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Gut sein, wenn's drauf ankommt - Von Top-Leistern lernen

Hans Eberspächer

 

Verlag Carl Hanser Fachbuchverlag, 2011

ISBN 9783446429789 , 150 Seiten

Format PDF, ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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15,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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1 DAS PROBLEM: ANFORDERUNGEN UND BEANSPRUCHUNG


Anforderungen zu bewältigen beansprucht, auch mental. Mit Routine meistert man Anforderungen meist relativ mühelos: schnell, sicher, wirksam, situations- und anforderungsgerecht. Deshalb leben Experten und Ausnahmekönner – ich nenne sie Top-Leister – nicht zuletzt von bewährten Gewohnheiten und Routine. Allerdings ist Routine eine zwiespältige Angelegenheit: Zum Ersten kann sie entwicklungshemmend wirken, zum Zweiten kippt man gelegentlich aus der Routine heraus, ausgelöst durch Gedanken und Bewertungen, die anziehend wirken wie Magnete. Sind solche Gedanken destruktiv, lösen sie erhebliche mentale Beanspruchungen bis zu Panik aus. Zweckmäßige, konstruktive Bewertungen dagegen bauen wirksame Handlungsmuster und damit Leistungsreserven fürs Gelingen jenseits der Routine auf.

DARÜBER LESEN SIE IN DIESEM KAPITEL:

  • Anforderungen bewältigen beansprucht
  • Beanspruchung in der Komfortzone ist Routine
  • Die Psycho-Logik der Routine
  • Routine ist mitunter problematisch
  • „Plötzlich ist die Hemmschwelle da“
  • Selbstgespräche und der wichtigste Gesprächspartner
  • Bewerten löst mentale Beanspruchung aus
  • Mentale Beanspruchung – Gedanken wie Magnete
  • Das Ziel von Top-Leistern: Anforderungen konstruktiv bewerten

1.1 Anforderungen bewältigen beansprucht


„Professor, wie macht man es, dass man cool bleibt, wenn es darauf ankommt?“, fragte mich ein junger Polizist, Angehöriger eines Sondereinsatzkommandos. Meine Antwort: „Entweder man ist ahnungslos und weiß nichts, oder man weiß alles und kann damit umgehen!“

Die Frage des jungen Mannes zielte auf ein, wenn nicht gar das Grundthema des Lebens: Wie gelingt es am besten, mit Anforderungen fertigzuwerden, besonders denen, die einem das Leben so richtig schwer machen, und genau dann, wenn es darauf ankommt? Denn machen wir uns nichts vor: Das Bemühen, berufliche oder private Anforderungen zu bewältigen, ist eine Beanspruchung. Bis zu einem gewissen Grad mögen wir sie noch als angenehm, anregend und aktivierend erleben, sozusagen als Übungs-, Lern- und Trainingsgelegenheit. Aber je höher die Anforderungen, umso mehr ermüdet oder erschöpft Beanspruchung. Im anderen Extrem kann sie aufregen und überaktivieren, Angst, Stress oder sogar Panik auslösen.

Wenn Sie das lesen, sind Sie vielleicht ganz froh darüber, dass Sie zum Glück nicht alle Anforderungen annehmen müssen und sich manches Mal kurzerhand davor drücken können. Allerdings ist dieser Ausweg längst nicht immer möglich oder akzeptabel. Durch manche Situationen muss man einfach „durch“ und der Anforderung standhalten. Einer meiner Lehrer pflegte in solchen Situationen zu sagen: „Eberspächer, manches Mal muss man ein Germane sein!“ Das habe ich mir dann auch gesagt, als ich vor einigen Monaten zum Entfernen von Nägeln aus meiner verletzten Schulter unter lokaler Betäubung, eingekleidet und ausgestattet als OP-Objekt, vor dem Operationssaal saß und darauf wartete, bis ich drankam.

In manchen Situationen bleibt, wie man sieht, nur eine Wahl: „Augen zu und durch“. Stress hin, Panik her. In allen anderen sollte man versuchen, etwas zu ändern, getreu dem Motto unserer amerikanischen Freunde: „Love it, leave it, or change it!“ Denn auf Dauer ist weder feiges Weglaufen noch stoisches Standhalten eine Lösung.

1.2 Routine beansprucht in der Komfortzone


Um zu verhindern, dass man sich im Alltag vor lauter Überbeanspruchung zunehmend und über Gebühr verschleißt, entwickelt man im Laufe des Lebens Handlungsmuster, die es erleichtern, gängige und wiederkehrende Anforderungen bei erträglich komfortabler Beanspruchung zu bewältigen: Routine. Es hat schon etwas Beruhigendes, wenn der Friseur, dem man die Gestaltung des Haupthaars anvertraut, oder der Pilot, in dessen Flieger man seinen Tomatensaft trinkt, Routine besitzt.

Aufwand und Systematik, mit denen man Routine entwickelt, fallen sehr unterschiedlich aus. Das meiste lernen wir wohl en passant, vieles aber auch unter Schweiß und Tränen, mit Blasen an Leib und Seele gewissermaßen. Routine erwirbt man in allen Lebensbereichen. Im Umgang mit Sachen wie Maschinen und Geräten, im Umgang mit anderen, also Familienmitgliedern, Freunden, Kollegen oder Kunden, und im Lauf der Jahre sogar im Umgang mit sich selbst. Die meiste Routine erwirbt man, denke ich, im Umgang mit Sachen und Dingen, weniger schon im Sozialen, denn viele gehen, so scheint es, mit ihrem Auto oder ihrem PC routiniert pfleglicher um als mit dem Partner, der Partnerin, den Kindern oder gar mit sich selbst. Besonders Routinen im Umgang mit sich selbst, gerade in schwierigen Situationen, scheinen für viele Neuland zu sein, das erst noch entdeckt werden will.

Routine lebt vom Gleichgewicht

Im Wesentlichen lebt Routine vom Gleichgewicht zwischen den gestellten Anforderungen und den eigenen Möglichkeiten, sie zu bewältigen. Die erforderlichen Handlungsmuster kommen wie von allein, eingeschliffen, eben routiniert. Sie erleichtern Raubtierdompteuren das Leben ebenso wie Pizzabäckern, Kapitänen oder Lehrerinnen, weil sie nur wenig beanspruchen und optimal aktivieren. Deshalb fühlt man sich bei Routineanforderungen weder zu schlaff noch zu nervös. Zu Recht: Ein routiniertes Vorgehen bringt zwar nicht immer sensationelle Erfolge. Aber fast immer solide Ergebnisse. Im Großen und Ganzen hat also, wer routiniert vorgeht, die Dinge im Griff und die geeigneten Bewältigungsmuster parat. Alles Notwendige geschieht zielsicher und effizient mit hoher Vorhersagegenauigkeit. Einfach und mühelos scheint alles geregelt, nicht selten unbewusst, denn der Kopf mit seinen Gedanken scheint keine Rolle zu spielen, weil er die Regulation des Handelns sozusagen an teilbewusste oder gar automatische Prozesse delegiert. Wer zum Beispiel während des Autofahrens telefoniert, delegiert das Fahren an Hände, Füße und die Sinne und bekommt von Verkehrsschildern, Ausfahrten und Ähnlichem oft wenig mit. Der Grund: Die bewusste Kapazität ist mit dem Telefongespräch bindend ausgelastet. Interessanterweise sieht man Autofahrer weder beim Einparken noch beim Einfahren in ein Parkhaus telefonieren. Schuld daran ist nicht nur der schwindende Empfang, sondern die Notwendigkeit, beim Parken mit dem Kopf voll konzentriert und bei der Sache zu sein. Im Alltag delegieren wir permanent in diesem Sinne. Wer weiß zum Beispiel schon, ohne es auszuprobieren, wie er Messer und Gabel zur Hand nimmt oder eine Schleife in einen Schnürsenkel bindet? Das liegt daran, dass wir es hier mit typischen entlastenden Automatismen zu tun haben, die sich nebenbei erledigen lassen.

„Bewusstlos“ routiniert

Wegen ihrer entlastenden Wirksamkeit erlaubt Routine auch, mehrere Dinge gleichzeitig zu erledigen, was durchaus von Vorteil sein kann. Eine Art von routinierter „Bewusstlosigkeit“ stellt sich ein, die einen bei geringstem Beanspruchungserleben schlafwandlerisch sicher agieren lässt. Sportler erzählen mir nach perfekt verlaufenen Wettkämpfen oft, sie könnten sich an vieles nicht mehr erinnern. Deshalb spricht einiges dafür, Routine quasi als Garant für das Gelingen zu betrachten. Bei meiner Mutter habe ich es immer bewundert, wie sie geschäftlich telefonieren und nebenher routiniert Kuchen backen konnte. Wer dagegen seinen ersten Kuchen backt, ist in der Regel so ausgelastet, dass vor lauter bewusster, von halblauten Selbstgesprächen begleiteter Zuwendung zum augenblicklichen Tun kaum freie Kapazität bleibt, beiläufig den hinzutretenden Partner zu begrüßen.

Die Fähigkeit, mehrere Dinge gleichzeitig erledigen zu können, wiegt den gelegentlichen Nachteil auf, dass man sich nicht einmal mehr erinnert, ob man einen Handgriff nun erledigt hat oder nicht, weil er so automatisch, scheinbar „kopflos“ ablief. Aus dieser Automatisierung resultiert im Übrigen eine klassische Konfliktfalle bei Paaren. Nach dem Verlassen der Wohnung oder beim Einstieg in den Ferienflieger überlegen sie oft gemeinsam, ob denn auch die Wohnungstür abgeschlossen und die Kaffeemaschine ausgeschaltet sei, um dann doch ohne Gewissheit, aber voller Hoffnung zu fliegen.

1.3 Die Psycho-Logik der Routine


Top-Leister leben von ihrer Routine. Ihre Fähigkeiten wie Fertigkeiten reichen souverän, die Dinge gleichermaßen unkompliziert wie effizient und sicher zu handhaben. Man erwartet wie selbstverständlich, dass ihnen alles routiniert, zuverlässig und vorhersagbar von der Hand geht. Es sind diese Kernmerkmale der Professionalität, die Passagiere, Klienten oder Patienten als so beruhigend und entlastend erleben und schätzen. Zuschauer bewundern sie und Controller bauen darauf.

Die Psycho-Logik der Routine beruht darauf, dass sich Anforderungen deshalb schnell, sicher, leicht, wirksam und situationsgerecht bewältigen lassen, weil bewusstes Bewerten weitgehend entfällt und man auf lange eingeübte Programme zweckmäßiger Handlungsmuster zugreifen kann.

Etwas mit stabiler und optimierter Routine schlafwandlerisch sicher und wirksam zu beherrschen hat seine Vorteile. Auf Dauer ergeben sich aber auch negative Konsequenzen daraus, gewissermaßen als Preis für die damit einhergehende Entlastung. Nicht umsonst würde wohl niemand ernsthaft den Wunsch äußern, in seinem Beruf oder wo auch immer nur noch...