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Aus Versehen verliebt - Roman

Susan Elizabeth Phillips

 

Verlag Blanvalet, 2009

ISBN 9783641028367 , 512 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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8,99 EUR


 

1
Die Schakale umschwärmten sie, als sie ins Freie trat. Als Georgie in der Parfümerie am Beverly Boulevard abgetaucht war, waren ihr nur drei davon auf den Fersen gewesen, jetzt waren es schon fünfzehn – zwanzig – vielleicht auch mehr – eine heulende, wilde Meute, die man in L.A. mit gezückten Kameras losgelassen hatte und die nur darauf wartete, ihr den letzten Fetzen Fleisch von den Knochen zu reißen.
Ihre Blitzlichter blendeten sie, als sie in den späten Aprilnachmittag eintauchte. Sie redete sich ein, mit allem fertig werden zu können, was sie ihr entgegenschleuderten. Hatte sie das nicht das ganze vergangene Jahr über getan? Sie fingen an, sie mit unverschämten Fragen zu bombardieren – zu vielen Fragen, zu schnell, zu laut, Worte, die miteinander verschmolzen, bis nichts mehr einen Sinn ergab. Einer von ihnen drückte ihr etwas in die Hand – eine Illustrierte – und brüllte ihr ins Ohr. »Das wird gerade frisch ausgeliefert, Georgie. Was sagen Sie dazu?«
Automatisch warf Georgie einen Blick darauf und sah auf der Titelseite von Flash das Sonogramm eines Babys. Das Baby von Lance und Jade. Das Baby, das ihres hätte sein sollen.
Sie verlor alle Farbe im Gesicht. Die Blitzlichter blitzten, die Kameras klickten, und ihr Handrücken flog an ihren Mund. Nachdem sie sich so viele Monate lang beherrscht hatte, verlor sie jetzt die Kontrolle, ihr schossen die Tränen in die Augen.
Die Kameras fingen alles ein – die Hand an ihrem Mund, die Tränen in ihren Augen. Endlich hatte sie den Schakalen gegeben, worauf sie das ganze vergangene Jahr über gelauert hatten – Fotos der lustigen, einunddreißigjährigen Georgie York inmitten der Trümmer ihres Lebens.
Sie ließ die Illustrierte fallen und wandte sich zur Flucht, aber sie hatten sie eingekesselt. Sie versuchte, nach hinten zu entkommen, aber sie waren überall mit ihren heißen Blitzlichtern und dem herzlosen Geschrei. Ihr Geruch verstopfte ihre Nasenlöcher – Schweiß, Zigaretten, aufdringliches Eau de Cologne. Jemand trat ihr auf den Fuß. Ein Ellbogen rammte sich in ihre Seite. Sie rückten dichter an sie heran, raubten ihr den Atem, erstickten sie …
 
Bramwell Shepard verfolgte die widerliche Szene, die sich vor ihm abspielte, von den Stufen des nebenan gelegenen Restaurants. Er kam gerade vom Mittagessen, als das Spektakel losging, er blieb auf dem Treppenabsatz stehen, um es auf sich wirken zu lassen. Er hatte Georgie York schon ein paar Jahre lang nicht mehr gesehen, und dann auch nur im Vorbeigehen. Aber als er nun den Angriff der Paparazzi beobachtete, kehrte die Verbitterung zurück.
Von seinem erhöhten Standpunkt aus hatte er einen guten Überblick auf das Chaos. Einige der Paparazzi hielten ihre Kameras hoch über den Köpfen, andere schoben ihr die Linsen ins Gesicht. Sie hatte seit ihrer Kindheit mit der Presse zu tun gehabt, aber auf das Pandämonium dieses letzten Jahres war sie gewiss nicht vorbereitet. Nur zu schade, dass keine Helden da waren, die darauf warteten, sie retten zu dürfen.
Bram hatte acht elende Jahre damit zugebracht, Georgie aus brenzligen Situationen zu befreien, aber seine Tage in der Rolle des galanten Skip Scofield an der Seite von Georgie, alias der unerschrockenen Scooter Brown, lagen schon lange hinter ihm. Sollte Scooter Brown doch zusehen, wie sie ihren Arsch diesmal selbst rettete – oder, was wahrscheinlicher war, warten, damit Daddy das für sie erledigte.
Die Paparazzi hatten ihn nicht bemerkt. Er befand sich derzeit nicht auf deren Radarschirmen, was aber nicht heißen musste, dass er nicht sofort darauf gewesen wäre, wenn sie ihn zusammen mit Georgie hätten ablichten können. Skip und Scooter war eine der erfolgreichsten Sitcoms der Fernsehgeschichte gewesen. Acht Jahre lang ausgestrahlt, jetzt bereits seit acht Jahren nicht mehr auf Sendung, hatte die Öffentlichkeit sie dennoch nicht vergessen, vor allem nicht, wenn es um Amerikas gutes Mädchen Nummer eins ging, um Scooter Brown, im richtigen Leben gespielt von Georgie York.
Einem besseren Menschen hätte sie vielleicht in ihrem momentanen Dilemma leid getan, aber den Helden-Button hatte er nur auf der Leinwand getragen. Sein Mund zuckte, als er auf sie herabschaute. Na, wie funktioniert deine mutige Ich-schaff-das-Haltung in letzter Zeit, Scooter?
Plötzlich nahmen die Dinge eine hässliche Wendung. Zwei der Paparazzi fingen eine Rempelei an, einer von beiden schubste sie kräftig. Sie verlor das Gleichgewicht und ging zu Boden, im Sturz kam ihr Kopf nach oben, und da erspähte sie ihn. Inmitten all des Wahnsinns, des wilden Gerangels und verrückten Rempelns, in all dem Krawall und Chaos gelang es ihr, ihn kaum dreißig Schritt weit entfernt zu entdecken. Auf ihrem Gesicht zeichnete sich blitzartiges Entsetzen ab, nicht wegen des Sturzes – irgendwie hatte sie sich wieder aufgerappelt, ehe beide Knie aufschlugen – sondern seines Anblicks wegen. Ihre Blicke trafen sich, die Kameras rückten näher, und der in ihr Gesicht geschriebene Hilferuf ließ sie wieder wie ein Kind aussehen. Er starrte sie an – ohne sich vom Fleck zu rühren – und nahm diese weingummigrünen Augen in sich auf, die noch immer voller Hoffnung waren, es könnte doch noch ein Geschenk für sie unter dem Weihnachtsbaum liegen. Dann verschleierten sich ihre Augen, und er wurde Zeuge des exakten Augenblicks der Erkenntnis, dass er ihr nicht helfen würde – dass er derselbe selbstsüchtige Mistkerl war wie eh und je.
Was zum Teufel erwartete sie auch? Hatte sie jemals auf ihn zählen können? Ihr lustiges Mädchengesicht zuckte vor Verachtung, und sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Kampf mit den Kameras zu.
Zu spät erkannte er, was für eine hervorragende Gelegenheit er verpasst hatte, und er fing an, die Treppe hinunterzusteigen, aber er hatte zu lang gewartet. Sie hatte bereits den ersten Schlag ausgeteilt. Kein Volltreffer, aber er erreichte sein Ziel, und ein paar der Paparazzi traten beiseite, um Platz zu machen, damit sie zu ihrem Auto gehen konnte. Sie warf sich hinein und fuhr gleich darauf los. Während sie sich ohne Rücksicht auf Verkehrsregeln in den Freitagnachmittagsverkehr von L.A. einfädelte, rasten die Paparazzi zu ihren illegal geparkten schwarzen Geländewagen und begannen mit der Verfolgungsjagd.
Hätte der Parkdienstservice des Restaurants nicht diesen Moment gewählt, um ihm seinen Audi zu bringen, hätte Bram womöglich keinen weiteren Gedanken an dieses Ereignis verschwendet, aber als er hinters Steuer rutschte, gewann die Neugier die Oberhand. Wo würde die Illustriertenprinzessin wohl ihre Wunden lecken, wenn ihr kein Versteck mehr blieb?
Das Mittagessen, das er gerade hinter sich gebracht hatte, war ein Reinfall gewesen, und da er mit seiner Zeit nichts Besseres anzufangen wusste, beschloss er, sich an die Kavalkade aus Paparazzi dranzuhängen. Obwohl er ihren Prius nicht sehen konnte, sagte ihm die schlängelnde Fahrweise der Paparazzi, dass Georgie offenbar unberechenbar fuhr. Sie bog zum Sunset ab. Er schaltete das Radio ein, schaltete es wieder aus und überdachte seine Lage. In Gedanken spielte er ein faszinierendes Szenarium durch.
Schließlich fuhr die Kavalkade auf den Pacific Coast Highway in nördlicher Richtung, und da dämmerte es ihm. Ihr wahrscheinliches Ziel. Er rieb mit seinem Daumen über sein Lenkrad.
War das Leben nicht voll interessanter Zufälle …
 
Georgie wünschte sich, ihre Haut abstreifen und einfach liegen lassen zu können. Sie wollte nicht mehr länger Georgie York sein. Sie wollte eine Persönlichkeit mit Würde und Selbstachtung sein.
Hinter den getönten Scheiben ihres Prius wischte sie sich mit ihrem Handrücken über die Nase. Früher hatte sie die Welt zum Lachen gebracht. Nun war sie trotz all ihrer Anstrengungen das Postergirl für Liebeskummer und Demütigung geworden. Der einzige Trost, der ihr in dem ganzen Debakel ihrer Scheidung geblieben war, war die Gewissheit, dass die Kameras der Paparazzi sie nie, niemals mit hängendem Kopf erwischt hatten. Selbst am schlimmsten Tag ihres Lebens – der Tag, an dem ihr Ehemann sie wegen Jade Gentry verließ – hatte Georgie für die Schakale, die ihr auf den Fersen waren, Scooter Browns zum Markenzeichen gewordenes Grinsen und eine dämliche Pin-up-Pose parat gehabt. Aber heute war ihr der letzte Rest ihres Stolzes gestohlen worden. Und Bram Shepard war Zeuge davon geworden.
Ihr drehte sich der Magen um. Das letzte Mal hatte sie ihn vor ein paar Jahren auf einer Party gesehen. Er war von Frauen umgeben gewesen – was keine Überraschung war. Sie war gleich wieder gegangen.
Es wurde laut gehupt. Die Aussicht, in ihr leeres Haus oder die öffentliche Mitleidsparty zurückzukehren, zu der ihr Leben geworden war, war ihr zuwider, deshalb befand sie sich nun auf dem Weg zu ihrem alten Freund Trevor Elliott, der am Strand von Malibu ein Haus hatte. Aber obwohl sie inzwischen schon fast eine Stunde unterwegs war, wollte ihr Herzschlag sich nicht beruhigen. Nach und nach hatte sie die zwei Dinge verloren, die ihr am meisten bedeuteten – ihren Ehemann und ihren Stolz. Drei Dinge, wenn sie ihre Karriere mit in die Waagschale...