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Starke Männer lieben zärtlich

Karen Templeton

 

Verlag CORA Verlag, 2011

ISBN 9783863496708 , 144 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz DRM

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1,99 EUR


 

1. KAPITEL

Thea Benedict starrte die Telefonnummer an, die irgendein Flittchen vor langer Zeit in die Toilettentür gekratzt hatte. Dann versuchte sie zum dritten Mal, ihre Jeans zuzumachen.

Die Jeans für ihre „fetten“ Tage.

… und schaffte es nicht.

„Thea!“, rief Evangelista ihr durch die verschlossene Tür der Damentoilette zu. „Kommst du da in diesem Jahr irgendwann noch mal raus?“

„Ja, ja“, gab Thea gereizt zurück. Dann zerrte sie das idiotische Babydoll-Oberteil über ihre zusammengepressten Brüste. „Bleib locker!“ Sie riss die verbeulte Metalltür auf und marschierte zum Waschbecken. Dort hatte sie das Gefühl, als ob ihr Draculas Schwester aus dem fleckigen Spiegel entgegenblickte.

Diese Angelegenheit lässt sich jetzt wohl nicht mehr geheim halten, dachte sie.

„Ich hoffe bloß, dass dir nicht von etwas schlecht geworden ist, was du hier gegessen hast!“

Aber sicher. Als ob zurzeit nicht schon der Geruch mexikanischer Küche bei ihr einen Würgereiz auslöste. Mit gewaschenen und abgetrockneten Händen fuhr sich Thea durch das hellblonde, kinnlange Haar. Dann kramte sie ein kleines Döschen Lipgloss aus ihrer Tasche und strich sich etwas davon auf die Lippen. Draculas Schwester als Schönheitskönigin, hurra.

Für einen Moment stützte sie sich auf das kühle Porzellan und stieß einen zittrigen Seufzer aus. Johnny würde durchdrehen, weil sie diese Nachricht so lange hinausgezögert hatte. Aber wann war schon ein guter Zeitpunkt, um einem Mann, mit dem man vor vier Monaten Schluss gemacht hatte, zu sagen, dass das Diaphragma nicht so zuverlässig gewesen war, wie es sein sollte? Vor allem, wenn es sich um einen Mann handelte, der jeden Tag Gott auf Knien dafür dankte, dass er nur ein Kind hatte – weil ihn das Mädchen noch in ein frühes Grab treiben würde?

Thea kniff die Augen zusammen. Als ob das ihren Magen beruhigen könnte. Vermutlich könnte sie behaupten, dass sie sich einfach nicht sicher gewesen war. Wegen ihrer unregelmäßigen Perioden und so weiter. Aber das entsprach schon seit ein paar Wochen nicht mehr der Wahrheit. Sie hatte sich einfach nicht getraut, daran zu glauben. Hatte nicht mal einen Schwangerschaftstest machen wollen, weil … weil sie es einfach nicht über sich brachte.

„Thea! Um Himmels willen …“

Sie riss die Tür der Damentoilette so heftig auf, dass Evangelista einen Satz rückwärts machte und ihr beachtlicher Busen nur so wogte.

„Dios mio, du erschreckst noch die Gäste!“

„Ich dachte, du würdest mich zumindest ein bisschen bedauern. Da habe ich mich wohl in dir getäuscht“, brummte Thea. Aber sie meinte es nicht böse.

„Und verteil hier nicht überall deine Bazillen!“

„Glaub mir, das ist nicht ansteckend“, sagte Thea mit einem vielsagenden Blick. Und als Evangelista nach Luft schnappte, rauschte sie hinaus in den Gastraum, den Bestellblock in der Hand und wild entschlossen, gute Laune zu verbreiten.

Also lächelte sie, machte Witze und hielt die Luft an, während sie Teller mit dampfenden Enchiladas und Tamales und gefüllten Sopapillas servierte. Auch wenn sie sich innerlich dabei fühlte, als ob sie ohne Bremsen einen steilen Abhang hinunterraste. Im Laufe des Nachmittags gewann jedoch ihre Entschlossenheit die Oberhand. Es kam überhaupt nicht in die Tüte, sich von einer Kleinigkeit wie einer ungewollten Schwangerschaft aus der Fassung bringen zu lassen. Nie im Leben.

Jedenfalls so lange nicht, bis sie ein paar Stunden später mit ihrem alten Jeep Cherokee vor dem weitläufigen Ranchhaus von Johnny Griego anhielt. Als sie ihn auf dem Rücken eines Pferdes in der Übungskoppel zwischen zwei Pferdeställen entdeckte, bäumte sich ihre Entschlossenheit wie ein sturer Junghengst auf, der nicht zugeritten werden will.

Die nach Erde, Heu und Pferden duftende Bergluft schnürte Thea fast die Kehle zu. Daher wandte sie den Blick lieber dem Haus zu. Dieses beeindruckende Gebäude stand groß und alt und massiv in den Strahlen der Abendsonne, die durch leuchtend grüne Pinyon-Kiefern und schimmernde Zitterpappeln fielen. Wie viele Abende hatte Thea schon mit Johnny und seiner Tochter Rachel auf der Veranda verbracht, die um das ganze Haus herumführte. Sie hatten beobachtet, wie Blitze über der Mesa tanzten. Oder wie der Himmel in Flammen aufging, ehe die Sonne hinter Bergketten verschwand. Und Thea hatte sogar nach fünfundzwanzig Jahren noch das Erstaunen darüber in Johnnys Augen gesehen, dass das alles heute ihm gehörte.

Andy Morales, der Vorbesitzer der Ranch, war mehr als nur Johnnys erster Arbeitgeber gewesen; er war ihm ein Vorbild, das ihm bis dahin bitter gefehlt hatte. Johnnys Vater hatte Frau und Sohn sitzen lassen, als Johnny noch ganz klein war. Auf welche Weise Andy dann später Johnnys Adoptivvater geworden war, konnte Thea nicht genau sagen. Aber sie wusste, dass für Johnny ein Traum in Erfüllung gegangen war, als Andy ihm die Ranch hinterlassen hatte.

Widerwillig kehrte ihr Blick zu dem Pferd und seinem Trainer zurück, deren Silhouette sich gegen den weiten blauen Himmel abzeichnete.

Los, Mädchen, jetzt bring die Sache schon hinter dich!

Langsam und unsicher stieg Thea aus dem Jeep. Sie betrachtete Johnnys stämmigen, kräftigen Körper, der ohne Schwierigkeiten den eleganten, muskulösen Fuchs im Zaum hielt. Ein beigefarbener Cowboyhut beschattete das wettergegerbte Gesicht mit den schelmischen, dunkelbraunen Augen und dem Mund, der mit einem Zucken der Lippen mehr sagen konnte als die meisten Männer mit hundert Wörtern.

Johnny war zu weit weg und konzentrierte sich zu sehr auf seine Arbeit, um sie zu bemerken. Aber seine Gegenwart hatte trotzdem eine heftige Wirkung auf sie, brachte ihre Haut zum Kribbeln und ließ ihr den Atem stocken. Zu wissen, wie weit er es gebracht hatte, womit er hatte fertigwerden müssen … sie musste zugeben, dass diese ganze hart erkämpfte Selbstsicherheit verdammt sexy war.

Doch wenn man ihm zu nahe kam – dem immer noch verletzten kleinen Jungen, dessen Vater ihn verlassen hatte, dem jungen Mann, dessen Ehe zerbrochen war –, dann zeigte es sich, dass ein Großteil dieses Selbstvertrauens nur Entschlossenheit war, die Kontrolle zu behalten. Johnny hatte keine Probleme damit, Entscheidungen zu treffen oder Versprechen zu halten. Aber sein Herz zu riskieren?

Niemals.

Thea runzelte die Stirn. Was vor ihr lag, war kein Zuckerschlecken. Weder für sie noch für ihn. Wie andere Leute eine „Freundschaft mit gewissen Extras“ aufrechterhalten konnten, war ihr völlig schleierhaft. Und keiner von ihnen wollte zugeben, dass sie beide einen Fehler begangen hatten. Sie hatten doch tatsächlich allen Ernstes geglaubt, dass eine rein sexuelle Beziehung Spaß und Spiel für nervige Hormone sein könnte, ohne dass man sich in emotionale Untiefen begeben musste. Wenigstens hatte Thea damit Schluss gemacht, solange sie noch einen Funken gesunden Menschenverstand besaß – und als sie gemerkt hatte, dass sie mehr wollte, als Johnny ihr jemals geben konnte.

Wenn das nicht ein Hammer war, nachdem sie so viele Jahre als Single wunderbar allein zurechtgekommen war? Nach so vielen Jahren, in denen sie sich geweigert hatte, über einen Mann auch nur eine Träne zu vergießen?

Sie holte tief Luft und ging auf die Koppel zu.

„Thea!“

Sie fuhr herum. Johnnys Tochter kam auf sie zugerannt. Das versetzte Thea einen Stich. Sich von Johnny zu trennen war eine Sache, aber es würde lange nicht so leicht sein, den Kontakt zu diesem intelligenten, lustigen Mädchen abzubrechen, das sie aus ganzem Herzen lieb gewonnen hatte.

In diesem Moment warf Rachel sich Thea in die Arme und stieß sie fast um.

„Himmel, Rachel … was ist denn los?“, fragte Thea kopfschüttelnd. Nein, dachte sie dabei, ich kann mich immer noch nicht an das Haar gewöhnen. Denn das Haar des Mädchens, früher dunkel und glänzend und wunderschön, hatte jetzt unregelmäßige Streifen aus flittchenblond und ketchuprot. Der arme Johnny – was musste er als Vater durchmachen?

Rachel straffte die Schultern und strich sich eine Haarsträhne hinter ein Ohr mit vielen Piercings zurück. „Hast du meine Nachricht nicht bekommen?“

„Was? Oh, nein … ich habe das Telefon für die Arbeit abgestellt und vergessen, es wieder anzuschalten.“

Das Mädchen packte sie an der Hand und zog sie zur Seite ums Haus herum. Bei dem Duft des üppig blühenden Flieders musste Thea fast würgen. „Ich bin schwanger!“

„Was?“ Das war alles, was Thea herausbrachte, als das Klingeln in ihren Ohren nachließ.

Das dumme Kind kicherte allen Ernstes. „Jesse und ich bekommen ein Baby!“ Plötzlich wurde sie ernst und klammerte sich noch fester an Theas Hand fest. „Aber wie in aller Welt soll ich das Dad erklären? Er wird mich umbringen.“

Das schon, dachte Thea. Aber zumindest ist dann deine Frisur kein Thema mehr. Und als ihr im nächsten Moment die Bedeutung dieser kleinen Ankündigung bewusst wurde, war ihr einziger Gedanke: Na, wenn das kein richtig miserables Timing ist. Vor ihrem geistigen Auge tauchte ein Bild von Rachels Freund auf – ihr Vater hatte schon vorher nicht zu...