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Das Kreuz mit dem C - Wie christlich ist die Union?

Martin Lohmann

 

Verlag Butzon & Bercker GmbH, 2012

ISBN 9783766641021 , 202 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz frei

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6,99 EUR


 

Feigheit vor dem Freund


Das C und sein Wert

Der Blick nach Berlin lohnt immer. Nicht nur, weil dort seit einigen Jahren eine bemerkenswerte Frau das Land regiert. Nicht nur, weil Berlin eine faszinierende Stadt ist. Nicht nur, weil zwischen Reichstag und den Parlamentsgebäuden rund um ihn eine bedeutungsschwangere Atmosphäre der Wichtigkeit bei manchem Besucher aus der sogenannten Provinz das respektvolle Staunen möglich macht. Nicht nur, weil dort eine Wirklichkeit des Raumschiffs entstanden ist, gegen die ähnliche Entwicklungen im beschaulichen Bonn nichts als kaum wahrnehmbare Zuckungen waren. Nein, es ist die Symphonie aus Vergangenheit und Zukunft, die dieser Hauptstadt eine ganz eigene, eine unvergleichliche Wirklichkeit verleiht.

Nicht zuletzt ist es – zwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer – auch eine neue Generation von Politikern, die der deutschen Demokratie für die medial wahrgenommene Wirklichkeit ein anderes Gesicht verleihen, als dies zu Bonner Zeiten der Fall war. Bonn, die Stadt des Grundgesetzes und der erfolgreichsten Demokratiezeit auf deutschem Boden, liegt am Rhein, ist Teil eines über zwei Jahrtausende gewachsenen Charakters, der wesentliche Züge des Christlichen trägt. In Bonn spielte und spielt Kirche eine selbstverständliche Rolle. Auch wenn sich in Bonn, das sich seit dem Verlust des Hauptstadttitels tapfer Bundesstadt nennt, vieles ändert und anno 2009 nicht mehr verglichen werden kann mit den Gründerjahren der Bundesrepublik, so ist bis heute das Christliche irgendwie da. Regelmäßiges Kirchengeläute von nicht allzu weit entfernt war im Regierungsviertel immer zu hören, wenn man wollte. Manche sagen gar, der Geist des rheinisch-katholischen Adenauers sei auch noch Jahrzehnte später nicht ganz erloschen. Rheinisch-katholisch – das weiß man im Rheinland – steht für die der rheinischen Weltoffenheit entsprechende Mentalität der Leichtigkeit des Seins, auch gegenüber allem Kirchlichen, das man zwar ernst nimmt, aber bitte nie zu ernst.

Die andere Hauptstadt

Bonn war Hauptstadt. Berlin ist es. Und hier an der Spree muss man schon etwas genauer suchen, um christliche Kultur zu entdecken. Es gibt sie. Aber sie ist keineswegs so alt und in der Geschichte verwurzelt wie im Rheinland, wo mit den Römern bereits vor zweitausend Jahren das C, um im Bild dieses Buches zu bleiben, zu den Menschen kam. Der märkische Sand konnte damals noch mehr als zwölf Jahrhunderte nicht ahnen, dass die Zivilisation auch an die Spree kommen würde. Sie kam. Mit beeindruckendem Selbstbewusstsein. Heute ist Berlin eine Metropole der Welt, die für vieles in Deutschland Maßstab ist. Eine Metropole, die zahlreichen Kulturen Heimat bietet und im wahrsten Sinne des Wortes bunt schillernd ist.

So etwas prägt. So etwas prägt auch Politiker, die aus dem ganzen Land anreisen, um hier Politik für ganz Deutschland zu machen. Berlin prägt mit seiner Macht der Faszination und Größe übrigens mehr, als das Bonn jemals wollte oder auch konnte. Irgendwie war es am Rhein leichter, seine Heimat aus seinem Wahlkreis mitzubringen und ihr Gehör zu verschaffen. Bonn prägte so gesehen nicht. Bonn ließ gewähren. Bonn war tolerant, weil es nicht anders konnte.

Berlin ist da anders. Die Atmosphäre ist hier weit weniger christlich angereichert als anderswo. Sicher, auch das Christliche hat seinen Platz. Aber eben neben vielem anderen. Vertretern der Kirchen fehlt eine Aura des etwas Besonderen. Sie sind eher so etwas wie gleichberechtigte Lobbyisten in der Schar der anderen Verbands- und Interessenvertreter. Sie sind gerne gesehene Gesprächspartner, aber sie müssen mehr um ihr politisches Beachtungsgewicht kämpfen als ihre Vorgänger in Bonn. Es ist nun einmal so. Berlin hat mit seiner säkularisierten und auch bisweilen gottlosen Wirklichkeit die Kraft, von sich aus ins Land zu wirken. Dabei weiß jeder, dass Berlin nicht Deutschland ist und Deutschland nicht Berlin. Mag sein, dass man dieses Phänomen quasi entschuldigend und, wie es jemand einmal sagte, strafmildernd durchaus gewichten muss, wenn man gerade im Blick auf den Reichstag und das Kanzleramt sowie den um diese Stätten kreisenden Mikrokosmos die Frage nach dem C stellt. Ich plädiere also für Fairness, wenn scharf und mit dem Unterton der zweifelsfrei gegebenen harten Antwort aus den anderen und womöglich selbstverständlich christlich geprägten Regionen des Landes nach dem C in der Union gefragt wird.

Das C unter vielem anderen

Ähnliches gilt übrigens auch für München. Auch München ist nicht Bayern, und Bayern ist nicht München.

Das C hat in Oberbayern eine ganz andere Verwurzelung im Leben als etwa im nördlichen Franken. Und München ist sowieso nichts als München. So wie Berlin der Mittelpunkt ist, ist es München auch. Und wie in der Bundeshauptstadt die Lebenswirklichkeit keineswegs nicht automatisch christlich ist, so ist sie es auch in der bayerischen Landeshauptstadt nicht. Obwohl in München die Liebfrauenkirche das Stadtbild so prägt wie in Berlin der Funkturm am Alexanderplatz. Die Hedwigskathedrale jedenfalls liegt etwas abseits in Berlin, obwohl sie mittendrin liegt.

Und was heißt das alles jetzt für unsere Frage? Man muss es einfach wissen und berücksichtigen, wenn C-Politiker, die sich auf der politischen Bühne in Berlin und auf den Empfängen und Tagungen in der Metropole perfekt zu bewegen verstehen, zum C befragt werden. Es wäre einfach unfair, sie mit jener Schablone zu bewerten, die vor einigen Jahrzehnten am Rhein vielleicht noch berechtigt gewesen ist. Bonn bot als Bühne allenfalls das Kanzlerfest oder die übersichtlichen Sommerfeste der Ländervertretungen. Das Beethovenfest zu Ehren des in Bonn geborenen Musikgenies fand schon wieder ohne Bundesprominenz statt. In Berlin hingegen müssen sich, wie gelegentlich von ihnen selbstbewundernd geklagt wird, die Politiker täglich entscheiden, welche der zahlreichen Einladungen sie denn wahrnehmen. Am besten alle nacheinander. Viel Ablenkung, wenig C. So ist es nun einmal. Fast könnte man sagen: Das C geht unter in Berlin.

Könnte das eine Rechtfertigung sein für nicht nur in Berlin feststellbare Entwicklungen? Oder doch nur eine Erklärung? Ist die Berliner Republik, von der man im Unterschied zur nie so bezeichneten Bonner Republik unmittelbar nach dem Umzug vom Rhein an die Spree zu reden begonnen hat, längst östlicher und heidnischer geworden? Mit entsprechender Ausstrahlung auf – nicht zuletzt – die C-Politiker und damit auf das von der Zentrale aus geprägte und überall im Lande wahrgenommene Profil der C-Parteien? War es vielleicht doch ein Fehler, dass nach dem Fall der Mauer verhindert wurde, einen Katholischen Arbeitskreis in der Union zu gründen – gleichsam als Ergänzung zum Evangelischen Arbeitskreis? Diesen hatten engagierte Christen in der Politik zu Bonner Zeiten ins Leben gerufen, um der im Rheinland vornehmlich katholisch geprägten CDU ein ökumenisches Gegengewicht zu bieten. Doch entsprechend engagierte Versuche, mit demselben Argument nach der Wende ein sichtbares katholisches Forum zu installieren, scheiterten in den Neunzigerjahren, auch am Widerstand eines prominenten protestantischen Unionspolitikers. Der dann ins Leben gerufene und nach dem früheren Kölner Erzbischof und Sozialethikers benannte Kardinal-Höffner-Kreis schaffte den Sprung aus einem eher unverbindlichen Gesprächskreis ohne besondere Wirkung ins mehr als nur Nette und Freundliche nicht, obwohl er bei der Bundestagsfraktion der Union angesiedelt ist und als Vorsitzenden einen Unionspolitiker hat. Einen in der Partei verankerten und als Teil dieser Partei wahrgenommenen Katholischen Arbeitskreis, vergleichbar mit dem Evangelischen Arbeitskreis, mit einer eigenen Publikation gibt es bis heute nicht. Leider.

Ganz anders, aber religiös

Im Konzert der Meinungen und Überzeugungen scheint das C im pluralistischen Berlin kaum oder nur eine geringe Chance zu haben. Ist das vielleicht einer der Gründe, warum sich die neue deutsche Republik ganz anders präsentiert als die vermeintlich christlicher geprägte alte Republik des Westens? Ist die Klage, die man gelegentlich hört, dass der Geist der Berliner Republik letztlich an vielem schuld sei bis hin zur Verdunstung des C in der Union, ernst zu nehmen? Wohl kaum. Es wäre zu kurz gesprungen, derart monokausal Veränderungen erklären zu wollen. Richtiger wird sein, daran zu erinnern, dass die Union, dass deren Köpfe Teil einer Gesellschaft sind, die sich stets verändert und auch schon verändert hat. Irgendetwas wird schon dran sein an dem Spruch, dass jede Gesellschaft die Politiker hat, die sie verdient. Will sagen: Die Politiker sind Teil der Gesellschaft und haben eben jene Gesellschaft, aus der heraus sie kommen, widerzuspiegeln. Von einer Vorbildfunktion und der Verantwortung, die sie etwa als gewählte Vertreter des Souveräns zu tragen haben, einmal abgesehen: Sollen sie völlig anders sein als die deutsche Wirklichkeit? Und ist diese nicht längst weitgehend vom C befreit? Sollen Unionsvertreter also päpstlicher als der Papst sein?

Viel wurde in der Vergangenheit darüber diskutiert und spekuliert, dass die Zeiten des Religiösen, also auch die Zeiten des C, mehr und mehr der Geschichte angehören. Von Säkularisierung war die Rede, ja selbst innerhalb der Kirchen wurde ein säkularisiertes Christentum beklagt. Der moderne Mensch, so hörte man ab und an, sei ein aufgeklärter und kaum mehr religiöser. Die moderne Gesellschaft, also auch und gerade die deutsche, werde eine entchristlichte Gesellschaft sein, eine, in der es vielleicht noch christliche Angebote im Supermarkt der Meinungen geben könne, aber eben keine mehr, in der das mit dem Christentum verbundene Religiöse einen markanten Stellenwert haben werde....