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Die Gespielin - Erotischer Roman

Fanny Lasalle

 

Verlag Goldmann, 2011

ISBN 9783641064150 , 416 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR


 

Rendezvous in der Orangerie (S. 223-224)

Séraphine wanderte in dem winzigen Appartement, das man ihr zugewiesen hatte, im Kreis herum, was schwierig war, da eine Sitzgruppe beinahe den ganzen Salon einnahm. Doch sie fand keine Ruhe mehr seit dem Moment gegen Mittag, in dem sie die Augen geöffnet und ihr bewusst geworden war, was sie angerichtet hatte. Könnte sie nur auch so beschwingt sein wie die jungen Edeldamen des Hofes, so lebenslustig und unbeschwert! Stattdessen klangen ihr die Ermahnungen der Nonnen in den Ohren, die vor einem leichtfertigen Lebenswandel warnten.

Sie biss sich auf die Lippen – noch etwas, das sie sich abgewöhnen musste. Nun, in der Nacht des Maskenballs war sie sehr leichtfertig gewesen. Sogar bei Hofe bewahrten die jungen Frauen sich ihre Jungfräulichkeit bis zur Hochzeit; erst nachdem sie ihren Gatten einen Stammhalter geschenkt hatten, nahmen sie sich Liebhaber. Séraphines Aussichten auf einen Ehemann hatten sich seit der vorherigen Nacht dramatisch verschlechtert. Wenn Niccolò sie nicht heiratete, war sie ruiniert. Wie hatte sie nur so leichtsinnig sein können? Sie erkannte sich kaum wieder, seit sie in Versailles war.

Was war nur in sie gefahren, sich derartig zu vergessen? Der Maskenball hatte einem fiebrigen Traum geglichen, als wären alle Naturgesetze außer Kraft gesetzt. Und es war wundervoll gewesen. Dieses eine Mal hatte sie sich nicht von ihrem Gewissen und ihrem Pflichtgefühl davon abhalten lassen, das zu tun, was sie wollte. Sie ging ziellos in das angrenzende Schlafzimmer, das nicht viel größer war als das Himmelbett darin. Sie legte sich auf die Matratze und betrachtete die beiden Roben an ihren Wandhaken, die ihre gesamte Aussteuer darstellten. Aber Niccolò würde es gleichgültig sein, dass sie arm war.

Er hatte ihr gesagt, dass er sie liebte. Er würde sie nach Genua mitnehmen, sie würde an der Küste des Mittelmeeres leben und Italienisch sprechen. Sie sah sich in einem südlichen Garten unter einem Orangenbaum, umgeben von einer dunkellockigen Kinderschar, und jetzt öffnete sich die Gartenpforte, und Niccolò kam zu ihnen, lachte, strich den Kindern über den Kopf und küsste sie, seine Frau. Niccolò, dachte sie, und ihre Lippen bewegten sich leicht, als sie immer wieder lautlos seinen Namen wiederholte.

Es schien ihr der schönste Name der Welt zu sein, so klangvoll und edel, zugleich von verheißungsvoller Fremdartigkeit. Doch nun kamen ihr ihre Eltern in den Sinn. Sie saßen in ihrem baufälligen Schloss, umgeben von den wenigen verbliebenen Gütern, und hofften, dass ihre Tochter sie retten würde, indem sie einen reichen Ehemann in die Familie brachte. Séraphine stöhnte auf. Sie konnte ihnen unmöglich antun, mit einem mittellosen Italiener davonzulaufen! Ihre Mutter, ohnehin zart und anfällig, würde das nicht überleben, und ihrem Vater würde es das Herz brechen, das Schloss seiner Vorfahren aufgeben zu müssen.

Séraphine kniete sich vor das Bett und versuchte zu beten. Sonst brachte ihr das innere Ruhe und die Gewissheit, was sie tun sollte. Heute aber gelang es ihr nicht, eine Verbindung zu Gott zu finden. Ihr war, als bestrafte er sie wegen ihrer Sünde. Sie vergrub das Gesicht in den Kissen und schrie hinein. So musste sich jemand fühlen, der gevierteilt wurde, dachte sie. Sie schrie ihren ganzen Schmerz und ihre Wut heraus. Dann wurde sie plötzlich ganz ruhig. Sie setzte sich auf und ordnete ihre Haare. Ihr Gesicht war gerötet, aber starr wie eine Gipsmaske. Sie musste ihre neu erwachte Liebe mit der Wurzel ausreißen.