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In Gestalt eines Anderen - Thriller

Allen Eskens

 

Verlag Festa Verlag, 2019

ISBN 9783865527684 , 308 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz frei

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5,99 EUR


 

2

Alexander warf einen Blick auf die Uhr. Die erste Enttäuschung des heutigen Tages, ein Fachanwalt für Körperverletzungsdelikte namens Reginald Dogget, kam zu spät. Alexander erschien die Unpünktlichkeit des Mannes bewusst respektlos, daher machte sich Geringschätzung in ihm breit. Als Dogget dann endlich erschien, sah Alexander ihn in den Verhörraum marschieren. Er besaß den Gang eines Mannes, der sich jeden Zentimeter Grund zu eigen machte, den er betrat. Alexander erkannte in Dogget den Mann aus den Fernsehspots wieder, der auf Versicherungsfirmen schimpfte, mit dem Finger in die Kamera zeigte und schwor, er werde dafür sorgen, dass sie bezahlen mussten.

Die Rezeptionistin klingelte bei ihm an, um ihn wissen zu lassen, dass sein Termin im Verhörraum Nummer zwei auf ihn wartete. Alexander schnappte sich Block und Bleistift und wollte sich erheben, hielt dann aber inne, setzte sich wieder hin und spitzte den Bleistift an. Ließ den Spitzer einmal, zweimal, dreimal rotieren, bis ganze zwei Zentimeter Holz und Grafit in dem Kästchen verschwunden waren, während Dogget auf ihn wartete. Als er der Meinung war, der Mann habe nun lange genug gewartet, ging er zum Verhörraum hinüber, mit seinem Block, dem frisch angespitzten Stift in der Hand und einer Laune, die von Verärgerung getrübt wurde.

»Mr. Dogget?«, wollte er wissen.

»Der bin ich«, erklärte Dogget mit lauter Stimme, während er sich aus dem Stuhl erhob und die Hand ausstreckte. Alexander schüttelte sie und setzte sich.

Alexander nahm sich die Zeit, einige unnötige Notizen auf das oberste Blatt zu kritzeln, bevor er sich vorstellte: »Ich bin Detective Alexander Rupert. Was kann ich für Sie tun?«

Dogget legte den Kopf schief, als hätte ihn etwas aus der Fassung gebracht. »Alexander Rupert. Wieso kommt mir Ihr Name denn so bekannt vor?«

»Das weiß ich nicht.« Alexander tippte mit dem Bleistift auf den Block.

»Sind Sie der Detective, der diesen Killer niedergeschossen hat … diesen Kerl bei der alten Scheune?«

Alexander schloss die Augen und schüttelte den Kopf, bevor er antwortete. »Nein, der bin ich nicht. Das war Max Rupert. Mein Name ist Alexander Rupert.«

»Sind Sie verwandt?«

»Kann man so sagen«, gab Alexander zurück. »Reden wir über Ihren …«

»Nein, das ist es nicht. Ich habe Ihren Namen schon einmal gehört. Für Namen hab ich ein wirklich gutes Gedächtnis.« Er kratzte sich am Kinn. »Alexander Rupert …« Dann erhellte sich sein Gesicht und er schnippte mit den Fingern. »Jetzt hab ich’s. Sie waren vor ein paar Monaten in den Nachrichten. Sie waren einer der Cops in der Task Force, die sie dichtgemacht haben.«

Und da war es wieder, wie ein Fuß, der ihm auf die Fingerspitzen trat, die Erinnerung daran, wie tief er die Leiter hinabgerutscht war. Alexander biss die Zähne zusammen, starrte Dogget an und fragte sich, wie groß der Abdruck auf der Wange des anderen wäre, wenn er die Hand ausstreckte und ihm eine verpasste.

»Ich dachte, euch Jungs hätten sie allesamt suspendiert oder gefeuert, weil ihr Drogengeld gestohlen habt.«

Es wäre ein ziemlich großer Handabdruck, dachte Alexander. Er hatte immer wieder zu hören bekommen, dass er riesige Pranken habe.

»Mr. Dogget, ich habe wirklich viel zu tun. Wenn Sie eine Straftat melden wollen, nehme ich Ihre Anzeige auf. Aber wenn Sie nur hier sitzen und mich mit Dreck bewerfen wollen, nun, dann verschwenden Sie meine Zeit.«

Alexander war bereits im Begriff aufzustehen, da hob Dogget mit beschwichtigender Geste die Hände. »Warten Sie, Detective. Ich will eine Straftat melden. Zumindest bin ich ziemlich sicher, dass es sich um eine handelt.«

Alexander setzte sich wieder. »Ziemlich sicher?«

»Ja.« Dogget nickte, während er darüber nachdachte. »Folgendes: Ich besitze eine gut gehende Anwaltskanzlei und verdiene mein Geld damit, Leute zu verklagen, die Verkehrsunfälle und dergleichen verschuldet haben.«

»Ich habe Ihre Werbespots gesehen.«

»Oh, danke sehr.«

»Das war kein Kompliment.«

Dogget räusperte sich und fuhr fort. »Ich habe Quellen, die mich mit Hinweisen auf passende Fälle versorgen.«

»Leute, die für Sie den Krankenwagen hinterherrennen und Unfallmandate auftreiben?«

»Wenn Sie es so ausdrücken wollen.« Offenbar war ihm der Einwurf unangenehm, denn er rutschte auf dem Stuhl hin und her. Aber dann nahm er den Faden wieder auf. »Ich bekomme also diesen Anruf von einem meiner Informanten, wegen eines Unfalls in Minneapolis – dieser Lexus ist frontal in einen Porsche reingerauscht. So was ist normalerweise vielversprechend. Ein teurer Wagen bedeutet tiefe Taschen, auch über die Versicherung hinaus. Hinter dem Steuer des Lexus saß der Besitzer einer Juwelierladenkette. Wir reden also von richtig Kohle. Und das Sahnehäubchen in diesem Fall ist, dass außer Frage steht, wer schuld war. Der Juwelierfritze wurde von einer Frau beglückt, die nicht seine Ehefrau war, und dann sind sie von der Spur abgekommen. Die Frau hat ihn tatsächlich gerade gevögelt, als sie die Mittelleitplanke übersprungen haben und direkt in den entgegenkommenden Verkehr gerast sind. In der Strafanzeige wurde das als ›grob fahrlässig‹ bezeichnet.« Dogget fletschte die Zähne zu einem Grinsen, als hätte er gerade einen Witz gemacht.

»Ich habe von diesem Unfall gehört«, erklärte Alexander. »Ein Mann ist dabei gestorben.«

»Ja, der Kerl in dem Porsche auf der Gegenfahrbahn. Der Kerl, der da ahnungslos unterwegs war und nichts falsch gemacht hat.«

»Die Highway Patrol hat den Unfall abgewickelt«, sagte Alexander. »Die waren dann auch für die Rekonstruktion zuständig. Wir haben damit nichts zu tun.«

»Ich brauche keine Rekonstruktion des Unfallhergangs. Die habe ich längst.« Dogget tippte mit dem Finger auf einen Aktendeckel, der vor ihm auf dem Tisch lag. Die Mappe hatte er zum Gespräch mitgebracht.

»Was brauchen Sie dann?«, wollte Alexander wissen. Er versuchte gar nicht, seine wachsende Ungeduld zu verbergen. »Das hier ist die Betrugsabteilung. Wir beschäftigen uns weder mit Unfällen noch mit Todesfällen.«

»Ich komme ja gleich zum Punkt. Als ich auf den Fall hingewiesen wurde, habe ich meinen Ermittler darauf angesetzt, einen Verwandten aufzuspüren. Jemanden, dem ich einen Brief schicken kann.«

»Einen Verwandten?«

»Es handelt sich um eine widerrechtliche Tötung. Die Erben des Toten können den Verursacher verklagen, weil der für den Tod verantwortlich ist.«

»Sie suchen also nach dem Verwandten dieses Porschefahrers, weil Sie hoffen, einen Prozentsatz dessen einzuheimsen, was seinen Erben für seinen Tod zusteht.«

»Hey, meine Dienste sind überaus wertvoll«, behauptete Dogget und zeigte mit dem Finger auf Alexander. Der musste sich beherrschen, nicht die Hand auszustrecken, um den Finger zu brechen. Das würde ganz schnell gehen und wäre ganz leicht. »Ich schnappe mir den Kerl mit den tiefen Taschen, nachdem die Versicherung ihre mageren Entschädigungsgrenzen ausgereizt hat.«

»Also haben Sie einen Verwandten gefunden?«

»Gewissermaßen.« Dogget zuckte die Achseln.

»Gewissermaßen?«

»Der Typ mit dem Porsche hat mit einer Frau namens Ianna Markova zusammengelebt. Der habe ich noch am selben Tag einen Brief zukommen lassen. Normalerweise warte ich, bis ich sicher bin, dass die Lebensgefährtin eine Ehepartnerin ist, denn eine bloße Freundin nützt mir gar nichts. Die Erben müssen blutsverwandt sein oder angeheiratet. Freundinnen gehen leer aus.«

»Da hatten Sie aber Pech«, stellte Alexander fest.

»Fettes Pech, allerdings.« Sein Sarkasmus prallte an Dogget ab. »Diese Ianna Markova ruft mich also an. Will mir einen Besuch abstatten. Ich verschiebe ein paar Termine, um sie direkt zu empfangen. Sie wissen schon, das Eisen schmieden, solange es heiß ist. Und Junge, Junge, war die heiß! Ende 20, vielleicht Anfang 30, blonde Haare, Titten …« Dogget warf einen Blick in Richtung der Kamera, die in der Ecke an der Decke befestigt war, räusperte sich und fuhr dann in professionellerem Tonfall fort. »Sie gibt sich also wie die leidtragende Hinterbliebene und ich gehe ganz behutsam vor. Dann frage ich sie, ob sie und James verheiratet waren.«

»James?«

»Der Porschefahrer. Er hieß James Erkel Putnam. Sie hatte sich gerade erst um das Begräbnis gekümmert. Und dann sagt sie mir, dass sie und Putnam diesen Schritt nicht getan haben. Ich hätte selbst fast zu weinen begonnen, Mann. Dann frage ich sie, ob es Geschwister gibt oder seine Eltern noch leben. Ich sage ihr, dass wir die Namen aller lebenden Verwandten brauchen. Zuerst kommt sie mir damit, dass James keine lebenden Verwandten hat.«

»Also gibt es keinen Prozess. Das muss Ihnen das Herz gebrochen haben.«

»So schnell gebe ich nicht auf. Mir ist noch nie ein Mann ohne irgendwelche Verwandten untergekommen. Wenn man den Stammbaum nur feste genug schüttelt, fällt immer jemand raus. Also habe ich Klartext geredet. Ich sagte ihr, dass es ohne Blutsverwandten keinen Prozess gibt. Und damit auch kein Geld.«

»Warum sollte sie das kümmern? Die Freundin bekommt doch sowieso nichts, sagten Sie.«

Dogget grinste ihn hinterlistig an, wie ein Mann, der gleich einen schmutzigen Witz erzählen wird. »Ich habe ihr quasi verklickert, dass sie dennoch ihren Anteil am Ausgleich bekommt. Ich sagte, wenn wir erst den Blutsverwandten haben, dann kann auch sie Ansprüche gegen den...