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Bollywood und die Briten. Die Darstellung der ehemaligen Kolonialmacht im populären Hindi-Kino. Eine Pilotstudie.

Soheila Owzar

 

Verlag Diplomica Verlag GmbH, 2009

ISBN 9783836622509 , 94 Seiten

Format PDF, OL

Kopierschutz frei

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"Kapitel 1.5.4.1, Konfrontation der Weltbilder:
Die Kolonisation war nicht nur eine (äußerliche) Begegnung von Kolonisator und Kolonisierten, sondern auch ein Aufeinandertreffen sehr unterschiedlicher Kulturwerte. Konzepte wie ein individualistischer Personenbegriff oder das Ideal der Kleinfamilie waren den indigenen Völkern unbekannt und setzten die Kolonisierten einem Kulturschock im eigenen Land aus. Naipaul spricht von einer „Revolution“ im Bewusstsein des kolonialen Menschen: Eigene kulturelle Selbstverständlichkeiten wurden dabei in Frage gestellt und erforderten eine Anpassungsleistung. Einer der wichtigsten Bereiche interkultureller Begegnung war die Religion .
Das Ausmaß westlichen Einflusses auf die indigenen Kulturen hing von zwei Variablen ab. Zum einen gingen Kolonialregime und Missionsträger in unterschiedlicher Intensität gegen indigene Kulte und Glaubensüberzeugungen vor. Während sich beispielsweise die katholische Kirche von Anfang an sehr invasiv verhielt, verzichteten die protestantischen Mächte im gesamten Kolonisationsbereich bis ins frühe 19. Jahrhundert auf eine Christianisierung und „Zivilisierung“ der Einheimischen. Zum anderen zeigten sich die indigenen Kulturen in unterschiedlichem Ausmaß resistent gegen westliche Missionierungsversuche. Die Produkte des Aufeinandertreffens von Tradition und Moderne waren daher vielgestaltig. Häufig kam es im Zuge einer kulturellen Orientierungskrise zur Umformulierung einheimischer Religionen. Den Hinduismus als Weltreligion gab es beispielsweise im vorkolonialen Indien noch nicht, weshalb er auch als „eine von der europäischen Wissenschaft gezüchtete Orchidee“ bezeichnet wurde. Im Falle des Islam resultierte sogar eine Stärkung der einheimischen Kultur, dieser missionierte selbst und war gegen Christianisierungsbemühungen praktisch immun.
Memmis Porträt des Kolonisierten:
In seinem Werk „Der Kolonisator und der Kolonisierte“ fügt Memmi (1980) verschiedene Aspekte der kolonialen Situation zu einem „Porträt“ des Kolonisierten zusammen. Einige dieser Aspekte sollen hier kurz beschrieben werden.
Entmenschlichung:
Der Kolonisierte wird durch den Kolonisator systematisch (im Sinne einer Rechtfertigung der kolonialen Unterdrückung) entwertet:
(a) Der Kolonisierte und alles, was mit ihm zu tun hat, wird grundsätzlich negativ bewertet: „Ob es sich um moralische oder soziologische, ästhetische oder geographische Vergleiche handelt, ... alles ist stets und überaus minderwertig, und zwar aufgrund einer schicksalhaften und schon immer bestehenden Ordnung.
(b) Der Kolonisierte wird nicht als Individuum, sondern immer nur als Teil eines anonymen Kollektivs betrachtet: „Der rassistische Vorwurf, der gegenüber dem Kolonisierten erhoben wird, kann nicht anders als kollektiv sein“.
(c) Der Kolonisator bestreitet das Recht des Kolonisierten auf Freiheit, für den es kein Entkommen aus der kolonialen Situation gibt: „Der Kolonisierte hat keine freie Wahl, ob er Kolonisierter sein will oder nicht“.
Dem Kolonisierten werden auf diese Weise nach und nach sämtliche Attribute seines Menschseins genommen: Am Ende sei er „kaum noch ein menschliches Wesen ... Im Extremfall ... bräuchte er nur noch in Bezug auf die Bedürfnisse des Kolonisators zu existieren, d.h., er müßte sich zum reinen Kolonisierten gewandelt haben.
Mystifizierung:
Memmi bezeichnet dieses negative Bild des Kolonisierten als „zerstörerische Wahnvorstellung“ des Kolonisators, verhängnisvoller sei jedoch die Zustimmung des Kolonisierten selbst. Die ständige und allgegenwärtige Konfrontation mit diesem negativen Bild von sich, hinterlasse tiefe Spuren in der Psyche des Kolonisierten und führe schließlich zur Akzeptanz dieses Bildes: „So gewinnt es eine gewisse Realität und wird zu einem Bestandteil des wirklichen Porträts des Kolonisierten“.
Historische und gesellschaftliche Verarmung
Im Gegensatz zum Bürger eines freien Landes, ist der Kolonisierte nicht Subjekt seiner Geschichte, was Memmi als die gravierendste Einschränkung im Leben des Kolonisierten betrachtet: „Die Kolonisation beraubt ihn jeder freien Anteilnahme, im Krieg wie im Frieden, jeder Entscheidung, die für das Schicksal der Welt wie für das eigene von Bedeutung wäre, jeder historischen und gesellschaftlichen Verantwortung“.
Bürgerschaft:
Der Kolonisierte ist nicht an der Regierung seines Landes beteiligt. Die lang anhaltende Unterbrechung autonomer Machtausübung führt zu einem Mangel an Kompetenz und verursacht schließlich Desinteresse und Unmotiviertheit. Memmi vermutet, die Kolonisation habe die Entwicklung eines Nationalbewusstseins beim Kolonisierten verlangsamt und sei Ursache für spätere nationalistische Entwicklungen.
Da er [der Kolonisierte] ... die Rechte des modernen Bürgers nicht genießt und auch nicht dessen normalen Pflichten unterworfen ist, ... kann er sich auch nicht als echter Staatsbürger fühlen. Als Folge der Kolonisation macht der Kolonisierte fast niemals die Erfahrung, einer Nationalität oder Staatsbürgerschaft anzugehören.
Das kolonisierte Kind: Die erzieherische Lücke:
Die gesellschaftliche und historische Verarmung hat ihrerseits Einfluss auf weitere wichtige Lebensaspekte des Kolonisierten, die zusammen einen Teufelskreislauf bilden. Dies zeigt sich auf dramatische Weise in der Kindeserziehung. Da der Kolonisierte sich nicht als Staatsbürger begreift, sind die mit der Staatsbürgerschaft verbundenen Rechte und Pflichten nicht Inhalt seiner Erziehung. So wird die gesellschaftliche Verarmung, eine der grundlegendsten Dimensionen des Kolonisierten, sozusagen an die nächste Generationvererbt.
Die Refugien der Werte: Die Rolle von Familie und Religion:
Die einschränkenden Bedingungen der kolonialen Situation drängen den Kolonisierten zu (innerem) Rückzug und Rückgriff auf traditionelle Werte. Insbesondere die (Groß-)Familie und die Religion gewinnen an Bedeutung und wirken schützend, aber auch einengend. In der kolonialen Situation könne daher kein gesellschaftlicher Wandel stattfinden.

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