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Unterwegs in der Weltgeschichte

Hans-Christian Huf

 

Verlag C. Bertelsmann, 2011

ISBN 9783641054939 , 448 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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8,99 EUR


 

34. Freiheitsfackel im Sturm (S. 326-327)

Wenn Sie mit einem der großen Ozeanliner über den Atlan tik nach New York schippern und endlich in die Hudson Bay vor New York einbiegen, dann bekommen Sie eine gute Portion Frankreich zu sehen. Linker Hand erblicken Sie auf der kleinen Liberty-Insel 204 Tonnen Kupfer, die sich 93 Meter hoch in den Himmel recken: die Freiheitsstatue, die Frankreich 1886 der amerikanischen Nation als Sinnbild der Freiheit zum Geschenk machte.

Der französische Künstler Frédéric Bartholdi hat die Figur entworfen, und Gustave Eiffel, das Eiffelturm-Genie, zeichnet mit seiner eisernen Innenkonstruktion dafür verantwortlich, dass Miss Liberty’s Freiheitsfackel selbst bei kräftigem Sturm um nie mehr als acht Zentimeter hin- und herschwankt. Und wenn Sie jetzt vom Schiff aus noch lesen könnten, was auf der Bronzetafel zu Füßen der Statue eingraviert ist, dann würden Sie sich hier sehr willkommen fühlen: »Schickt sie mir, die Heimatlosen, vom Sturm Getriebenen, / Hoch halt ich mein Licht am goldenen Tore«. Dabei war die Freiheitsstatue ursprünglich gar nicht dazu gedacht, Sie und andere Reisende so freundlich zu begrüßen.

Wenn Sie genauer hinsehen würden, dann entdeckten Sie unter ihrem Fuß eine zerbrochene Kette, die die Überwindung der Sklaverei symbolisieren soll. Das war es eigentlich, was mit diesem Werk gewürdigt werden sollte: die Befreiung vom Joch der Sklaverei, die den Amerikanern 1865 mit dem Ende ihres Bürgerkriegs gelungen war. Außerdem wollten die stolzen Franzosen mit diesem Geschenk daran erinnern, dass sie es doch eigentlich gewesen waren, die im 18. Jahrhundert den Unabhängigkeitskampf der dreizehn Ostküstenstaaten unterstützt hatten.

Das stimmte zwar, war aber bei genauerer historischer Prüfung alles andere als eine selbstlose Tat gewesen. Frankreich war in den Siebzigerjahren des 18. Jahrhunderts ja noch ein absolutistisches Königreich und alles andere als republikanisch gesonnen. Die Hoffnungen der Franzosen richteten sich damals hauptsächlich darauf, dass im amerikanischen Freiheitskampf ihr Erzfeind England empfindlich geschwächt werden würde. Insgeheim spielte dabei wohl auch das schlechte Gewissen eine gewichtige Rolle, denn es war noch nicht lange her, dass Kaiser Napoleon III. seine Soldaten nach Mexiko geschickt hatte, um dort eine Monarchie zu installieren.

Der Übergriff war letztlich mit dem Ziel erfolgt, die monarchische Herrschaftsform auf dem amerikanischen Kontinent wieder hoffähig zu machen und Frankreich in Amerika wieder Fuß fassen zu lassen. Das Unternehmen widersprach gleichwohl ganz und gar der sogenannten »Monroe-Doktrin« von 1823, in der US-Präsident James Monroe ein für alle Mal festgeschrieben hatte, dass jeder Einmischungsversuch der »Alten Welt«, wie Europa seit damals genannt wird, in gesamtamerikanische Belange abgewehrt werden würde. Napoleons mexikanischer Statthalter Kaiser Maximilian I. blieb denn auch nur deswegen zunächst ungeschoren, weil die Franzosen geschickt die Gunst der Stunde genutzt hatten: Bis Mitte der Sechzigerjahre befand sich US-Amerika nämlich im Bürgerkrieg und konnte sich um das »Problem Mexiko« gar nicht kümmern.

Doch mit Ende des Krieges 1865 forderten die USA sofort den Abzug der französischen Truppen, was unter diesem Druck dann auch geschah. Mit der Entmachtung und Hinrichtung Maximilians 1867 endete dieses Kapitel missglückter französischer Intervention reichlich dramatisch und bescherte Napoleon III. einen beträchtlichen Imageverlust. Als ihn dann vier Jahre später auch noch die Preußen im Verlauf des Deutsch-Französischen Krieges bei Sedan gefangen nahmen, war es mit seiner Kaiserherrlichkeit endgültig vorbei, und Frankreich entschied sich im September 1870, wieder Republik zu werden.