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berufsbildung 176 - 04/2019 - Zeitschrift für Theorie-Praxis-Dialog

Marianne Friese, Josef Rützel

 

Verlag berufsbildung - Eusl Verlag, 2019

ISBN E041921991944 , 50 Seiten

Format PDF, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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Nun auch noch Lernortkooperation 4.0?

In neueren Publikationen und auch Förderinitiativen scheint sich eine gewisse Renaissance der Lernortkooperation anzukündigen. So wird beispielsweise für das BMBF-geförderte Programm zur Gestaltung von Innovationen für eine exzellente berufliche Bildung (InnoVET) ausdrücklich die Schaffung neuartiger, qualitativ hochwertiger Lernortkooperationen als Förderziel ausgeschrieben. Diese Entwicklung kann nicht überraschen. Zwar ist die Lernortkooperation auf der Makroebene seit Jahrzehnten etabliert und funktional, sie ist zur Normalität des deutschen Berufsbildungssystems geworden. In den Ebenen darunter wird sie jedoch lediglich in Einzelfällen und Projekten auf einem pragmatischen und koordinierenden Niveau zwischen ungleichen Partnern entwickelt. Die Kooperation der betrieblichen und berufsschulischen Lernorte ist zentraler Bestandteil eines auf systematische „Zweiheit“ – Dualität – angelegten Berufsbildungssystems. Das ist zum einen durchaus physisch zu verstehen: das methodisch geleitete berufliche Lernen, die angestrebte Kompetenzentwicklung, findet in Schul- und Schulungsräumen, in Laboren, Skills-labs und Lehrwerkstätten, in betrieblichen und überbetrieblichen Ausbildungszentren, in Schul- und Betriebsgebäuden, in Büros, auf Baustellen oder am Krankenbett, direkt in und nahe an realen Arbeitsprozessen, aber auch entfernt in Klassenräumen statt. Zunehmend aber auch an virtuellen bzw. digital angereicherten „Orten“ oder mittels digitaler Technologien, die die physischen Entfernungen zwischen Lernern und Lernorten medial überbrücken.

Die Digitalisierung der Arbeitswelt, mittlerweile als Megatrend breit beachtet, intensiv gefördert und beforscht, hat bereits jetzt, und verstärkt in schon wenigen Jahren, erhebliche Auswirkungen auf die Gestaltung von Ausbildungsberufen – auf die Art und Weise des Wissens- und Kompetenzerwerbs sowieso. Zwar zeigen sich in diesen Analysen auch eine ganze Reihe von Kontinuitäten in der technologischen Entwicklung. Die aktuellen tiefgreifenden Veränderungen – und das zeigen auch die in diesem Heft versammelten Beiträge – passieren jedoch in praktisch allen beruflichen Fachrichtungen und vielen Branchen gleichzeitig. Hieraus lassen sich auch längerfristige Impulse für die Lernortkooperation auf Meso- und Mikroebene erwarten.

Insbesondere die didaktische Gestaltung von beruflichen Lernprozessen zu Verständnis, Anwendung und Gestaltung komplexer Technologien im Kontext von vernetzter Automatisierung vieler Arbeitsprozesse in Produktion und Dienstleistung kann nicht auf elaborierte Konzepte zurückgreifen. Vielmehr sind diese hinsichtlich spezifischer Bedarfe erst berufs- und lernortübergreifend zu entwickeln. Das dafür notwendige fachliche und fachdidaktische Know-how steht nicht komplett an einzelnen Lernorten zur Verfügung und lässt insbesondere die intensivierte Zusammenarbeit von KMU und Berufsschulen notwendig erscheinen.

Im Hinblick auf die didaktischen Innovationen im Kontext des beschleunigten technologischen Wandels zur digitalisierten, vernetzten und automatisierten Arbeitswelt kommt zumindest den ambitionierten und bisweilen auch gut ausgestatteten Berufsschulen inzwischen eine aktivere Rolle zu. Im Unterschied zu den 1990er Jahren, als Leittexte, das dezentrale Lernen sowie das Konzept der vollständigen Handlung in Ausbildungsabteilungen von Großbetrieben entwickelt und von berufsschulischen dualen Partnern adaptiert wurden. Dies müsste dazu führen, dass nunmehr auch Unternehmen, v. a. KMU, ein stärkeres Eigeninteresse an einer didaktisch fundierten Lernortkooperation auf der Meso- und Mikroebene haben.

Ob diese Lernortkooperation selbst nun auch im Wesentlichen digitalisiert und zur Generierung didaktischer Innovationen wirksam eingesetzt werden kann – sich somit in die Analogie der „4.0“ Entwicklungen stellen ließe –, ist im Moment zumindest eher skeptisch zu sehen. Der Einsatz von Online-Plattformen oder auch Onlineberichtsheften ist dabei ein zunächst vielversprechendes, aber letztlich häufig mit zu hohen Erwartungen versehenes Mittel. Dessen Wirksamkeit hinsichtlich einer Verbesserung der Lernortkooperation ist stark von den jeweiligen Nutzenerwartungen der Akteure und dem bisher erreichten Niveau der Zusammenarbeit abhängig. In der Praxis der dualen Berufsausbildung wird die Bedeutung der unmittelbaren Lernortkooperation (auf Mikroebene) einerseits überschätzt. Unter Rückgriff auf das BBiG, die bundesweit gültigen Ordnungsmittel sowie die Strukturen auf der Makro- und Exoebene handeln die Akteure in der Eigenlogik ihrer jeweiligen Institution – gemessen am Ausbildungsziel letztlich durchaus erfolgreich. Andererseits wird ihr Potenzial in der Bearbeitung innovativer und anspruchsvoller didaktischer Problemstellungen bisher eher unterschätzt, wie zurzeit im Kontext von Digitalisierung als Gegenstand und Methode der Berufsbildung deutlich wird. Die Etablierung einer so verstandenen „Lernortkooperation 4.0“ kann man nur begrüßen.
Prof. Dr. Uwe Faßhauer
Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd
Berufspädagogik / Institut für Bildung, Beruf und Techni