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Der Kolonialismus - Geschichte der europäischen Expansion

Ludolf Pelizaeus

 

Verlag marixverlag, 2015

ISBN 9783843800389 , 256 Seiten

Format ePUB

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7,99 EUR


 

2. Die Vorläufer: Entwicklung des Kolonialismus in der Antike und im Mittelalter


Die griechischen und römischen Kolonien


Asien, Europa und Nordafrika standen auch vor den großen Fahrten der Portugiesen und Spanier miteinander in Kontakt, wenngleich man diese Beziehungen noch als einen Austausch pflegte. Es war vornehmlich das Mittelmeer mit seiner, wie es Braudel formulierte, alle Anrainer umfassenden Kultur, welche die Drehscheibe für die Kontakte schon in der Antike lieferte. Unser Bild vom Mittelmeer, das geteilt ist in einen afrikanischen und einem europäischen Bereich, ist ein mittelalterliches, das für die Antike keine Gültigkeit besaß. So herrschte im gesamten Mittelmeerraum ein beständiger Austausch, welcher überhaupt das Mittelmeer erst in der Weise prägte, wie wir es heute kennen. Zitronen, Orangen, ja selbst Oliven waren keinesfalls überall verbreitet, sondern verdankten ihren Siegeszug vornehmlich dem Import aus dem arabischen Raum, der dann erst zu einem Anbau an geeigneten Stellen im mediterranen Raum führte.

Die großen Reiche mit Vasallenstaaten wie die Hethiter, das Ägypten der Pharaonen oder besonders die Karthager und Phönizier sorgten für einen ständigen Austausch von Handelsgütern, über die gesamte Spanne des Mittelmeeres hinweg. Es zeichnete sich jedoch schon hier eine Trennung zwischen den mit dem Mittelmeer verbundenen und den im Osten oder Süden liegenden Kulturen ab. Ägypten trieb auch Handel südlich des fünften Kataraktes, ebenso mit dem babylonischen Großreich, doch blieb man sich nur auf Handelsebene verbunden. Diese grundsätzliche Trennung fand auch in der römischen Welt ihre Fortsetzung, als das Reich der Parther und Sassaniden eine Trennung nach Osten und das von den Römern mit dem Sammelbegriff »Nubier« versehenen Königreich nach Süden eine Trennlinie darstellte.

Schon die Verwendung des Wortes »Imperialismus« legt eine Verbindung mit dem römischen Imperium nahe und tatsächlich verstanden sich spätere Kolonialreiche, besonders das englische als British Empire, welches das »Kaiserreich Indien« einschloss, gegenüber dem römischen Reich als überlegene Nachfolger.

Von Stephen Howe stammt eine Definition eines »Imperiums«, als »eine große zusammengesetzte, multi-ethnische oder multinationale politische Einheit, die in der Regel durch Eroberung entsteht und zwischen einem dominanten Zentrum und untergeordneten, geographisch oft weit entfernten Peripherien geteilt ist.«

Damit wird Kolonialismus und der Aufbau des Imperiums nicht stets in weite Ferne gerückt, sondern kann auch durchaus näher liegen, wie dies, verglichen mit der späteren Zeit, bei den römischen und griechischen Kolonien der Fall war. Damit stellten sie Räume dar, in welchen ein einheitliches Rechtsnormensystem existierte, über das diskutiert werden konnte.

Dennoch galten für die Kolonien Sonderverbindungen mit dem Mutterland. So gab es bereits eine pharaonische Sudankolonie, altassyrische Kolonien in Kappadokien und besonders die phönizischen Kolonien (10.-8. Jahrhundert v. Chr.) von Karatepe (Türkei) und Zypern (Kypros), über Utica (Tunesien) bis Gades (Cádiz). Dieser Bewegung folgte vom 8. bis 6. Jahrhundert v. Chr. die archaisch griechische Kolonisation. Schon in dieser frühen Phase ist die Entstehung von Stützpunkten von der Krim bis nach Al Mina (Syrien) und nach Spanien erkennbar. An der Schaffung dieses ausgreifenden Gewebes werden das Handelsinteresse einerseits und die Etablierung eines Handelsnetzes andererseits deutlich. Erstmals gelang es über diesen Weg, auch ein größeres Gebiet, nämlich Kleinasien, ohne es zu erobern, weitgehend für eigene Zwecke zu kontrollieren. Ebenso wichtig wurden die Kolonien in der Adria, und zwar gleichermaßen an der balkanischen Adriaküste, wie in Sizilien und Unteritalien. Die Typen von Siedlungen blieben aber unterschiedlich, es entstanden Bauern- und Fischer- aber auch Piratensiedlungen, die den Handel ausnützten, ihn aber nicht immer trugen. Eine ganz neue Bewegung brach erst mit Alexander dem Großen los, der nicht nur griechische Dörfer auf dem Balkan und der Kyrenaika (Libyen) gründete, sondern auch entlang seiner Feldzugsroute bis nach Nordindien und an der chinesischen Grenze.

So weit sollten später römische Kolonisatoren nicht mehr vorstoßen. Rom machte die Kolonisation zum Eroberungs- und Integrationsmodell, indem es römische und lateinische Kolonien (Coloniae Romanae und Coloniae Latinae) einrichtete und sich somit zunächst innerhalb ganz Italiens, dann aber auch in die Provence, nach Afrika, auf die Iberische Halbinsel, nach Gallien, Britannien, in die Alpengebiete, den Balkan und nach Dakien (Rumänien) vorwagte. Die griechischen Kolonien wurden bei dieser Bewegung zwar mit römischem Stadtrecht dem Reich einverleibt, behielten ansonsten aber ihre griechische Identität.

Rom nutzte die Kolonisierung zu einem langsamen Vortasten und wurde damit zu einem Schlüssel der Frühen Expansion. Auf der anderen Seite garantierten die Kolonien zunächst den Handel, eine Funktion, die sich bei fortschreitender Eroberung und Eingliederung in das Römische Reich weitgehend verwischte. Ihre Rechtsstellung jedoch ließ sie herausgehoben und mit der Mutterstadt Rom verbunden sein. Ebenso sollte die Idee des römischen Bürgerrechts auch außerhalb Roms später noch von Bedeutung sein.

Die Kolonien Genuas und Venedigs im Mittelalter


Im Hochmittelalter muss man sich für das Verständnis von Kolonialismus zunächst jene Staaten ansehen, die das von Kastilien und Portugal später übernommene Kolonialsystem weitgehend entwickelt haben, nämlich die italienischen Handelsnationen Genua und Venedig.

Sowohl Genua als auch Venedig waren als Stadtrepubliken darauf angewiesen, Geld und Güter aus dem Ausland zu beziehen und dabei stets mit lukrativen Waren zu handeln. Zwar trieb Venedig auch Handel mit Holz, Tuch und billigeren Waren, doch machte den Reichtum beider Städte der Fernhandel aus. Daher war man an zweierlei Dingen interessiert. Auf der einen Seite benötigte man eine Reihe von Häfen, an denen die Schiffe, wenn sie unterwegs in Schwierigkeiten geraten sollten, immer wieder anlegen konnten. Aus diesem Grund begann man eine Reihe von Stützpunkten entlang der griechischen Küste in Besitz zu nehmen, die, wie an einer Perlenkette, den venezianischen Schiffen erlaubten, hier notfalls vor Anker zu gehen. Städte wie Cattaro (Kotor) wurden vollständig von Venedig geprägt und noch heute zeugen die Campanile an der kroatischen und montenegrinischen Küste in vielen Orten davon, dass hier einstmals der Markuslöwe als Flagge über der Stadt wehte. Zudem brauchte man Häfen, die relativ nah an den Zielorten im Orient waren, um dort die Produkte einkaufen zu können. Besonders wichtig wurde den Venezianern dann auch, eine Drehscheibe im Mittelmeer zu erhalten. Das gleiche galt auch für Genua, das zwar nicht so leicht Stützpunkte an der italienischen Küste eröffnen konnte, wie Venedig aber ebenfalls über Handelsniederlassungen, z. B. im Orient und auf der Krim verfügte. Als sich daher im Jahre 1204 die Möglichkeit eröffnete, Kreta zu erwerben, waren die Konkurrenten im Mittelmeer sogleich zur Stelle.

Im diesem Jahr hatte Venedig, da das Kreuzfahrerheer die Überfahrt ins Heilige Land nicht bezahlen konnte, den Kreuzzug nach Byzanz umleiten können. Das Heer fiel über die christlich-orthodoxe Stadt her und plünderte sie tagelang. Venedig konnte große Gewinne in finanzieller und in künstlerischer Hinsicht verbuchen, worauf heute noch, neben anderen künstlerischen Zeugnissen, die nach Venedig gebrachten Markuslöwen auf San Marco hinweisen.

Byzanz war durch den Überfall und die Plünderung derart geschwächt, dass es Kreta nicht halten konnte. Zunächst griffen die Genuesen zu, als die eigentlich dem Kreuzfahrer Bonifatius von Montferrat (1150-1207) zugewiesene Insel zum Verkauf stand. Doch gelang es ihnen nicht, ihre Herrschaft zu etablieren, so dass Kreta im Jahre 1204/1217 von den Venezianern in Besitz genommen wurde. Damit besaßen diese erstmals erheblich mehr als nur einen kleinen Handelsstützpunkt, nämlich auch eine Insel, die größer war als das venezianische Hinterland, die terra firme.

Venedig, das aufgrund seiner Größe keine umfangreiche Neubesiedelung der Insel ins Auge fassen konnte, beließ das meiste beim Alten. Man musste zwar mit vielen Aufständen umgehen, doch konnten sich die katholischen Fremdlinge trotz der orthodoxen Mehrheit behaupten. Aber die Republik begann, die Insel in wirtschaftlicher Hinsicht auszubeuten. Es entstand eine Produktion, die auf das Mutterland der Kolonie ausgerichtet war. Wolle, Käse, Öl und als wichtige Neuheit Zucker wurden nach Italien geliefert. Damit wich Venedig insofern von dem bisherigen üblichen Handelskurs ab, als man nicht mit teueren Waren, sondern eher mit Gütern des täglichen Bedarfs, dafür aber in größeren Mengen zu handeln begann. Ein koloniales Abhängigkeitsverhältnis ergab sich, bei dem sich Venedig auf zwei Pfeiler stütze. Auf der einen Seite betrieb man den Fernhandel über die Seidenstraße mit exklusiven Waren, die aus dem Orient kamen, weiter, auf der anderen Seite ergänzte man diese Einnahmen durch die Produkte aus den eigenen Kolonien. Dabei beließ Venedig der Insel weitgehend die Freiheiten, achtete darauf, dass sich aber die Kosten in Grenzen hielten und man möglichst viel aus Kreta herausholen konnte. Auch diese Idee, nämlich die Bedeutung der Wirtschaftlichkeit für den Kolonialbesitz in den Blick zu nehmen, sollte für die nächsten Jahrhunderte Schule machen. Mit Burgen wie dem »Kastell der Franken« (Frangocastello), zeugen noch heute davon, wie Venedig die Insel sichern, gleichzeitig aber auch die...