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Familientherapie der Essstörungen

Günter Reich

 

Verlag Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2003

ISBN 9783840913907 , 174 Seiten

Format PDF, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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21,99 EUR

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2 Wie entstehen Essstörungen? (S. 21-22)

2.1 Die multifaktorielle Pathogenese
Familienbeziehungen können auf verschiedene Weise zur Entstehung von Essstörungen beitragen. Oft wirken, wie bei anderen seelischen Erkrankungen, mehrere Faktoren zusammen, die sich wechselseitig in ihrer Wirkung verstärken können. Essstörungen wie Anorexia nervosa und Bulimia nervosa sowie vermutlich auch die Binge Eating Störung sind durch das Zusammenspiel soziokultureller, biologischer, Persönlichkeits- und familiärer Faktoren bedingt. Bevor die familiären Faktoren näher dargestellt werden, sollen die anderen kurz beleuchtet werden, damit diese Störungen in ihrem Gesamtkontext gesehen werden können.

2.2 Soziale Einflüsse

Die Verbreitung von Anorexie, Bulimie und auch Binge Eating Störungen scheint eng mit dem Nahrungsmittelüberfluss und den in den letzten Jahrzehnten drastisch veränderten Lebensgewohnheiten der westlichen Zivilisation, z. B. dem Bewegungsmangel, einher zu gehen. Anorexie und Bulimie sind zudem deutlich mit den hier verbreiteten Wertesystemen (z. B. Leistung und Wettbewerb) und dem Körperideal verbunden, zudem mit den spezifischen Rollenkonflikten von Frauen (vgl. Reich, 1999).

Ein erheblicher Teil junger Mädchen und Frauen in westlichen Gesellschaften ist anfällig für Essstörungen (Krüger et al., 2001). Restriktives Essverhalten und ein extremes Schlankheitsideal gehen in starkem Maße mit der Zugehörigkeit zu höheren sozialen Schichten und dem entsprechenden Wertesystem einher (Ogden & Thomas, 1999). Diätverhalten ist ein wesentlicher Vorläufer von Essstörungen (Pudel, 2001). In nicht-westlichen Gesellschaften nimmt die Prävalenz von Essstörungen mit der von Diätverhalten zu (Hsu, 1996).

Zeitgleich mit dem sich verbreitenden Nahrungsmittelüberfluss werden die Grenzen für Übergewicht zunehmend enger gezogen und Übergewichtigkeit entsprechend diskriminiert. Figur und Aussehen werden als vom Willen gesteuert und der Selbstkontrolle unterworfen angesehen, wobei der für Gewicht und Figur ebenfalls bedeutsame konstitutionelle Faktor verleugnet wird. Das Nichterreichen gesetzter oder selbst gesetzter Standards für Gewicht, Figur oder Körperumfang wird dem eigenen Versagen zugeschrieben werden und treibt zu verstärkter Selbstkontrolle an. Hinzu kommt eine Auflösung verbindlicher Rhythmen und Regeln für das Essen. Dieses wird in einer „Gastro-Anomie" individualisiert. Die hierbei notwendige Selbstkontrolle kann oft nicht geleistet werden. Dies führt zur „Übersteuerung" oder „Untersteuerung" des Essverhaltens oder zu einem Wechsel zwischen beidem (Habermas, 1990a; Pudel, 2001).

2.3 Weibliche Rollenkonflikte

Anorexie und Bulimie sowie, in geringerem Maße, die Binge Eating Störung sind „Frauenkrankheiten". Bei den ersten beiden Essstörungen sind zu 95% Frauen betroffen, bei der letztgenannten zu ca. 66%. Insbesondere Bulimie und Anorexie sind eng mit weiblichen Rollenkonflikten verknüpft. Bulimische Patientinnen stehen unter einem ungeheuren Druck, verschiedenen, auch sich völlig widersprechenden sozialen Rollen genügen zu wollen. Hierbei überfordern sie sich (Timko et al., 1987). Bei bulimischen Frauen finden sich häufiger eine stärkere Außenorientierung und eine stärkere Sozialangst als bei nicht essgestörten Frauen. Gleichzeitig erleben sie sich in stärkerem Maße als unecht. Diese Faktoren wiederum sind mit einer abwertenden Einstellung zum eigenen Körper verbunden (Striegel-Moore et al., 1993).

Von daher übernehmen Bulimikerinnen das soziale Ideal der Schlankheit sehr viel stärker als nicht essgestörte Frauen (Habermas, 1990b).

Im Idealbild der „Superfrau" wollen sie unabhängig sein, einen Mann haben, aber ihn nicht benötigen, in einem Status-Beruf mit gutem Verdienst Karriere machen, eine erfolgreiche Ehe führen, perfekte Kinder haben, dabei schlank und schön sein. Abwertungen des Aussehens verstärken die Neigung zur Entwicklung von Essstörungen. Abwertungen sind anscheinend direkt vom BMI abhängig. Sie wirken direkt auf die Köperzufriedenheit. Körperunzufriedenheit beeinflusst das globale seelische Funktionieren und restriktives Verhalten. Restriktives Essverhalten und (beeinträchtigtes) globales seelisches Funktionieren wiederum beeinflussen direkt bulimisches Verhalten (Van den Berg et al., 2002).