ging fehl, doch Becks Schüsse trafen ihn in die Brust und streckten ihn sofort nieder. In dem Sack hatte man Mistys verwesende Leiche gefunden.

Die Leute von der Spurensicherung hatten in die Schuppenwände eingeritzte kindliche Botschaften vorgefunden, außerdem herumliegende Lebensmittelpackungen und leere Wasserkanister. Nach ihren Erkenntnissen hatte das Mädchen in dem Schuppen drei Wochen überlebt, bevor es an Austrocknung gestorben war.

Als Dials Familienanwälte während der anschließenden Ermittlungen den Charakter des Kindes infrage stellten, war bei Beck die Sicherung durchgebrannt. Er hatte Dinge gesagt, die ein Mann mit etwas politischem Feingefühl nicht geäußert hätte, und am Ende hatte Becks Vorgesetzter eine Suspendierung bei fortlaufendem Gehalt angeordnet.

»Machen Sie sich drei schöne Wochen. Halten Sie sich bedeckt. Nehmen Sie sich eine Auszeit.«

Scheiße.

Beck hatte diese Zeit in der Werkstatt seines Großvaters verbracht und sich dort die Hände unter der Haube eines 67er Mustangs schmutzig gemacht. Seine Tat hatte er nie bereut, genauso wenig wie seine unverblümte Offenheit gegenüber den Anwälten. Als er während der obligatorischen psychologischen Sitzungen gefragt worden war, ob ihm die Schießerei noch zu schaffen mache, hatte er aufrichtig verneint. Sein Bedauern galt dem kleinen Mädchen, das während drei einsamer Wochen gelitten hatte. Dem kleinen Mädchen, das er nicht hatte retten können.

Beck massierte sich mit der schwieligen Hand die steifen Nackenmuskeln, während die Polizeilichter auf der frisch gewachsten Karosserie seines Wagens flackerten und das gelbe Plastikband über das spröde, braune Gras neben der Zufahrtsstraße strich. Er griff nach seinem weißen Stetson, der Standardausrüstung eines Texas Rangers, und stieg aus.

Sein Exil war offiziell beendet.

Der Kies knirschte unter seinen polierten Cowboystiefeln, und in seinem Hosensaum verfing sich staubtrockener Schmutz, als er neben der Zufahrtsstraße an dem Lastwagen und den aufgereihten Polizeiwagen vorbeiging.

Trotz seiner fünfunddreißig Jahre bewegte Beck sich mit der Energie eines jungen Mannes. Wenn er wegen seines raschen Schrittes aufgezogen wurde, witzelte er, die vielen Treffer in seiner Zeit als Highschool-Quarterback hätten ihn Wachsamkeit gelehrt, und er sei noch immer bereit, jederzeit in Deckung zu gehen.

Beck nickte zu den ortsansässigen Polizisten hinüber, blieb bei ein paar von ihnen stehen und schüttelte anderen die Hand. Bei allen erntete er die besten Wünsche und einen herzlichen Willkommensgruß.

Dreißig Meter abseits der Straße entdeckte er seinen Kollegen Rick Santos. Der große, hagere Texas Ranger nahm seinen eigenen Stetson ab und wischte sich mit einem roten Halstuch den Schweiß von der Stirn. Santos, der ebenfalls in den Dreißigern war, sah zum Morgenhimmel und fluchte lautlos über die Temperaturen, die heute auf nahezu vierzig Grad steigen sollten. Texaner pflegten zu sagen, dass es in diesem Staat nur zwei Jahreszeiten gab – Winter und Sommer.

Die Sonne hatte Linien in die Haut um Santos‘ Augen gegraben, seine Haut goldbraun gebrannt und Glanzlichter in seinem dunklen Haar hinterlassen. Sein Outfit ähnelte dem von Beck, allerdings bevorzugte Santos schmale Cowboy-Krawatten gegenüber den traditionellen, die sein Kollege trug.

Beck blickte zum Wagen der Spurensicherung hinüber, der den Blick auf die Leiche verdeckte. Bei seinem Anruf um fünf Uhr morgens hatte Becks Captain in Austin ihm nicht viel über den Fall gesagt: Weiblich, jung und in der Mitte des hundertzwanzig Kilometer langen Abschnitts zwischen Austin und San Antonio aufgefunden. Der Tatort lag mitten im Gebiet der größten Abteilung der Texas Rangers, der Company F, die sowohl Countys südlich von San Antonio als auch etliche nördlich von Austin umspannte.

Als Beck auf ihn zukam, hielt ihm Santos, der zu San Antonio gehörte, die Hand hin. »Anscheinend hat man uns beide zur Party eingeladen.« Santos hatte einen kräftigen Händedruck. »Wie ich höre, hat dich der Anruf des Captains heute Morgen unter einem Auto hervorgeholt. Arbeitest du immer noch an dieser Schrottmühle, die du einen Wagen nennst?«

Zu ruhelos, um zu schlafen, war Beck an seinem ersten Arbeitstag um drei Uhr morgens zur Werkstatt seines Großvaters gefahren und hatte an dem Mustang herumgeschraubt. »Bewahrt mich davor, in Schwierigkeiten zu geraten.«

Oberhalb von Santos‘ Kiefer zuckte ein Muskel. »Niemanden hat es gefreut, als sie dich aus dem Verkehr gezogen haben.«

Für einen Augenblick stieg Zorn in Beck auf, doch er zwang sich zur Ruhe. Ressentiments würden ihm nicht dabei helfen, das nächste Monster zu fangen. »Buße ist gut für die Seele.«

Santos sah aus, als wollte er noch etwas sagen, ließ es dann jedoch sein. »Du kennst doch Deputy Eli Stiles, nicht wahr?«

»Klar. Wir haben bei ein paar Autodiebstählen zusammengearbeitet.«

»Gut. Er wird dir die Einzelheiten erzählen.«

Sie fanden Eli gleich hinter dem Absperrband vor, wo er seinen Spezialisten bei der Arbeit zusah. Er war ein großer Mann mit sorgsam rasiertem Schädel und einem breiten, grau melierten Schnurrbart. In seiner Jugend war er gut in Form gewesen, doch dreißig Jahre im Streifenwagen hatten ihn einen Bauch ansetzen lassen.

Deputy Stiles umschloss Becks Hand mit eisernem Griff. »Schön, Sie wieder auf Achse zu sehen, Mann.«

Auf Fragen zu den letzten drei Wochen hatte Beck keine Lust, auch nicht, wenn sie gut gemeint waren. Es wurde Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen. »Wir sind nicht zum Plaudern hier.«

Deputy Stiles zog seinen Hut ein Stück in die Stirn. »Nein, Sir, bestimmt nicht. Ich habe hier eine Tote, die Sie sich mal ansehen sollten.«

Beck nickte. »Was ist an ihr so besonders?«

»Das ganze Setting ist komisch. Deswegen habe ich die Rangers dazugeholt.«

Beck stemmte die Hände an die Hüften. »Wieso komisch?«

Der Deputy schüttelt den Kopf. »Sagen Sie es mir.«

»Mach dir selbst ein Bild, Beck«, sagte Santos. »Du wirst schon sehen.«

Das Trio duckte sich unter dem gelben Absperrband hindurch und tauchte hinter der Kriminaltechnikerin wieder auf, die für einen Augenblick den Blick auf die Leiche verdeckte. Als sie beiseitetrat, sah Beck das Opfer zum ersten Mal richtig.

Die Frau lag auf dem Rücken, die Hände über der Brust gefaltet. Das blonde Haar war auf dem Boden ausgebreitet, wie auch der weit ausgestellte Rock. Sie sah wie ein düsterer Engel aus.

»Als ich sie gesehen habe, musste ich gleich an die Tote denken, die sie vor drei Wochen in San Antonio gefunden haben«, sagte Deputy Stiles.

Da Beck zu...